Leitsatz (amtlich)
Das Besteuerungsrecht Itallens besteht auch dann, wenn ein Im Privatdienst beschäftlgter Arbeltnehmer auf Welsung selnes Inländlschen Arbeltgebers nur wenlge Tage (Aufenthaltsdauer Jewells eln bls vier Tage, Insgesamt 18 Tage Im Jahr) eine Tätlgkelt In Itallen ausübt.
Normenkette
DBA ITA Art. 7 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) wohnende Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Angestellter der inländischen Tochtergesellschaft eines internationalen Konzerns. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1976 legte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) den gesamten Brutto-Arbeitslohn des Klägers der Besteuerung zugrunde. Gegen den Einkommensteuerbescheid erhob der Kläger mit der Begründung Einspruch, er habe im Jahr 1976 mehrere Dienstreisen nach Italien unternommen, um eine Firma, die mit dem Vertrieb der Erzeugnisse seines Arbeitgebers zu tun habe, zu kontrollieren, zu beraten und insbesondere auf den jeweils neuesten Stand von Organisations- und Vertriebsformen zu bringen. Ausweislich einer Bescheinigung seines Arbeitgebers habe er sich 1976 anläßlich von sieben Reisen insgesamt 18 Tage zu diesem Zweck in Italien aufgehalten, wobei die Aufenthaltsdauer jeweils zwischen einem und vier Tagen geschwankt habe, Er habe in 1976 für 262 Arbeitstage einen Brutto-Arbeitslohn von ... DM erhalten. Davon entfalle ein Betrag von ... DM auf die 18 in Italien verbrachten Arbeitstage. Dieser Betrag sei gemäß Art. 7 Abs. 1 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und Italien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung anderer Fragen auf dem Gebiete der direkten Steuern vom 31. Oktober 1925 -- DBA-ltalien -- (RGBl II, 1146) von der deutschen Einkommensteuer freizustellen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit seiner Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter, den streitigen Betrag von der Einkommensteuer freizustellen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision. Er rügt Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Entgegen der Auffassung des FG sind die Arbeitseinkünfte des Klägers, soweit sie ihm von seinem Arbeitgeber für seine Tätigkeit in Italien gezahlt worden sind, nach den Bestimmungen des DBA-Italien von der Besteuerung in der Bundesrepublik ausgenommen.
Nach Art. 7 Abs. 1 i. V. m. Art. 11 Nr. 1 Buchst. d DBA-Italien werden Arbeitseinkünfte der im Privatdienst beschäftigten Arbeitnehmer nur in dem Staat besteuert, in dessen Gebiet die persönliche Tätigkeit ausgeübt wird, aus der die Einkünfte herrühren. Es kommt aber nicht darauf an, wo die Tätigkeit des Arbeitnehmers verwertet wird (Korn/Debatin, Doppelbesteuerung, Italien, Anm. 1 zu Art. 7). Der Ort einer Tätigkeit, durch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt werden, liegt im Regelfall -- von der Tätigkeit eines Geschäftsführers einer inländischen GmbH abgesehen -- im Gebiet desjenigen Staates, in dem der Arbeitnehmer seine persönliche Tätigkeit tatsächlich ausübt (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. August 1960 VI 300/58 S, BFHE 71, 514, BStBl III 1960, 441). Der erkennende Senat geht für die Entscheidung über die Revision davon aus, daß die Tätigkeit des Klägers, die italienische Vertriebsfirma zu beraten, ihr neue Verkaufsformen zu vermitteln und deren Angestellte darin einzuweisen, nicht zu der Tätigkeit gehört, die ausschließlich dem Geschäftsführer seines Arbeitgebers zuzuordnen und deshalb der Tätigkeit des Geschäftsführers oder Vorstands einer inländischen Gesellschaft gleichzusetzen ist. Die für die im Ausland wohnenden Geschäftsführer einer inländischen GmbH entwickelten Grundsätze der Entscheidung in BFHE 71, 514, BStBl III 1960, 441 finden somit keine Anwendung. Nach der zum DBA-Italien ergangenen Entscheidung des Senats vom 26. Mai 1971 I R 27/70 (BFHE 103, 324, BStBl II 1971, 804) übt der in der Bundesrepublik ansässige Arbeitnehmer seine persönliche Tätigkeit in Italien aus, wenn er von seinem ebenfalls in der Bundesrepublik ansässigen Arbeitgeber in das Ausland geschickt wird, um dort Arbeiten auszuführen, die nach Lage der Sache allein an Ort und Stelle ausgeführt werden können. Hierzu rechnet auch die vom Kläger beschriebene Tätigkeit in Italien.
Das DBA-Italien als eines der ältesten noch in Kraft befindlichen Doppelbesteuerungsabkommen (Wiederanwendung ab 1. Januar 1951, BGBl II 1952, 986, BStBl I 1953, 6) kennt noch nicht die regelmäßig in allen späteren Abkommen enthaltene sogenannte 183-Tage-Klausel, wonach das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat verbleibt, wenn der Empfänger der Arbeitsvergütungen sich insgesamt nicht länger als 183 Tage während des betreffenden Steuerjahres in dem anderen Staat aufhält. Aus diesem Grunde wird in der Entscheidung in BFHE 103, 324, BStBl II 1971, 804 ausgeführt, daß die vorstehenden Grundsätze auch für eine nur vorübergehende Tätigkeit in Italien gelten.
Das FG ist der Auffassung, diese Grundsätze seien nicht anwendbar, wenn wie im Streitfall die Aufenthaltsdauer während jeder der Dienstreisen nur wenige Tage (1 bis 4 Tage) gedauert habe; im Falle der Entscheidung in BFHE 103, 324, BStBl II 1971, 804 hätten die Dienstreisen jeweils länger -- mehr als zehn Tage -- gedauert. Die hier in Betracht kommenden Vorschriften des Abkommens und der Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften des Abkommens lassen keine derartige Einschränkung erkennen. Sie teilen eindeutig die Besteuerung der Arbeitseinkünfte für Tätigkeiten, die in Italien ausgeübt werden, dem italienischen Staat zu. Das bedeutet, daß sofort mit Beginn der Tätigkeit in Italien das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik aufhört, und zwar ohne Rücksicht darauf, wie lange der Arbeitnehmer in Italien arbeitet und wer die Vergütungen für die Tätigkeit zahlt (Thiel, Besteuerung von Arbeitslohn bei Auslandstätigkeit, S. 52).
Entgegen der Auffassung des FG und des FA kommt es auch nicht darauf an, ob der italienische Staat bei der kurzfristigen Arbeitstätigkeit in seinem Staatsgebiet von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht. Selbst wenn die italienischen Finanzbehörden -- aus welchem Grunde auch immer -- die italienischen Arbeitseinkünfte des Klägers der Besteuerung nicht unterworfen haben, steht der Bundesrepublik das Besteuerungsrecht dieser Einkünfte nicht zu. Der Verzicht eines Vertragstaates auf das Besteuerungsrecht gilt -- soweit sich aus dem Abkommen nichts anderes ergibt -- zwingend und ausnahmslos; das folgt aus dem Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung (BFH-Urteil vom 31. Juli 1974 I R 27/73, BFHE 113, 437, BStBl II 1975, 61, mit Rechtsprechungsnachweisen).
Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird, da es diesbezügliche Feststellungen noch nicht getroffen hat, ermitteln müssen, an welchen Tagen der Kläger tatsächlich in Italien in der von ihm geschilderten Weise gearbeitet und welches Entgelt er dafür erhalten hat. Die für die Tätigkeit in Italien bezogenen Arbeitseinkünfte bleiben bei der Veranlagung 1976 außer Ansatz. Die danach steuerfreien italienischen Einkünfte sind bei der Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes in die Berechnung nicht einzubeziehen. Ein sogenannter Progressionsvorbehalt ist im DBA-Italien nicht vorgesehen. Diese Abkommensregelung hat Vorrang vor dem durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl I, 1769, BStBl I, 530) in das Einkommensteuergesetz (EStG) eingefügten § 32b, der den Progressionsvorbehalt hinsichtlich solcher Einkünfte unbeschränkt Steuerpflichtiger vorschreibt, deren ausländische Einkünfte aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens steuerfrei sind. § 32b EStG in der noch für das Streitjahr geltenden Fassung ist aus Gründen der Rechtssicherheit geschaffen worden, weil aus verschiedenen Doppelbesteuerungsabkommen nicht zweifelsfrei zu erkennen war, ob ein zugelassener Progressionsvorbehalt unmittelbar anzuwendendes Recht sein soll (vgl. die Begründung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 7/2180, S. 20 zu Nr. 42; Herrmann/ Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 19. Aufl., § 32b EStG, Rdnr. 8; weiterhin Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 29. November 1974, BStBl I 1974, 946, Tz. 13.5). Dementsprechend ist in Abschn. 185 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien 1975 angeordnet, daß die Einkünfte aus Italien, die nach dem Abkommen mit diesem Staat steuerfrei sind, nicht in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 74609 |
BStBl II 1983, 402 |
BFHE 1982, 29 |