Leitsatz (amtlich)

1. Zolltariflicher Begriff "Getränk".

2. Zur Tarifierung einer Hefesuspension mit Zucker und Fruchtsaftkonzentraten.

 

Orientierungssatz

1. Getränke i.S. des Zolltarifs sind alle Flüssigkeiten, die zum menschlichen Genuß geeignet und bestimmt sind, ohne daß es auf die eingenommene Menge oder die besonderen Zwecke ankommt, denen die verschiedensten Arten genießbarer Flüssigkeiten dienen können (vgl. EuGH-Urteil vom 26.3.1981 Rs. 114/80).

2. Eine vZTA kann auch dann erteilt werden, wenn sie nur im Hinblick auf eine Bindung der Zollstellen bei der Ausfuhr beantragt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 29.7.1981 VII K 1/79).

3. Der Kläger, der bereits im Verwaltungsverfahren die Zuweisung einer Ware zu einer bestimmten Tarifstelle des GZT durch eine vZTA angestrebt hat, kann dieses Ziel auch mit der Verpflichtungsklage weiterverfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 30.4.1980 VII K 1/77).

 

Normenkette

GZT Kap 22; GZT Tarifnr 22.07 Tarifst B-2-a; GZT Tarifnr 21.06; FGO § 44 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin beantragte für Zwecke der Ausfuhrerstattung eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) über .... und beschrieb die Ware als eine unter Erhaltung der Hefezellenstrukturen aus Hefe, Zucker und Fruchtsaftkonzentraten ohne Zusatz von Alkohol hergestellte Hefesuspension, die als Nahrungsergänzungsmittel (diätetisches Lebensmittel) verwendet werden solle. .... werde in einem Getränk eingenommen, da "für viele Verbraucher der typische Hefegeschmack nicht angenehm, teilweise sogar zuwider" sei.

Die äußere Umschließung der Ware weist folgende Beschriftung auf (auszugsweise):

"Täglich ca. zwei bis drei Eßlöffel.

Wir empfehlen, .... mit Sauermilchgetränk, Rote-Beete-Saft oder

Mineralwasser in einem Glas zu verrühren und zu trinken."

Die Beklagte (die Oberfinanzdirektion --OFD--) erteilte der Klägerin die vZTA 189/83 vom 3.Mai 1983, in der die Ware der Tarifst. 22.09 C V a des Gemeinsamen Zolltarifs --GZT-- ("anderes alkoholisches Getränk") zugewiesen wurde.

Auf den Einspruch der Klägerin, mit dem diese die Zuweisung der Ware zu der Tarifnr. 21.06 ("Hefen") GZT begehrte, hob die OFD die vZTA mit Bescheid vom 22.Mai 1984 auf. Sie erteilte der Klägerin die neue vZTA 318/84 vom 29.Juni 1984, in der die Ware der Tarifst.22.07 B IIa ("anderes gegorenes Getränk, in Behältnissen mit einem Inhalt von 2 l oder weniger") mit der Begründung zugewiesen wurde, .... sei unmittelbar zum Trinken geeignet, mithin ein Getränk, auch wenn es nur in kleinen Mengen eingenommen werde, und als solches keine Hefe der Tarifnr. 21.06 GZT. Ferner wies die OFD mit Einspruchsentscheidung vom 2.Juli 1984 den Einspruch der Klägerin "gegen die vZTA 189/83 ..., ersetzt durch die vZTA 318/84 ..." als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die vZTA 318/84. Sie trägt zur Begründung vor, .... sei ein als Lebensmittel im Sinne des Lebensmittelrechts anzusehendes Hefeprodukt in Form einer Suspension. Daß es sich um ein solches Produkt handele und nicht um ein Getränk, ergebe sich bereits aus dem Herstellungsverfahren, das auf die Gewinnung von --nicht unmittelbar trinkbaren-- Enzymhefezellen abziele. .... könne --wie ein Fruchtsaftkonzentrat-- nicht unmittelbar getrunken werden, sondern sei mit Milch, Saft oder Wasser löffelweise einzunehmen. Der bei der Herstellung entstehende Alkohol diene zur Konservierung der Enzym-Hefezellen, das in dem Produkt enthaltene Weizenkeimöl außer zur Anreicherung von Enzymen zur Verhinderung des Überschäumens während der Herstellung. Bei der --vorgeschriebenen-- Verdünnung ergebe sich ein Hefetrunk, der keinen höheren Alkoholgehalt aufweise als Fruchtsäfte.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Wie der Senat entschieden hat, kann der Kläger, der bereits im Verwaltungsverfahren die Zuweisung einer Ware zu einer bestimmten Tarifstelle durch eine vZTA angestrebt hat, dieses Ziel auch mit der Verpflichtungsklage weiterverfolgen (Urteil vom 30.April 1980 VII K 1/77, BFHE 131, 134, 138, 139, BStBl II 1980, 594). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat schon im Vorverfahren erkennbar die Zuweisung von .... zur Tarifnr. 21.06 GZT begehrt. Die Prozeßvoraussetzung nach § 44 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist, wenn --wie gegen vZTA (§ 348 Abs.1 Nr.5 der Abgabenordnung --AO 1977--)-- ein außergerichtlicher Rechtsbehelf (hier: Einspruch) gegeben ist, die Klage grundsätzlich nur zulässig, soweit das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf erfolglos geblieben ist. Das trifft hier zu, denn die OFD hat über den Einspruch der Klägerin entschieden. Bedenken können auch nicht daraus hergeleitet werden, daß die OFD in der Einspruchsentscheidung den Einspruch gegen die bereits aufgehobene vZTA 189/83 zurückgewiesen hat. Tatsächlich ist damit, wie sich aus der Begründung der Einspruchsentscheidung ergibt, das Begehren der Klägerin, die Ware der Tarifnr. 21.06 GZT zuzuweisen, abgelehnt worden.

Die Klage ist nicht begründet.

Die Rechtmäßigkeit der vZTA, deren Aufhebung die Klägerin zusammen mit der Verpflichtung der OFD zur Neutarifierung begehrt, ist nicht schon deshalb in Frage gestellt, weil die vZTA nur für Zwecke der Ausfuhrerstattung dienen soll. Denn eine vZTA kann auch erteilt werden, wenn sie --wie hier-- nur im Hinblick auf eine Bindung von Zollstellen bei der Ausfuhr beantragt worden ist (Urteil des Senats vom 29.Juli 1981 VII K 1/79, BFHE 134, 70, 71).

Die OFD hat es mit Recht abgelehnt, .... als Erzeugnis der Tarifnr. 21.06 GZT anzusehen, und die Ware zutreffend als Getränk der Tarifnr. 22.07 GZT zugewiesen.

.... ist zolltariflich keine Lebensmittelzubereitung des Kapitels 21 GZT, insbesondere keine Hefe. Für die zolltarifliche Einordnung der Ware ist es unerheblich, ob diese nach den deutschen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen als Lebensmittel anzusehen ist (vgl. Urteil des Senats vom 9.Dezember 1975 VII R 65/73, BFHE 118, 125, 128); entscheidend ist allein, wie sie nach dem GZT, einer Rechtsnorm des Gemeinschaftsrechts, zu beurteilen ist. Danach muß die Tarifnr. 21.06 GZT, die u.a. Hefen, lebend und nichtlebend, umfaßt, ausscheiden. Zwar können zu den --lebenden-- Hefen dieser Tarifnummer auch Hefesuspensionen wie in destilliertem Wasser, in Gelatine oder Agar-Agar suspendierte Hefekulturen gehören (vgl. Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens in Erläuterungen zum Zolltarif --ErlZT-- zur Tarifnr. 21.06 Teil I A Rdnr.8). .... ist jedoch keine suspendierte --lebende-- Hefe, sondern eine flüssige Zubereitung aus Hefe, Weizenkeimöl und Fruchtsäuren. Der Charakter der Ware als flüssige Zubereitung wird weder dadurch ausgeschlossen, daß sie --wie die Klägerin behauptet-- ein "Vorstufeprodukt" der getrockneten Hefe (Tarifnr. 21.06 GZT) ist, noch dadurch, daß bestimmte Bestandteile aus produktionstechnischen Gründen in der Ware belassen (Gärungsalkohol) oder ihr hinzugefügt werden (Weizenkeimöl). Denn diese Umstände vermögen nichts an der Beschaffenheit der zolltariflich zu beurteilenden Ware selbst zu ändern. Diese stellt sich als Getränk im Sinne des Zolltarifs dar.

Der Inhalt des zolltariflichen Begriffs "Getränk" ist, wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden hat (Urteil vom 26.März 1981 Rs. 114/80, EuGHE 1981, 895, 903, zur Tarifierung von flüssiger Bierhefe, ergangen auf Vorlagebeschluß des Senats vom 1.April 1980 VII K 1/79, BFHE 130, 213), nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen; rein subjektive und veränderliche Umstände wie die Art, in der ein Erzeugnis eingenommen wird, oder der Zweck seiner Einnahme bleiben dabei außer Betracht. Getränke --so der EuGH-- sind daher alle Flüssigkeiten, die zum menschlichen Genuß geeignet und bestimmt sind, ohne daß es auf die eingenommene Menge oder die besonderen Zwecke ankommt, denen die verschiedenen Arten genießbarer Flüssigkeiten dienen können. Diese Entscheidung ist zwar zur Auslegung der Tarifnr. 22.02 GZT ("nichtalkoholische Getränke") ergangen, doch müssen die Entscheidungsgrundsätze gleichermaßen bei der Beurteilung gelten, ob ein anderes Getränk des Kapitels 22 GZT (z.B. der Tarifnr. 22.07 GZT) vorliegt. Danach kommt es darauf an, ob .... --eine Flüssigkeit-- zum menschlichen Genuß geeignet und bestimmt (trinkbar) ist. Diese Frage ist zu bejahen. Nach den Angaben der Klägerin wird die Einnahme von .... mit Milch, Saft oder Wasser lediglich empfohlen, und dies auch nur, weil der typische Hefegeschmack vielen Verbrauchern nicht zusage, er manchen sogar widerwärtig sei. Die Trinkbarkeit von .... wird dadurch nicht in Frage gestellt. Vielmehr bestätigen die Angaben der Klägerin, daß es sich um ein trinkbares Erzeugnis handelt. Es wäre nur dann nicht trinkbar, wenn es jedem Durchschnittsverbraucher unmöglich wäre --aus gesundheitlichen oder geschmacklichen Gründen--, das Erzeugnis unmittelbar, ohne Verdünnung oder sonstige Beigabe zu trinken. Daß es auf diesen Gesichtspunkt ankommt, ergibt sich auch aus den ErlZT. Diese haben zwar keine Rechtsnormqualität, sind aber nach ständiger Rechtsprechung des EuGH maßgebliche Erkenntnismittel bei der Auslegung des GZT. Nach den hier einschlägigen Erläuterungen zum Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften in ErlZT zu Kapitel 22 Teil II Rdnr.2 gehören unmittelbar trinkbare Anregungsmittel (Tonika), die keine Arzneiwaren sind, auch dann in das Kapitel 22, wenn sie nur in kleinen Mengen (z.B. löffelweise) eingenommen werden, während (nichtalkoholische) Anregungsmittel, "die vor dem Verbrauch als Getränk verdünnt werden müssen", von diesem Kapitel ausgeschlossen sind. Es kann indessen --wie ausgeführt-- keine Rede davon sein, daß .... vor dem Verbrauch verdünnt werden müßte, mag dies auch, wie sich aus den Anwendungshinweisen ergibt, empfehlenswert sein.

Das Erzeugnis enthält Gärungsalkohol und ist damit ein "anderes" gegorenes Getränk der Tarifnr. 22.07 GZT, kein alkoholisches Getränk der Tarifnr. 22.09 GZT (vgl. auch ErlZT zu Tarifnr. 22.09 Teil II Rdnr.11) und auch keine Arzneiware der Tarifnr. 30.03 GZT (vgl. Vorschrift 1 Satz 2 zu Kapitel 30). Innerhalb der Tarifnr. 22.07 GZT ist es, seiner Beschaffenheit und Aufmachung entsprechend, zutreffend der Tarifst. 22.07 B II a GZT zugewiesen worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60939

BFHE 143, 183

BFHE 1985, 183

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