Entscheidungsstichwort (Thema)

Mißbräuchliche Vermietung einer Arztpraxis zwischen Ehegatten

 

Leitsatz (NV)

Bei der Prüfung, ob die Vermietung einer Arztpraxis unter Ehegatten mißbräuchlich ist, sind Beiträge zu Lebensversicherungen, die zur Tilgung von für die Beschaffung der Praxis aufgenommenen Darlehen verwendet werden sollen, als Aufwendungen des Vermieter-Ehegatten anzusetzen, wenn dieser Versicherungsnehmer ist.

 

Normenkette

UStG 1980 § 2 Abs. 1, § 4 Nr. 14 S. 1, §§ 14, 15 Abs. 1-2; AO 1977 § 42

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist mit einem Arzt verheiratet. Sie war in den Streitjahren (1983 und 1984) in dessen Praxis gegen einen Monatslohn von ... DM beschäftigt.

Sie erwarb im Frühjahr 1983 ein unbebautes Grundstück, auf dem sie unter Herstellungskosten von netto ... DM eine Arztpraxis errichtete. Zur Finanzierung des Bauvorhabens nahm die Klägerin Darlehen in einer Gesamthöhe von ... DM (Auszahlung insgesamt ... DM) auf. Diese sind nach den vom Finanzgericht (FG) in bezug genommenen Darlehensverträgen wie folgt zu verzinsen und zu tilgen:

... DM Zinssatz 8 v.H. jährlich

Tilgung 4 v.H. jährlich

zuzüglich ersparter Zinsen

... DM Zinssatz 8,5 v.H. jährlich

Rückzahlung spätestens am ...

... DM Zinssatz 8 v.H. jährlich

Rückzahlung spätestens am ...

Hieraus ergibt sich eine jährliche Belastung der Klägerin von ... DM.

Die Darlehen sind durch eine Grundschuld auf dem von der Klägerin erworbenen Grundstück und durch eine Bürgschaft ihres Ehemannes gesichert und sollen mit Ausnahme des Darlehens über ... DM durch eine Lebensversicherung über ... DM getilgt werden, bei der die Klägerin Versicherungsnehmerin und ihr Mann versicherte Person ist. Der Versicherungsbeitrag beträgt vierteljährlich ... DM.

Die Klägerin vermietete ihrem Ehemann ab 1. November 1983 die Praxis nebst Garage und Autoabstellplätzen für eine Monatsmiete von ... DM zuzüglich Umsatzsteuer. Die Nebenkosten hat ihr Mann unmittelbar zu tragen.

Die Klägerin verzichtete gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) auf die Steuerbefreiung für die Vermietungsumsätze und machte die Umsatzsteuer, die im Zusammenhang mit der Herstellung des Praxisgebäudes angefallen war, als Vorsteuerbeträge geltend.

Das FA, das zunächst den Umsatzsteuererklärungen gefolgt war, gelangte nach einer im Jahre 1987 durchgeführten Außenprüfung zu dem Ergebnis, daß der Mietvertrag aufgrund von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht anerkannt werden könne, und setzte mit Umsatzsteuerbescheiden vom 7. Dezember 1987 für 1983 und 1984 jeweils Umsatzsteuer in Höhe von 0 DM fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG führte mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 374 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus: Der Klägerin stehe der begehrte Vorsteuerabzug nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) an sich zu. Die gewählte Gestaltung stelle sich aber als Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar. Diese hätten nur darauf abgezielt, den Vorsteuerabzug für die Errichtung der Praxisräume zu erlangen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 42 AO 1977 sowie des § 15 Abs. 1 UStG 1980.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug nicht zu. Sie erfüllt zwar die Voraussetzungen, von denen das UStG 1980 den Vorsteuerabzug abhängig macht. Der Abzug kann jedoch wegen Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht zugelassen werden.

2. Nach § 15 Abs. 1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Die Klägerin war in den Streitjahren Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980. Die langfristig vereinbarte und tatsächlich durchgeführte entgeltliche Vermietung der Praxis war eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980). Nach dem Willen der Vertragsparteien vollzog sich die Nutzungsüberlassung nicht auf familienrechtlicher Grundlage als Beitrag zur Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern durch Abschuß eines (entgeltlichen) Mietvertrags als steuerbarer Leistungsaustausch im Sinne des Umsatzsteuerrechts.

3. Dem Vorsteuerabzug steht § 42 AO 1977 entgegen.

a) Nach dieser Vorschrift kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

b) Wie der Senat im Urteil vom 16. Januar 1992 V R 1/91 (BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541) näher dargelegt hat, ist es als unangemessene Gestaltung zu beurteilen, wenn ein Unternehmer, der einen Gegenstand für sein Unternehmen benötigt, die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel seinem Ehegatten zur Verfügung stellt, damit dieser den Gegenstand erwirbt, um ihn an den Unternehmer-Ehegatten zu vermieten. Der Vermieter-Ehegatte wird unter diesen Umständen gewissermaßen ,,vorgeschaltet", um unter Vermeidung eigener Anschaffung das wirtschaftliche Ergebnis einer solchen zu erzielen, indem der Mieter-Ehegatte die Aufwendungen wirtschaftlich so trägt, als wäre er Grundstückskäufer und Bauherr gewesen.

Eine derartige ,,Vorschaltung" liegt vor, wenn der Vermieter-Ehegatte in einem überschaubaren Zeitraum vom Zeitpunkt der Vermietung an die Aufwendungen für Zins und laufende Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel und für die Bewirtschaftung des Grundstücks nicht aus der Miete (einschließlich Erstattung der Nebenkosten) und sonstigem eigenen Einkommen decken kann und sich der Mieter-Ehegatte deshalb über die Zahlung von Miete und ggf. Arbeitslohn hinaus in nicht unwesentlichem Umfang an diesen Aufwendungen beteiligen muß. Auch Beiträge zu Lebensversicherungen, die zur Tilgung von aufgenommenen Darlehen verwendet werden sollen, sind als Aufwendungen zu berücksichtigen, soweit der Vermieter-Ehegatte Versicherungsnehmer ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich der Mieter-Ehegatte an der laufenden Tilgung eines Darlehens beteiligen muß oder ob er Beiträge zu einer Lebensversicherung finanziert, die zur Darlehenstilgung verwendet werden soll.

c) Diese Voraussetzungen einer unangemessenen Gestaltung sind im Streitfall erfüllt. Nettomiete und Arbeitslohn der Klägerin reichen nicht einmal aus, um die aufgenommenen Darlehen zu bedienen. Die Lebensversicherungsbeiträge und die Aufwendungen für die Bewirtschaftung des Grundstücks, soweit sie der Ehemann der Klägerin nicht aufgrund des Mietvertrags trägt, können aus diesen Einnahmen nicht bestritten werden.

d) Diese unangemessene Gestaltung widerspricht den Zwecken des Vorsteuerabzugs und der Vorschriften, die diesen ausschließen, weil der Ehemann der Klägerin als Arzt selbst nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (§ 15 Abs. 2 Nr.1 i.V.m. § 4 Nr.14 Satz 1 UStG 1980; vgl. im einzelnen Senatsurteil in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541).

e) Es bedarf keiner Entscheidung der Frage, ob § 42 AO 1977 das Vorliegen einer Mißbrauchsabsicht voraussetzt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 10. September 1992 V R 104/91, BFHE 169, 258). Im Streitfall ist die Klage auch auf der Grundlage der Auffassung, die diese Frage bejaht, abzuweisen, da die Mißbrauchsabsicht der Klägerin zu vermuten ist. Grundlage für die tatsächliche Vermutung ist die objektive Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann, wie sie oben unter II. 3. b und c beschrieben worden ist. Der Klägerin waren die der Gestaltung zugrundeliegenden tatsächlichen Verhältnisse bekannt. Nach den Feststellungen des FG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß statt der Absicht einer Steuerumgehung wirtschaftlich beachtliche Gründe für die gewählte Gestaltung maßgebend gewesen sein könnten. Das Bestreben, dem Mieter-Ehegatten ein gesichertes Nutzungsrecht zu verschaffen, macht den Abschluß eines Mietvertrages nicht plausibel. Denn auch die Nutzungsüberlassung als Beitrag im Rahmen der ehelichen Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft hätte durch rechtlich bindende Vereinbarungen abgesichert werden können.

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Fundstellen

BFH/NV 1993, 699

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