Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer bei erstmaliger Anteilsvereinigung in der Hand einer Untergesellschaft im Rahmen einer Konzernumstrukturierung
Leitsatz (NV)
- Der Erwerb aller Anteile an einer Gesellschaft mit Grundbesitz durch eine Gesellschaft, deren Alleingesellschafterin bereits vor der Anteilsvereinigung mittelbar über eine weitere Untergesellschaft alle Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft hielt, unterliegt der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG.
- Die Erhebung lediglich der Differenzsteuer nach § 1 Abs. 6 GrEStG 1983 setzt die Identität des Erwerbers voraus (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1970 II 72/65, BFHE 101, 126, BStBl II 1971, 278). Daran mangelt es, wenn der Anteilsvereinigung in der Hand einer Gesellschaft eine mittelbare Anteilsvereinigung in der Hand der Alleingesellschafterin dieser Gesellschaft vorausgegangen ist. Zivil- und grunderwerbsteuerrechtlich besteht keine Personenidentität zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 6
Verfahrensgang
FG Hamburg (EFG 2000, 696) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Hamburg erwarb durch einheitlichen Vertrag vom 22. Dezember 1992 von der A-B.V. sowie der B-B.V. alle Anteile an der N-GmbH, einer Gesellschaft mit Grundbesitz in X. Die Alleingesellschafterin der Klägerin, die C-N.V., hatte bereits zuvor durch den Erwerb von Beteiligungen an anderen Gesellschaften, die ihrerseits teils mittelbar, teils unmittelbar alle Anteile an der A-B.V. sowie der B-B.V. hielten, alle Anteile an der N-GmbH mittelbar in ihrer Hand vereinigt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah in dem Anteilserwerb der Klägerin eine Vereinigung aller Anteile an der N-GmbH in der Hand der Klägerin und setzte durch Bescheid vom 1. März 1996 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von … DM (140 v.H. des Einheitswerts der der N-GmbH gehörenden Grundstücke) in Höhe von … DM fest.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führt in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 696 veröffentlichten Urteil aus, der Steuerpflicht aus § 1 Abs. 3 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes ―GrEStG― (in der für den Streitfall maßgebenden Fassung ―GrEStG a.F.―) stehe nicht entgegen, dass zuvor bei der Konzernspitze (C-N.V.), der Alleingesellschafterin der Klägerin, bereits eine mittelbare Anteilsvereinigung bestanden habe. Zwar habe der Bundesfinanzhof (BFH)in seinen Urteilen vom 12. Januar 1994 II R 130/91 (BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 408) und vom 20. Oktober 1993 II R 116/90 (BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121) entschieden, dass bei einer bereits bestehenden mittelbaren Anteilsvereinigung die nachfolgende unmittelbare Vereinigung aller Anteile in der Hand derselben Person keine Grunderwerbsteuer mehr auslöse. Daraus folge aber nicht, dass eine (erstmalige) Anteilsvereinigung in der Hand einer Konzern(tochter)gesellschaft nicht besteuert werden dürfe.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe gegen § 1 Abs. 3 und Abs. 6 Satz 2 GrEStG a.F. verstoßen. Da der Grundbesitz der N-GmbH als Folge der bestehenden mittelbaren Anteilsvereinigung bereits der C-N.V. grunderwerbsteuerrechtlich zugeordnet gewesen sei, könne der Erwerb der Anteile an der N-GmbH durch die Klägerin als zum Organkreis der C-N.V. gehörende Gesellschaft nicht zu einer neuen Zuordnung der Grundstücke geführt haben. Es sei nicht zu einer Vereinigung sämtlicher Anteile an der N-GmbH in einer "neuen" Hand gekommen. In Betracht zu ziehen sei auch die analoge Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG; danach sei hier die Steuer für den Anteilserwerb der Klägerin nicht zu erheben, weil die Bemessungsgrundlage den Wert nicht übersteige, von dem für den vorausgegangenen mittelbaren Erwerb der Anteile durch die C-N.V. die Steuer berechnet worden sei.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Hamburg vom 28. Februar 2000 I 10/99 sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 1. März 1996 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16. September 1997 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend hat das FG die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids bestätigt.
1. Der Vertrag vom 22. Dezember 1992 unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. der Grunderwerbsteuer. Nach dieser Vorschrift werden Rechtsgeschäfte besteuert, die den Anspruch auf Übertragung aller Anteile einer Gesellschaft begründen, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Gegenstand der Besteuerung ist dabei nicht der Erwerb der Anteile als solcher, sondern die durch ihn begründete eigenständige Zuordnung der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke (BFH-Urteil in BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 408). Die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. behandeln denjenigen, der infolge des Erfüllungsgeschäfts Alleingesellschafter einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft werden würde so, als gehörten ihm die Grundstücke, die dieser Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind (BFH-Urteil in BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121, m.w.N.).
Sämtliche tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. sind im Streitfall erfüllt. Zum Vermögen der N-GmbH gehörten inländische Grundstücke. Die Klägerin wird durch die Anteilsübertragungen Alleingesellschafterin der N-GmbH; damit werden in ihrer Hand alle Anteile an der N-GmbH vereinigt.
2. Der Steuerbarkeit der Anteilsübertragung steht nicht entgegen, dass die Anteile an der N-GmbH bereits mittelbar in der Hand der Alleingesellschafterin der Klägerin, der C-N.V., vereinigt waren und nach der Anteilsübertragung vereinigt blieben. Dem Grunderwerbsteuergesetz ist nicht zu entnehmen, dass im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. eine gleichzeitige Zuordnung von Grundstücken auf mehrere Rechtsträger ausgeschlossen sein soll. Aus der zivilrechtlichen Selbständigkeit von Beteiligungsgesellschaften folgt daher für die grunderwerbsteuerrechtliche Betrachtung, dass neben die Zuordnung auf eine Obergesellschaft (infolge Anteilsvereinigung) die Zuordnung auf eine Untergesellschaft tritt, wenn diese alle Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft von einer anderen Untergesellschaft erwirbt.
Damit werden Anteilsübertragungen gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. nicht anders behandelt als Rechtsvorgänge i.S. von § 1 Abs. 1 GrEStG a.F., die zwischen den verbundenen Unternehmen stattfinden. Es begegnet keinem Zweifel, dass Eigentumsübertragungen an Grundstücken i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG a.F. sowohl zwischen den Untergesellschaften als auch zwischen ihnen und der sie beherrschenden Obergesellschaft der Grunderwerbsteuer unterliegen würden. Aus dieser Kontrollüberlegung ergibt sich, dass der Wortsinn des § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. nicht über den Normsinn hinausgeht, so dass ―entgegen der Auffassung der Revision― keine verdeckte Regelungslücke vorliegt, die durch teleologische Reduktion zu schließen wäre.
Im Ergebnis ist deshalb die (fort-)bestehende grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung der Grundstücke der N-GmbH bei der Alleingesellschafterin der Klägerin für die hier vorzunehmende Beurteilung der Anteilsübertragung auf die Klägerin ohne Belang; vielmehr kommt es nur darauf an, dass das auf die Übertragung aller Anteile an der N-GmbH abzielende Verpflichtungsgeschäft vom 17. Dezember 1993 zur erstmaligen Zuordnung dieser Anteile und damit der der N-GmbH gehörenden Grundstücke zum Vermögen der Klägerin führt.
3. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus den Entscheidungen des BFH in BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121, und in BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 408). Diese Urteile betrafen Fälle, in denen eine Obergesellschaft die Anteile einer Gesellschaft mit Grundbesitz teils selbst (unmittelbar), teils (mittelbar) über eine andere Gesellschaft hält, an der sie zu 100 v.H. beteiligt ist. Sind die Anteile an einer Gesellschaft mit Grundbesitz in dieser Weise bereits teils unmittelbar, teils mittelbar in einer Hand vereinigt, so löst die Veränderung der zivilrechtlichen Rechtszuständigkeit dadurch, dass die der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich bereits zugerechneten Anteile auf sie übertragen werden, sich also unmittelbar in ihrer Hand vereinigen, bei im Übrigen unveränderten Beteiligungsverhältnissen keine Grunderwerbsteuer aus.
Der Streitfall ist hiermit nicht vergleichbar. Denn es geht nicht um die Frage, ob die bei einer Person bereits vereinigten Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft nochmals bei dieser Person in tatbestandserfüllender Weise vereinigt werden können, sondern es geht um die Steuerbarkeit der erstmaligen Zuordnung von Anteilen auf eine (Unter-)Gesellschaft, der bisher die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft weder mittelbar noch unmittelbar zugeordnet waren.
4. Die Voraussetzungen für eine Anrechnung der der Alleingesellschafterin der Klägerin für den mittelbaren Erwerb aller Anteile an der N-GmbH berechneten Steuer nach § 1 Abs. 6 GrEStG a.F. liegen nicht vor. Denn die Erhebung lediglich der Differenzsteuer setzt zum einen die Identität des Erwerbers voraus (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1970 II 72/65, BFHE 101, 126, BStBl II 1971, 278). Daran mangelt es, wenn der Anteilsvereinigung in der Hand einer Gesellschaft eine mittelbare Anteilsvereinigung in der Hand der Alleingesellschafterin dieser Gesellschaft vorausgegangen ist. Zivil- und grunderwerbsteuerrechtlich besteht keine Personenidentität zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern. Zum anderen fehlt es an dem Erfordernis, dass "einem in § 1 Abs. 1, 2 oder 3 GrEStG a.F. bezeichneten Rechtsvorgang ein in einem anderen dieser Absätze bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist". Denn in beiden Fällen handelt es sich um die Steuer für eine steuerpflichtige Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG a.F.
Auch eine entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG a.F. (vgl. hierzu Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rdnr. 975) kommt nicht in Betracht. Für eine solche Analogie besteht angesichts der klaren gesetzlichen Begrenzung der Anrechnungsregelung keine Möglichkeit. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, die Anrechnung einer einem Dritten berechneten Steuer in die Sonderregelung mitaufzunehmen. Die für einen Analogieschluss erforderliche Regelungslücke besteht folglich nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 887183 |
BFH/NV 2003, 507 |
HFR 2003, 486 |