Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung bei Haftung für Lohnsteuer
Leitsatz (NV)
1. Zu den Voraussetzungen der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache.
2. Bei Streit um die Haftung eines Geschäftsführers für Lohnsteuer ist die Frage, welche Bedeutung der Geschäftsführer einer Freistellungsbescheinigung beimessen durfte, nicht entscheidungserheblich, wenn das FG unabhängig davon aus nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Tatsachenfeststellungen geschlossen hat, dass der Geschäftsführer seine lohnsteuerlichen Verpflichtungen gekannt hat.
3. Zum Verzicht auf die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht.
4. Das Vorbringen, das FG habe falsche Schlüsse aus Zeugenaussagen gezogen, rügt einen die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigenden materiell-rechtlichen Mangel der Vorentscheidung.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 118 Abs. 2, § 155; ZPO § 295
Verfahrensgang
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Es ist bereits zweifelhaft, ob die geltend gemachten Zulassungsgründe in einer den gesetzlichen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Weise dargelegt sind. Jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Oktober 2007 VI B 33/07, BFH/NV 2008, 44; vom 12. Oktober 2007 VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45; vom 24. Juli 2008 VI B 7/08, BFH/NV 2008, 1838). Da es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, Rechtsfragen abstrakt zu klären, muss die zu klärende Rechtsfrage für die Entscheidung des Streitfalls rechtserheblich sein; an der Klärungsfähigkeit fehlt es u.a. dann, wenn nach § 118 Abs. 2 FGO bindende tatsächliche Feststellungen des Finanzgerichts (FG) unabhängig von der Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage zu dem vom FG vertretenen Ergebnis führen (z.B. BFH-Beschluss vom 8. April 2004 VII B 110/03, BFH/NV 2004, 1310; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 30).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat vorgetragen, der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften habe "im Groben" klargestellt, dass bei Vorliegen einer ordnungsgemäßen Entsendebescheinigung eine Sozialversicherungspflicht im Sitzstaat des Unternehmens entfalle. Weil in Deutschland der Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer parallel laufe, habe er --der Kläger-- keinen Anlass zu Zweifeln gehabt, ob neben einer Lohnsteuerpflicht in Portugal auch eine Lohnsteuerpflicht in Deutschland bestünde. Es kann offen bleiben, ob der Kläger damit in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise die Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage dargelegt hat. Jedenfalls ist weder aus der Beschwerdebegründung noch sonst erkennbar, dass die Frage, welche Bedeutung der Kläger den vorliegenden Bescheinigungen beimessen durfte, entscheidungserheblich gewesen ist. Denn das FG hat in seiner angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass es im Streitfall auf das Vorliegen einer Freistellungsbescheinigung nicht ankam. Diese Würdigung hat das FG u.a. auf seine im Streitfall nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen gestützt, dass der Kläger selbst eingeräumt habe, gewusst zu haben, dass sich etliche Arbeitnehmer länger als 183 Tage auf verschiedenen Baustellen in Deutschland aufgehalten hätten, dass der Kläger auch dahingehend beraten gewesen sei, dass eine Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer nur bei einem nicht länger als 183 Tage währenden Aufenthalt in Deutschland entfalle, und dass dem Kläger seine lohnsteuerlichen Verpflichtungen als Geschäftsführer spätestens durch eine 1995 durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung nachdrücklich bewusst gewesen seien.
2. Der vom Kläger --sinngemäß-- gerügte Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) einer Verletzung der Sachverhaltsaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) liegt nicht vor. Auch der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz betrifft eine Vorschrift, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung; vgl. z.B. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 33, und Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 100 f., m.w.N.); eine unterlassene rechtzeitige Rüge hat den endgültigen Rügeverlust zur Folge (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2005 VII B 61/04, BFH/NV 2005, 921; vom 21. Dezember 2006 VI B 84/06, BFH/NV 2007, 717, und vom 18. Februar 2009 XI B 90-92/08, juris). Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem FG durch entsprechende Beweisanträge auf die Vernehmung der in der Beschwerdebegründung allgemein benannten Zeugen hingewirkt hat.
Auch soweit der Kläger dem FG vorwirft, dass es Zeugenaussagen falsch interpretiert bzw. "falsche Schlüsse" gezogen habe, ist kein Verfahrensmangel dargetan. Mit diesem Vorbringen rügt der Kläger die vom FG vorgenommene Tatsachen- und Beweiswürdigung und damit einen die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigenden vermeintlichen materiell-rechtlichen Mangel der Vorentscheidung (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. Januar 2000 VI B 384/98, BFH/NV 2000, 868; vom 29. Januar 2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827; vom 14. März 2008 VI B 122/07, juris, und vom 11. Dezember 2008 XI B 42/08, juris).
Fundstellen
Haufe-Index 2204541 |
BFH/NV 2009, 1657 |