Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachforderungsbescheid wegen Abzugssteuer bei nach einem DBA steuerfreien Einkünften

 

Leitsatz (NV)

Es bestehen ernstliche Zweifel, ob § 50d EStG den Erlaß eines Nachforderungsbescheides wegen Abzugssteuer nach § 50a Abs. 4 EStG erlaubt, wenn die Einkünfte des Steuerschuldners nach dem DBA-Österreich steuerbefreit sind.

 

Normenkette

EStG § 50a Abs. 4, § 50d; DBA AUT Art. 15

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine GmbH österreichischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in . . . (Österreich). In der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) hatte sie weder eine Betriebsstätte noch ein

en ständigen Vertreter. Sie veranstaltete Konzerte und Theaterabende, organisierte Tourneen und vermittelte Künstler. Im Jahr 1989 richtete sie für die Gemeinde X an vier Abenden Auftritte von Künstlergruppen für Gastspiele im Kunst- und Kulturzentrum der Gemeinde aus. Die Gemeinde unterließ den Steuerabzug nach § 50a des Einkommensteuergesetzes (EStG) von der ausgezahlten Vergütung, das sich der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) bereit erklärt hatte, die Antragstellerin unmittelbar in Anspruch zu nehmen.

Das FA erließ deshalb am 2. November 1990 einen ,,Nachforderungsbescheid über die im Abzugsweg gemäß § 50a Abs. 4 EStG zu erhebenden Steuern für das zweite, dritte und vierte Quartal 1989" und forderte darin eine Abzugssteuer von insgesamt . . . DM nach.

Der hiergegen von der Antragstellerin eingelegte Einspruch ist noch beim FA anhängig. Ein beim FA gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung war nur hinsichtlich eines Betrages von . . . DM (wegen Zweifelnan der Höhe der Bemessungsgrundlage) erfolgreich.

Das Finanzgericht (FG) setzte die Vollziehung des Nachforderungsbescheids für die Dauer des Einspruchsverfahrens in Höhe von . . . DM aus.

Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde rügt das FA die Verletzung des § 50 d EStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Vollziehung des streitigen Nachforderungsbescheids ausgesetzt.

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO kann das FG die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Solche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, vgl. z.B. Beschluß vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, 398, BStBl II 1984, 454 m.w.N.). In Anwendung dieser Grundsätze hat das FG zu Recht ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO geäußert. Dies ergibt sich aus folgendem:

1. Die Antragstellerin schuldet bei überschlägiger Prüfung keine Abzugssteuer nach § 50 a Abs. 4 EStG auf die im Nachforderungsbescheid angeführten Vergütungen, die sie von der Gemeinde X für die Durchführung kultureller Veranstaltungen erhielt.

Zwar übte die Antragstellerin mit der Durchführung dieser Veranstaltungen eine gewerbliche Tätigkeit aus (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1984 I R 283/81, BFHE 142, 35, BStBl II 1984, 828), die mangels Unterhaltens einer Betriebsstätte im Inland nicht nach § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 a, sondern i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 d EStG (in der im Streitjahr gültigen Fassung) steuerbar ist. Indes sind die daraus fließenden Einkünfte nach Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4. Oktober 1954 - DBA-Österreich - (BGBl II 1955, 750, BStBl I 1955, 370) in der Bundesrepublik steuerbefreit. Durch die dem FG vorgelegte Bestätigung des österreichischen FA vom 13. März 1990 hat die Antragstellerin hinreichend nachgewiesen, daß sich der Ort ihrer Geschäftsleitung und damit ihr abkommensrechtlicher Wohnsitz in Österreich befindet (vgl. Art. 1 Abs. 3 DBA-Österreich und BFH-Urteil vom 22. Oktober 1986 I R 128/83, BFHE 148, 278, 283, BStBl II 1987, 253). Bezieht aber eine Person mit Wohnsitz in Österreich Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen, dessen Wirkung sich auf das Gebiet des anderen Staates (hier der Bundesrepublik) erstreckt, so hat der andere Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte nur insoweit, als sie auf eine dort befindliche - im Streitfall nicht vorliegende - Betriebsstätte des Unternehmens entfallen.

Die Einkünfte, auf die sich der streitige Nachforderungsbescheid bezieht, sind somit nach dem DBA-Österreich steuerbefreit. Der erkennende Senat hat wiederholt entschieden, daß die nach einem DBA steuerfreien Einkünfte nicht dem Steuerabzug unterliegen (BFH-Urteil vom 10. Mai 1989 I R 50/85, BFHE 157, 142, BStBl II 1989, 755 m.w.N.). Denn unter dem Begriff der Einnahme i.S. des § 50 a Abs. 4 EStG sind nur solche geldwerten Güter zu verstehen, die die Bemessungs- oder Besteuerungsgrundlage erhöhen; der Begriff umfaßt deshalb die vom Gesetz steuerfrei gestellten Einnahmen nicht (BFH-Urteil vom 27. Juli 1988 I R 28/87, BFHE 155, 479, 482, BStBl II 1989, 449). Ebensowenig enthält das DBA-Österreich eine dem Art. 17 Abs. 2 des OECD-Musterabkommens 1977 entsprechende Regelung, wonach Einkünfte aus einer von einem Künstler oder Sportler in dieser Eigenschaft persönlich ausgeübten Tätigkeit, die nicht dem Künstler oder Sportler selbst, sondern einer anderen Person zufließen, im Tätigkeitsstaat besteuert werden können.

2. Mit dem FG hat der erkennende Senat ernstliche Zweifel, ob § 50 d EStG - eingeführt durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) mit Wirkung ab 1989 - trotz fehlender materieller Steuerschuldnerschaft den Erlaß eines Nachforderungsbescheides gegen die Klägerin erlaubt. Nach dem Wortlaut des § 50 d Abs. 1 Satz 1 EStG - der zentralen Aussage der Vorschrift - ist nur der Schuldner der Vergütungen i.S. des § 50a EStG, nicht aber der Gläubiger (Steuerschuldner) zur Durchführung des Steuerabzugs verpflichtet. Dem entspricht § 50d Abs. 3 EStG, wonach der Schuldner (der Vergütungen) den Steuerabzug nach Maßgabe des DBA unterlassen kann, wenn ihn das Bundesamt für Finanzen im Einzelfall oder unter bestimmten Voraussetzungen allgemein dazu ermächtigt. Verpflichteter des Steuerabzugs i.S. des § 50 d EStG ist sonach allein der Vergütungsschuldner. Der Gläubiger der Vergütung (Steuerschuldner) ist von der Regelung nur insoweit angesprochen, als ihm ein Anspruch auf Erstattung der (vom Vergütungsschuldner) einbehaltenen und abgeführten Steuer eingeräumt wird (vgl. § 50 d Abs. 1 Satz 2 EStG).

§ 50d EStG bildet folglich - bei summarischer Würdigung - schon seinem Wortlaut nach keine Rechtsgrundlage, die Abzugssteuer des § 50a EStG entgegen den Bestimmungen des materiellen Steuerrechts beim Vergütungsgläubiger/Steuerschuldner nachzufordern. Insoweit enthält das (auf Inanspruchnahme des Vergütungsschuldners gerichtete) Konzept des § 50 d EStG (bei überschlägiger Prüfung) auch keine offenkundige und planwidrige Lükke. Denn mit dem Vergütungsschuldner steht dem FA ein erreichbarer Steuerpflichtiger (Abzugsverpflichteter und Haftungsschuldner) zur Verfügung, während Steuerausländer im Falle einer Nachforderung typischerweise nur mit Schwierigkeiten belangt werden können (Schalast, Finanz-Rundschau - FR - 1990, 212). Angesichts der vorgenannten Wirkung des § 50 d EStG kann es im Streitfall dahinstehen, ob und mit welchem Ergebnis die Bestimmung zu den Vorschriften des Abkommensrechts in Widerspruch steht (vgl. dazu Kumpf in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 50d EStG Rdnr. 44).

§ 50a Abs. 5 Satz 6 EStG, wonach der Steuerschuldner nur in Anspruch genommen wird, wenn insbesondere der Schuldner der Vergütungen diese nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis, da diese Bestimmung nur die Auswahl zwischen Haftendem und Steuerschuldner regelt, deren materiell-rechtliche Verpflichtung zum Steuerabzug aber voraussetzt.

3. Der Senat hat weiter ernstliche Zweifel im Sinne rechtlicher Unentschiedenheit, ob § 50d Abs. 2 EStG den Steuerschuldner gegenüber einem Nachforderungsbescheid verpflichtet, seine Steuerbefreiung nach einem DBA durch eine Bestätigung der für ihn zuständigen Steuerbehörde des anderen Vertragsstaats (hier Österreich) ,,nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck" nachzuweisen. Einen solchen Nachweis auf amtlichem Vordruck hat die Antragstellerin im Streitfall nicht erbracht.

Der Nachweis nach § 50d Abs. 2 EStG auf amtlichem Vordruck gilt aufgrund seiner gesetzessystematischen Einbettung nur für das zweistufige Verfahren des § 50d Abs. 1 EStG, wonach der Vergütungsschuldner die Steuer ungeachtet eines DBA einbehält, anmeldet und abführt und der Vergütungsgläubiger sie sich wieder vom Bundesamt für Finanzen erstatten läßt, und für das sog. Freistellungsverfahen des § 50 d Abs. 3 EStG (vgl. für letzteres § 50 d Abs. 3 Satz 4 EStG). Dies belegt vor allem die Stellung des § 50d Abs. 2 EStG zwischen dem das Erstattungsverfahren regelnden Abs. 1 und dem Abs. 3 des § 50 d EStG, der das Freistellungsverfahren zum Inhalt hat.

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 27

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