Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld gegen nicht erschienenen Zeugen
Leitsatz (NV)
Die Höhe des gegen einen nicht erschienenen Zeugen festzusetzenden Ordnungsgeldes bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Hierbei kommt der Frage nach den Gründen für das Ausbleiben des Zeugen im Termin besondere Bedeutung zu.
Normenkette
FGO §§ 82, 102, 113; ZPO § 380 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hatte den Steuerberater P (Beschwerdeführer) zur mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 1988 ordnungsgemäß als Zeugen geladen. Der Beschwerdeführer erschien zu diesem Termin nicht. Daraufhin vertagte das FG die Sache. Mit Beschluß vom 9. Februar 1988 erlegte es dem Beschwerdeführer die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auf und setzte gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 800 DM, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft, fest, da der Beschwerdeführer trotz ordnungsmäßiger Ladung ohne Entschuldigungsgründe nicht zum Termin erschienen sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg; der erkennende Senat hob den angefochtenen Beschluß auf. Entnehme das Gericht die Höhe des Ordnungsgeldes dem oberen Betragsrahmen des Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) bedürfe dies der Begründung (Beschluß vom 1. Juni 1988 X B 41/88, BFHE 153, 310, BStBl II 1988, 838).
Das FG hat mit Beschluß vom 2. März 1990 erneut dem Beschwerdeführer die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt und gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 800 DM, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft, festgesetzt; es hat weiterhin dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes in Höhe von 800 DM begründete das FG u. a. wie folgt: Trotz Aufforderung habe der Beschwerdeführer keine Entschuldigungsgründe für sein Ausbleiben vorgetragen. Das kommentarlose Ausbleiben eines Steuerberaters, der sich selbst als Zeuge präsentiert habe, sei ,,sehr ungewöhnlich und mit seiner Eigenschaft als Organ der Rechtspflege kaum zu vereinbaren". Daher sei ein Ordnungsgeld im oberen Bereich des gesetzlich vorgesehenen Rahmens angemessen. Hierfür sprächen auch die zu vermutenden weit über dem Durchschnitt liegenden wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, die dieser beharrlich nicht aufdecke.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde begründet der Beschwerdeführer u. a. wie folgt: Die Ausführungen des FG zur Schwere der Pflichtverletzung entsprächen nicht den Tatsachen. Er habe die Gründe für sein Nichterscheinen dem FG bereits in der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 1988 vorgetragen. Das FG habe ihm mit Schreiben vom 7. Dezember 1989 gebeten, die Gründe für sein Fernbleiben ,,nochmals schriftlich darzulegen, weil diese seinerzeit im Protokoll nicht festgehalten worden" seien. Er habe die mündliche Verhandlung deswegen versäumt, weil er diesen Termin wegen Arbeitsüberlastung zu Beginn des neuen Kalenderjahres nicht im Terminbuch vermerkt hatte. Dies sei ein - nicht entschuldbares - Büroversehen. Daher richte sich die Beschwerde gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes nicht dem Grunde, sondern nur der Höhe nach.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Die Ermessensentscheidung des FG (§ 102 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Bei der pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens kommt der Frage nach den Gründen für das Ausbleiben des Zeugen im Termin besondere Bedeutung zu. Dies folgt daraus, daß die Festsetzung eines Ordnungsgeldes unterbleibt oder aufzuheben ist, wenn das Ausbleiben ,,genügend entschuldigt" ist (§ 82 FGO i. V. m. § 381 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -); ist dies der Fall, kommt es auf die weiteren bei der Ermessensausübung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht mehr an.
War das Ausbleiben im Termin nicht genügend entschuldigt, was der Beschwerdeführer nicht in Abrede stellt, so kann der Grad des Verschuldens bei der Ermessensausübung nicht unberücksichtigt bleiben. Ist der Zeuge lediglich wegen eines Büroversehens nicht zum Termin erschienen, besteht kein Anlaß, ihm ein ,,sehr ungewöhnliches Verhalten" vorzuhalten. Es sind zahlreiche andere Verhaltensweisen denkbar, die sich als Verstoß gegen die Standespflichten eines Steuerberaters darstellen und deswegen die Annahme eines höheren Verschuldensgrades rechtfertigen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Entschuldigungsgrund als solcher - vorbehaltlich einer Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen - bereits gerichtsbekannt war. Ein - etwa neues - Vorbringen im Beschwerdeverfahren mußte das FG zur Kenntnis nehmen und, wenn es dessen Richtigkeit anzweifelte, prüfen.
Die Entscheidung darüber, ob die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers der Staatskasse aufzuerlegen sind (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 10. Januar 1986 IX B 5/85, BFHE 145, 314, BStBl II 1986, 270), wird dem FG übertragen (entsprechend § 143 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 417276 |
BFH/NV 1991, 255 |