Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer tarifvertraglichen Besitzstandsregelung
Normenkette
BetrAVG § 1 Besitzstand
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Auslegung einer tarifvertraglichen Besitzstandsregelung.
Die am 7. Dezember 1935 geborene Klägerin war vom 1. Dezember 1971 bis zum 31. Januar 1996 bei der beklagten Rundfunkanstalt als Arbeitnehmerin tätig. Für die Zeit vom 1. Dezember 1971 bis zum 30. November 1974 vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis. Es wurde ohne Unterbrechung als unbefristetes fortgesetzt. Im unbefristeten Arbeitsvertrag verpflichtete sich die Beklagte zur Gewährung von Versorgungsleistungen nach Maßgabe der jeweils gültigen tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarung.
Nach Abschnitt A Abs. 3 des Änderungstarifvertrages vom 1. November 1973 hatte die Beklagte an alle Arbeitnehmer, die das 27. Lebensjahr vollendet hatten, nach einjähriger Betriebszugehörigkeit im unbefristeten Arbeitsverhältnis eine Versorgungszusage auszuhändigen. Die der Klägerin erteilte Versorgungszusage vom 1. Dezember 1975 enthielt den Hinweis, daß die Wartezeit voraussichtlich am 12. Oktober 1980 erfüllt sein werde. Nach § 3 Abs. 2 der Versorgungsvereinbarung in der Fassung vom 1. November 1973 (W 73) waren auf die zehnjährige Wartezeit “in voller Höhe Zeiten anzurechnen, die gemäß § 4 Ziffer 4 W 73 als Beschäftigungszeit gelten”. § 4 Ziffer 4 W 73 lautet auszugsweise wie folgt:
“Die Beschäftigungszeit rechnet vom Tage der letzten Einstellung in den Dienst des NDR, frühestens von der Vollendung des 18. Lebensjahres.
Eine Beschäftigungszeit beim NDR steht gleich eine Beschäftigungszeit beim …
Auf die Beschäftigungszeit werden angerechnet:
…
e) Beschäftigungszeiten in einem Anstellungsverhältnis beim NWDR, NWRV und NDR wiedereingestellter Arbeitnehmer, es sei denn
das Beschäftigungsverhältnis war aus Verschulden des Arbeitnehmers beendet worden oder
anläßlich des Ausscheidens ist vom NWDR, NWRV oder NDR dem Berechtigten ein Betrag als Abfindung der Versorgungsansprüche gezahlt worden.
…”
Nach § 5 W 73 betrug die Altersrente nach Ablauf der zehnjährigen Wartezeit 35 % des ruhegeldfähigen Einkommens und erhöhte sich nach dem vollendeten 10. Beschäftigungsjahr um einen Steigerungssatz von 1,0 bzw. 1,5 % pro Jahr bis zu dem nach dem 30. Beschäftigungsjahr erreichten Höchstsatz von 60 %. Bei einer Betriebsrente von 35 bis 45 % des ruhegeldfähigen Einkommens durfte die Gesamtversorgung nach § 14 Abs. 1 W 73 75 % des ruhegeldfähigen Einkommens nicht überschreiten. Bei einer Betriebsrente von 46 % bis 55 % des ruhegeldfähigen Einkommens erhöhte sich die Bruttogesamtversorgungsobergrenze auf 80 % und bei einer Betriebsrente von 56 bis 60 % des ruhegeldfähigen Einkommens auf 85 % des ruhegeldfähigen Einkommens. Der Tarifvertrag vom 29. Juli 1985 (W 85) führte mit Wirkung zum 1. Januar 1985 außerdem eine Nettogesamtversorgungsobergrenze ein. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 W 85 beträgt “die Obergrenze der Nettogesamtversorgung bis einschließlich 20 Beschäftigungsjahren 80/100, bei mehr als 20 bis einschließlich 25 Beschäftigungsjahren 85/100 und bei mehr als 25 Beschäftigungsjahren 90/100 des jeweiligen Nettovergleichseinkommens”. § 16 W 85 enthält folgende Besitzstandsregelung:
“Für Berechtigte, die vor dem 1.1.1985 Versorgungsbezüge erhalten haben, und für Arbeitnehmer, deren ruhegeldfähige Dienstzeit gemäß § 4 vor dem 1.1.1984 begonnen hat, gilt § 15 mit folgender Maßgabe:
- Die Nettogesamtversorgung darf eine Obergrenze von 91,75/100 des jeweiligen Nettovergleichseinkommens nicht überschreiten. Als Ausgleich für etwaige gezahlte Mehrarbeitsvergütungen, Mehrarbeits- und Zeitzuschläge erhöht sich dieser Vom-Hundert-Satz pauschal um zwei Prozent-Punkte …
Soweit die Gesamtversorgung die nach Ziffer 1 bestimmte Obergrenze überschreitet, ist der Überschreitungsbetrag mit Beginn folgender Zeitpunkte abzubauen:
Bei letzter Einstellung des Berechtigten im NDR vor dem 1.1.1984, aber nach dem 1.1.1974:
…
bei mindestens 15 Beschäftigungsjahren frühestens vom 1.1.1990 an,
bei mindestens 25 Beschäftigungsjahren frühestens vom 1.1.1993 an.
…
Bei letzter Einstellung des Berechtigten im NDR vor dem 1.1.1974, aber nach dem 1.1.1965:
…
Bei mehr als 20 Beschäftigungsjahren findet kein Abbau statt.
…
Der Überschreitungsbetrag gemäß Ziffer 2 wird bei allgemeinen Änderungen nicht angepaßt.
Der Überschreitungsbetrag vermindert sich vom Zeitpunkt der Überprüfung gemäß § 15 Ziffer 9 an, die den in § 16 Ziffer 2 genannten Terminen folgt. Die Minderung beträgt 1/6 des Überschreitungsbetrages; ….
In Fällen, in denen der Beginn der Versorgungszahlung nach den in § 16 Ziffer 2 genannten Terminen liegt, ist zu den sich jeweils ergebenden Überprüfungszeitpunkten der Überschreitungsbetrag vorab zu vermindern.
”
Am 1. Februar 1996 trat die Klägerin in Ruhestand. Die Obergrenze der Nettogesamtversorgung war um 212,51 DM überschritten. Die Beklagte kürzte die Betriebsrente um diesen Betrag. Sie legte den 1. Dezember 1974 als Zeitpunkt der “letzten Einstellung” zugrunde. Dadurch gelangte sie zu dem Ergebnis, daß der Überschreitungsbetrag nach § 16 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 W 85 vollständig abgebaut war.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der ihr zustehende Überschreitungsbetrag werde nach § 16 Abs. 2 Buchst. b W 85 nicht abgebaut. Als “letzte Einstellung” sei der 1. Dezember 1971 anzusehen. Wenn sich an ein befristetes Arbeitsverhältnis ein unbefristetes unmittelbar anschließe, sei der Beginn des ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses entscheidend.
Die Klägerin hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, beantragt
festzustellen, daß bei der Anwendung der Versorgungsvereinbarung vom 29. Juli 1985 als Datum der letzten Einstellung im Sinne von § 16 der Versorgungsvereinbarung der 1. Dezember 1971 zugrunde zu legen ist und demgemäß ein Abbau des Überschreitungsbetrages nicht stattfindet.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe die Besitzstandsregelung richtig angewandt. Unter “letzter Einstellung” sei der Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses zu verstehen.
Die Klägerin hatte in den Vorinstanzen verlangt, daß die Beklagte weiterhin die Versorgungsvereinbarung in der Fassung vom 1. November 1973 anwendet. Hilfsweise hatte sie geltend gemacht, daß nach der Besitzstandsregelung des § 16 W 85 kein Abbau des Überschreitungsbetrages stattfinde. Das Arbeitsgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 26. Januar 1999, das keine Kostenentscheidung enthielt, dem Hilfsantrag stattgegeben und im übrigen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit Ergänzungsurteil vom 27. August 1999 sind der Klägerin 1/5 und der Beklagten 4/5 der Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden. Gegen beide Urteile des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie will damit erreichen, daß die Entscheidung des Arbeitsgerichts wiederhergestellt wird und die Klägerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Mit Beschluß des Senats vom 29. August 2000 sind die Revisionen der Beklagten gegen das Urteil vom 26. Januar 1999 und gegen das Ergänzungsurteil vom 27. August 1999 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem noch anhängigen Klageantrag zu Recht stattgegeben und über die Kosten des Rechtsstreits richtig entschieden.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des Überschreitungsbetrages nach § 16 W 85. Der Senat hat sich nicht damit zu befassen, ob die Betriebsrente der Klägerin seit dem 1. März 1997 nach § 16 Abs. 2 der Versorgungsvereinbarung vom 13. März 1997 abgeschmolzen wird.
Der Klägerin stand bei Eintritt in den Ruhestand am 1. Februar 1996 der volle Überschreitungsbetrag zu. Da ihre “letzte Einstellung” vor dem 1. Januar 1974 lag und sie mehr als 20 Beschäftigungsjahre erreicht hatte, wurde der Überschreitungsbetrag nach § 16 Abs. 2 Buchst. b W 85 nicht abgebaut. Zwischen den Parteien bestand seit dem 1. Dezember 1971 ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis. Es endete am 31. Januar 1996. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht nicht den Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses, sondern den Beginn des ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses als “letzte Einstellung” iSd. § 16 W 85 angesehen. Für diese Auslegung sprechen der Tarifwortlaut, die Tarifsystematik und der Regelungszweck des § 16 Abs. 2 W 85.
- Nach allgemeinem Sprachgebrauch liegt eine “Einstellung” vor, wenn der Arbeitgeber jemanden in seine Dienste nimmt (vgl. ua. Wahrig Deutsches Wörterbuch 6. Aufl. Stichwort: einstellen). Den Gegensatz zur “Einstellung” bildet die “Entlassung” (vgl. Duden Das Große Wörterbuch der deutschen Sprache 1976 Stichwort: einstellen). Bei einer lückenlosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses fehlt eine Entlassung. Der Arbeitnehmer wird dementsprechend bei Verlängerungen oder inhaltlichen Veränderungen des Arbeitsverhältnisses nicht neu eingestellt.
Unerheblich ist es, daß § 99 BetrVG den Begriff “Einstellung” in einem weiteren Sinne verwendet. Diese Abweichung vom allgemeinen Sprachgebrauch beruht auf betriebsverfassungsrechtlichen Erwägungen, die für § 16 W 85 keine Rolle spielen.
Wird ein befristetes Arbeitsverhältnis verlängert oder in ein unbefristetes umgewandelt, so liegt eine nach § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung vor (hM; ständige Rechtsprechung des BAG, ua. 18. Juli 1978 – 1 ABR 79/75 – BAGE 31, 20 und 7. August 1990 – 1 ABR 68/89 – BAGE 65, 329, 334 mwN, sowie im Schrifttum ua. Kittner in Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 7. Aufl. § 99 Rn. 45; Dietz/Richardi BetrVG 7. Aufl. § 99 Rn. 34; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 99 Rn. 36; aA ua. Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 99 Rn. 23; Stege/Weinspach BetrVG 8. Aufl. § 99 Rn. 19 f und g). Im Beschluß vom 18. Juli 1978 (aaO) hat das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß eine Beschäftigung über die vereinbarte Altersgrenze hinaus betriebsverfassungsrechtlich jedenfalls “einer Neueinstellung gleich steht”. Ob es sich dabei um eine entsprechende Anwendung oder eine weite Auslegung des § 99 BetrVG handelt, kann dahinstehen. Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht zu, weil bei der Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages und bei der Umwandlung eines befristeten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis die betriebsverfassungsrechtliche Interessenlage ähnlich ist wie bei einer Einstellung (vgl. dazu Gumpert BB 1978, 1718). Der unterschiedliche Normzweck läßt es nicht zu, den betriebsverfassungsrechtlichen Einstellungsbegriff auf die versorgungsrechtliche Besitzstandsregelung des § 16 W 85 zu übertragen.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht der Tarifsystematik große Bedeutung beigemessen. Da die Tarifvertragsparteien ein und denselben Begriff in der Regel einheitlich verwenden, sind alle tarifvertraglichen Vorschriften zu berücksichtigen, bei denen es auf die “letzte Einstellung” ankommt. Die umfassende Betrachtung ergibt, daß mit dem Begriff “letzte Einstellung” zwischen ununterbrochen beschäftigten Arbeitnehmern und zeitweilig ausgeschiedenen differenziert werden soll.
Ausgehend von dieser Unterscheidung bestimmt § 4 Abs. 4 W 85, daß bei unterbrochenen Arbeitsverhältnissen frühere Beschäftigungszeiten nur unter besonderen Voraussetzungen mitzählen.
- § 4 Abs. 4 Unterabs. 1 W 85 legt fest, welche Dienstzeiten stets zur maßgeblichen Beschäftigungszeit gehören. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kommt es ohne jede Einschränkung auf den “Tag der letzten Einstellung in den Dienst des NDR” an. Von einer unbefristeten Einstellung ist nicht die Rede. Hätte es auf die letzte “unbefristete Anstellung” ankommen sollen, so hätte es nahegelegen, diese in Nr. 231 Ausscheidungssatz 2 MTV verwandte Formulierung zu gebrauchen. Da es üblich ist, die gesamte Zeit eines ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses ohne zusätzliche Voraussetzungen als Beschäftigungszeit zu berücksichtigen, ist nicht anzunehmen, daß die Tarifvertragsparteien eine abweichende Berechnungsregel aufstellen wollten, ohne dies unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen. Auch die Unverfallbarkeitsfristen stellen auf die Dauer des ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses ab, ohne zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen zu differenzieren.
§ 4 Abs. 4 Unterabs. 2 und 3 W 85 regelt, unter welchen Voraussetzungen die vor der letzten Einstellung liegenden Beschäftigungszeiten angerechnet werden können. “Anrechnen” bedeutet, daß es sich eigentlich um keine Beschäftigungszeit handelt. Die unter die Anrechnungsvorschrift fallenden Dienstzeiten werden der Beschäftigungszeit lediglich gleichgestellt. Den Anrechnungsvorschriften in § 4 Abs. 4 Unterabs. 2 und 3 W 85 ist zu entnehmen, daß die gesamte Zeit eines ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses ohne weiteres nach § 4 Abs. 4 Unterabs. 1 W 85 als Beschäftigungszeit anzusehen ist.
- Die Unterabsätze 2 und 3 des § 4 Abs. 4 W 85 befassen sich mit Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern. § 4 Abs. 4 Unterabs. 3 Buchst. e W 85 regelt außerdem, wie die Beschäftigungszeit nach einer Wiedereinstellung zu berechnen ist. Bei einer Wiedereinstellung unterbleibt die Anrechnung, wenn das Beschäftigungsverhältnis aus einem Verschulden des Arbeitnehmers beendet worden war oder anläßlich des Ausscheidens die Versorgungsansprüche abgefunden wurden. Nach allgemeinem Sprachgebrauch liegt eine Wiedereinstellung vor, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erneut in die Dienste seines früheren Arbeitgebers tritt. Die Anrechnungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 4 Unterabs. 3 Buchst. e W 85 gehen ebenfalls von einer zwischenzeitlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus.
- Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 Unterabs. 3 Buchst. e W 85 fällt die Umwandlung eines befristeten Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes nicht unter diese Anrechnungsvorschrift. Dies ist folgerichtig, wenn entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses nicht als Einstellung anzusehen ist. Eine Anrechnung erübrigt sich für Fallgestaltungen, die bereits von § 4 Abs. 4 Unterabs. 1 W 85 erfaßt werden.
- Die Besitzstandsregelung des § 16 W 85, die nicht losgelöst von § 4 Abs. 4 W 85 betrachtet werden kann, enthält zwei Unterscheidungsmerkmale. Zum einen kommt es auf den Beginn der Beschäftigung an. Dies ist die “letzte Einstellung”. Zum anderen hängt der Abbau des Überschreitungsbetrages davon ab, wie viele Beschäftigungsjahre der Versorgungsberechtigte beim Eintritt des Versorgungsfalles erreicht hat. Sowohl bei § 4 Abs. 4 als auch bei § 16 W 85 ist die Beschäftigungszeit angesprochen. Deshalb ist davon auszugehen, daß die in beiden Vorschriften verwandten Begriffe inhaltlich übereinstimmen.
- Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht bei der Auslegung des Begriffs “letzte Einstellung” auch § 1 W 85 herangezogen. Die in dieser Vorschrift verwandte Formulierung “letzter Eintritt in die Dienste” der Beklagten hat keine andere Bedeutung als der Begriff “letzte Einstellung”. § 1 W 85 verlangt nicht, daß die Arbeitnehmer bei ihrer unbefristeten Einstellung noch nicht das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vielmehr enthält § 1 W 85 zwei getrennt zu prüfende Tatbestandsmerkmale. Zum einen müssen die Arbeitnehmer, um versorgungsberechtigt zu sein, in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen. Zum anderen müssen sie bei ihrem letzten Eintreten in die Dienste der Beklagten das 50. Lebensjahr vollendet haben. Auch beim Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages tritt der Arbeitnehmer in die Dienste der Beklagten. Wenn das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung fortgesetzt wird, bleibt er in den Diensten der Beklagten und wird damit nicht neu eingestellt. Er fällt allerdings nur dann unter den Geltungsbereich der Versorgungsvereinbarung, wenn beide Tatbestandsmerkmale des § 1 W 85 erfüllt sind. Dies bedeutet, daß ein bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres abgeschlossener befristeter Arbeitsvertrag nur dann Versorgungsansprüche des Arbeitnehmers auslöst, wenn sich an das befristete Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung ein unbefristetes anschließt. Entscheidend ist, ob die Altersgrenze bei Beginn der ununterbrochenen Beschäftigungszeit erfüllt ist. Dem Arbeitnehmer schadet es nicht, wenn er zunächst nur aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages beschäftigt wurde. Altersgrenze und Wartezeit sind damit, wie von § 1 W 85 angestrebt, aufeinander abgestimmt.
- Soweit die Tarifvertragsparteien auf den Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses abstellen wollten, haben sie dies zum Ausdruck gebracht. Dies zeigt § 1 der Versorgungsvereinbarung vom 13. März 1997. Nach dieser Vorschrift gilt die W 97 “für alle Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer des NDR, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen, deren unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem NDR vor dem 1. Januar 1993 begann und die bei ihrem letzten Eintreten in die Dienste des NDR das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten”. Danach wird zwischen dem Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses und dem letzten Eintreten in die Dienste der Beklagten unterschieden. Den Tarifvertragsparteien kann nicht unterstellt werden, daß sie in derselben Vorschrift für denselben Begriff unterschiedliche Formulierungen verwandten.
Der von der Beklagten geschlossene Manteltarifvertrag spricht ebenfalls nicht gegen, sondern für die Auslegung des Landesarbeitsgerichts. Nr. 231 MTV lautet wie folgt:
“Die Betriebszugehörigkeit beginnt mit dem Tag der letzten Einstellung bei der Anstalt. Zur Betriebszugehörigkeit rechnet auch die Zeit, die eine Arbeitnehmerin/ein Arbeitnehmer bei der Anstalt unmittelbar vor der unbefristeten Anstellung in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder Ausbildungsverhältnis verbracht hat. Zeiten früherer Betriebszugehörigkeit werden angerechnet, wenn Dauer und Grund der Unterbrechungen dies rechtfertigen. Bei Teilzeitbeschäftigten …”
Mit den in Nr. 231 Satz 1 MTV verwandten Begriff der letzten Einstellung wird der Beginn der Betriebszugehörigkeit festgelegt. Nr. 231 Satz 2 MTV enthält – im Gegensatz zu Nr. 231 Satz 3 MTV – keine Erweiterung der Betriebszugehörigkeit, sondern eine Klarstellung. Mit der in Nr. 231 Satz 2 MTV gebrauchten Formulierung “zur Betriebszugehörigkeit rechnet” haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, daß diese Zeiten eines dem unbefristeten Arbeitsverhältnis unmittelbar vorausgegangenen befristeten Arbeitsverhältnis ohne weiteres zur Betriebszugehörigkeit zählen. Damit wird verdeutlicht, daß sich der Begriff “letzte Einstellung” nicht auf den Abschluß des unbefristeten Arbeitsvertrages, sondern auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses bezieht und Änderungen des Arbeitsvertrages einschließlich der Umwandlung eines befristeten in einen unbefristeten für die Dauer der Betriebszugehörigkeit keine Rolle spielen. Die Tarifvertragsparteien haben durch Satz 2 sichergestellt, daß der Begriff Einstellung iSd. allgemeinen Sprachgebrauchs verstanden wird. Die Übernahme des allgemeinen Sprachgebrauchs lag nahe, weil es für die Dauer der Betriebszugehörigkeit üblicherweise nicht auf Art und Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses ankommt. Dagegen beenden rechtliche Unterbrechungen die Betriebszugehörigkeit. Bei einer Wiedereinstellung zählt häufig die frühere Betriebszugehörigkeit nicht mit (vgl. ua. § 1 Abs. 1 KSchG). Nr. 231 Satz 3 MTV berücksichtigt dies und spricht deshalb von einer “Anrechnung” früherer Beschäftigungszeiten, die von bestimmten Voraussetzungen abhängt.
- Mit dem Zweck der Besitzstandsregelung läßt sich die von der Beklagten vertretene einschränkende Auslegung des Begriffs “letzte Einstellung” nicht begründen, obwohl die Versorgungsansprüche ein unbefristetes Arbeitsverhältnis voraussetzen und insoweit erst mit Abschluß des unbefristeten Arbeitsvertrages eine gesicherte Rechtsposition entsteht. Es ist unerheblich, ob die Tarifvertragsparteien bei einer Besitzstandsregelung auf den Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses abstellen durften, ohne gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen. Denn es kommt nicht auf die mögliche, sondern auf die im Tarifvertrag zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung der Tarifvertragsparteien an. Der Normzweck ist dem Wortlaut und der Systematik des Tarifvertrages zu entnehmen. Hätten die Tarifvertragsparteien den Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses zugrunde legen wollen, so hätte es nahegelegen, entweder die Erteilung der Versorgungszusage oder die unbefristete Anstellung als maßgeblichen Zeitpunkt zu nennen. Die Tarifvertragsparteien haben statt dessen den weitergehenden Begriff der “letzten Einstellung” gewählt und damit auf den Beginn der Beschäftigungszeit abgestellt. In der Beschäftigungszeit schlägt sich die Betriebstreue der Arbeitnehmer nieder. Für den Umfang der Betriebstreue spielt es jedoch keine Rolle, ob die Arbeitnehmer in einem befristeten oder einem unbefristeten Arbeitsverhältnis tätig waren.
- Zudem entspricht es den gängigen betriebsrentenrechtlichen Wertvorstellungen, beim Schutz der Versorgungsrechte auf die bereits erbrachte Betriebstreue und damit auf die Dauer des ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses abzustellen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 BetrAVG hängt die gesetzliche Unverfallbarkeit von einer mindestens zwölfjährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit ab (vgl. BAG 9. März 1982 – 3 AZR 389/79 – AP BetrAVG § 1 Wartezeit Nr. 13, zu IIb der Gründe; 19. Oktober 1982 – 3 AZR 629/80 – BetrAV 1984, 73 f. = BB 1984, 537 f. = DB 1984, 1735 f., zu I 2 der Gründe; 26. September 1989 – 3 AZR 815/87 – BAGE 63, 47, 50; 17. Dezember 1991 – 3 AZR 89/91 – nv., zu 2a der Gründe). Wenn die Versorgungszusage erst nach Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrages erteilt wird, ändert dies nichts daran, daß ein unmittelbar vorausgegangenes befristetes Arbeitsverhältnis ohne weiteres zur Betriebszugehörigkeit zählt.
- Da bei einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis der Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrages keine neue Einstellung darstellt, sondern die Begründung der arbeitsrechtlichen Beziehung als “letzte Einstellung” anzusehen ist, kommt es nicht darauf an, ob die Befristung des Arbeitsvertrages wirksam war und ob sich die Klägerin auf die Unwirksamkeit der Befristung noch berufen kann.
Die vorsorglich eingelegte Revision der Beklagten gegen das Ergänzungsurteil des Landesarbeitsgerichts vom 27. August 1999 ist zulässig, aber unbegründet.
- Betrifft ein Ergänzungsurteil nur die Kostenentscheidung, so ist es aus praktischen Gründen ebenso wie ein Schlußurteil gegenüber einem Teilurteil zu behandeln (vgl. ua. BGH 4. April 1984 – VIII ZR 313/82 – NJW 1984, 2687, 2689; Hartmann in Baumbach/Lauterbach ZPO 58. Aufl. § 321 Rn. 10; Leipold in Stein/Jonas ZPO 21. Aufl. § 321 Rn. 21). Das führt dazu, daß die Revision gegen das zuerst erlassene, in der Hauptsache ergangene Urteil auch die im Ergänzungsurteil getroffene Kostenentscheidung zur Nachprüfung durch das Revisionsgericht bringt. Es hat gem. § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen unabhängig von einer Rüge über die Kosten der Vorinstanzen zu entscheiden (vgl. ua. Zöller/Vollkommer ZPO 21. Aufl. § 321 Rn. 8 mwN). Die Beklagte hat vorsorglich Revision eingelegt, weil der Bundesgerichtshof im Urteil vom 4. April 1984 (aaO) die selbständige Revision gegen ein sich nur mit der Kostenentscheidung befassendes Ergänzungsurteil für zulässig gehalten hat, wenn die Revision gegen das vorausgegangene, zur Hauptsache ergangene Urteil zulässig ist.
Die im Ergänzungsurteil vom 27. August 1999 getroffene Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden.
Da die Parteien in den Vorinstanzen teilweise unterlegen sind und teilweise obsiegt haben, sind die dort angefallenen Kosten nach § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen. Der Bruchteil ist nach dem Verhältnis zum Streitwert zu bestimmen. Der Streitwert für den Hilfsantrag bemißt sich gem. § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG nach dem dreijährigen Überschreitungsbetrag. Das mit dem Hauptantrag verfolgte zusätzliche wirtschaftliche Interesse der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht bei der Streitwertfestsetzung und Quotelung angemessen berücksichtigt.
- Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat die Beklagte die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Born
Der ehrenamtliche Richter Dr. Schiele ist ausgeschieden
Reinecke
Fundstellen