Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifauslegung. Befristung. Verwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 16 (2) der tariflichen Versorgungsvereinbarung des Norddeutschen Rundfunks in der Fassung vom 29. Juli 1985 ist dahingehend auszulegen, daß unter „letzter Einstellung im NDR” im Sinne dieser Bestimmung der Beginn der letzten ununterbrochenen Beschäftigungszeit des Beschäftigten beim NDR zu verstehen ist, so daß bei einem Beginn der Beschäftigung auf der Grundlage eines befristeten Vertrages und einer im unmittelbaren Anschluß hieran erfolgenden Weiterbeschäftigung auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrages der Zeitpunkt der letzten Einstellung in den NDR der Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses ist.

2. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer nach Eintritt in den Ruhestand noch geltend machen kann, daß die Befristung ein Arbeitsvertrages, auf dessen Grundlage er vor vielen Jahren vor seiner anschließenden nahtlosen Übernahme in das unbefristete Arbeitsverhältnis beschäftigt worden ist, unwirksam ist, wenn die Frage der Wirksamkeit der Befristung nach der Übernahme in das unbefristete Arbeitsverhältnis zunächst für seinen Versorgungsanspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach von Bedeutung gewesen ist und eine Bedeutung für die Höhe des Versorgungsanspruchs erst viele Jahre später aufgrund einer Tarifänderung erlangt hat.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB §§ 242, 620

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 16.07.1997; Aktenzeichen 16 Ca 53/97)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16. Juli 1997 – 16 Ca 53/97 – teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, daß bei der Anwendung der Versorgungsvereinbarung vom 29. Juli 1985 als Datum der letzten Einstellung i. S. von § 16 der Versorgungsvereinbarung der 1. Dezember 1971 zugrunde zu legen ist und demgemäß ein Abbau des Überschreitungsbetrages nicht stattfindet.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der der Klägerin zustehenden Betriebsrente.

Die Klägerin ist am 07. Dezember 1935 geboren. Sie war bei der beklagten Rundfunkanstalt ab 01. Dezember 1971 zunächst aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10. November / 21. Dezember 1971 beschäftigt, zu dessen Einzelheiten auf die Anlage K 1 (Bl. 8 ff. d.A.) verwiesen wird. Gemäß § 11 des Arbeitsvertrages war dieser bis zum 30. November 1974 befristet.

Entsprechend dem zweiten schriftlichen Arbeitsvertrag vom 12. September /13. Oktober 1974 (Anlage K 3, Bl. 13 ff d.A.) setzten die Parteien das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung mit Wirkung vom 01. Dezember 1974 als unbefristetes Arbeitsverhältnis fort. Dieser Arbeitsvertrag enthält u. a. folgende Regelungen:

§ 1

Der Arbeitnehmer ist im … seit dem 01. Dezember 1971 angestellt und wird ab 01. Oktober 1973 als Filmcutterin beschäftigt.

§ 7

Der … gewährt Versorgungsleistungen nach Maßgabe der jeweils gültigen tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarung. Die Versorgungsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer des … die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen und bei ihrem letzten Eintreten in die Dienste des … das 55. Lebensjahr – bei weiblichen Arbeitnehmern das 50. Lebensjahr – noch nicht vollendet haben.

§ 10

Dieser Vertrag tritt am 01. Dezember 1974 in Kraft.

§ 11

Besondere Vereinbarung:

Der Arbeitnehmer war in der Zeit vom 01. Dezember 1971 bis 30. November 1974 im befristeten Arbeitsverhältnis tätig.

Im übrigen gelten die Bestimmungen des jeweils vom … angewandten Tarifvertrages und die beim … geltenden Ordnungen und Richtlinien in ihrer jeweiligen Fassung.

Unter dem 01. Dezember 1975 erteilte der Beklagte der Klägerin nach Maßgabe der Regelung in A. (3) des von dem Beklagten mit der Rundfunk-Fernseh-Film-Union, der Deutschen Angestelltengewerkschaft und Deutschen Orchestervereinigung e.V. abgeschlossenen Tarifvertrages zur betrieblichen Altersversorgung vom 01. November 1973 eine Versorgungszusage. Für den Inhalt der Versorgungszusage wird auf die Anlage K4 zur Klage (Bl. 17 ff. d.A.) und für den Inhalt des Tarifvertrages und der hiernach tarifvertraglich vereinbarten Versorgungsvereinbarung auf die Anlage B1 (Bl. 39 ff. d.A.) Bezug genommen.

Im Jahre 1985 wurde die beim Beklagten geltende Versorgungsvereinbarung durch Tarifvertrag vom 29. Juli 1985 mit Wirkung vom 01. Januar 1985 abgeändert. Wegen des Wortlauts der geänderten Versorgungsvereinbarung (im folgenden abgekürzt: VV 1985) wird auf die Anlage B3 (Bl. 56 ff. d.A.) verwiesen.

In § 15 VV 1985 wurde eine Obergrenze für die Nettogesamtversorgung eingeführt. § 16 VV 1985 enthält eine Besitzstandsregelung, die u. a. folgenden Inhalt hat:

Für Berechtigte, die vor dem 01.01.1985 Versorgungsbezüge erhalten haben, und für Arbeitnehmer, deren ruhegeldfähige Dienstzeit gemäß § 4 vor dem 01.01.1984 begonnen hat, gilt § 15 mit folgender Maßgabe:

(1) Die Nettogesamtversorgung darf eine Obergrenze von 91,75/100 des jeweiligen Nettoverdiensteinkommens nicht überschreiten. Als Ausgl...

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