Leitsatz

Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung in einem Seniorenwohnstift sind zwangsläufig i.S.d. § 33 EStG. Sie sind nach Maßgabe der für Krankheitskosten geltenden Grundsätze als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, soweit sie nicht außerhalb des Rahmens des Üblichen liegen.

 

Normenkette

§ 33 Abs. 1, § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

Die 1929 geborene und pflegebedürftige K hatte einen Behinderungsgrad von 100 mit Merkzeichen G, aG, B und H, Pflegestufe III. K und ihr 2005 verstorbener Ehemann mieteten daher 2003 im Seniorenstift (X) ein Apartment (3 Zimmer, 74 qm Wohnfläche). Die Monatsmiete betrug 3.532 EUR, bestehend aus Wohnen (2.527 EUR), Verpflegung (400 EUR), Betreuung (605 EUR). Darin enthalten waren die Nutzung der Gemeinschaftseinrichtungen sowie eine allgemeine altengerechte Grundbetreuung über 24 Stunden am Tag. K schloss mit X noch einen Pflegevertrag. Danach waren gesondert in Rechnung gestellte Pflegesachleistungen nach dem SGB XI und häusliche Krankenpflege nach dem SGB V zu erbringen. K machte für 2004 und 2005 die Aufwendungen, die mit dem Aufenthalt im Seniorenwohnstift und ihrer Pflegebedürftigkeit in Zusammenhang standen, als außergewöhnliche Belastungen geltend (41.272 EUR in 2004; 49.235 EUR in 2005). Das FA erkannte vor Abzug der zumutbaren Belastung nur 13.747 EUR (2004) und 17.634 EUR (2005) an, indem es für Ks Unterbringung einen Tagessatz von 50 EUR berücksichtigte und eine Haushaltsersparnis in Höhe von 7.680 EUR abzog. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 21.2.2012, 10 K 2504/10 E, Haufe-Index 3038844, EFG 2012, 1347).

 

Entscheidung

Der BFH hob aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zur Prüfung der offenen Fragen zurück.

 

Hinweis

Krankheitsbedingte Unterbringungskosten in einer dafür vorgesehenen Einrichtung sind, so die hergebrachten Grundsätze für die Berücksichtigung von Krankheitskosten, grundsätzlich außergewöhnliche Belastungen (agB). Sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig i.S.d. § 33 EStG (vgl. BFH, Urteil vom 9.12.2010, VI R 14/09, BFH/NV 2011, 892, BFH/PR 2011, 222 m.w.N.). Keine agB sind dagegen die Aufwendungen eines nicht pflegebedürftigen Steuerpflichtigen, selbst wenn er mit seinem pflegebedürftigen Ehegatten in ein Wohnstift übersiedelt (dazu BFH/PR 2010, 327). Liegen solche Krankheitskosten vor, ist im Einzelfall die nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotene Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach entbehrlich, solange die Aufwendungen mit der Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen. Erfasst wird nicht nur das medizinisch Notwendige, sondern das medizinisch Indizierte.

Hier waren Ks Aufwendungen (Pflegekosten und Unterbringungskosten in Form des Pauschalentgelts für die Wohnung) angesichts ihrer krankheitsbedingten Unterbringung dem Grunde nach agB. Der Höhe nach sind diese abziehbar, soweit sie bei Unterbringung nur einer Person im Apartment angefallen wären. Die zu berücksichtigenden Aufwendungen sind um eine Haushaltsersparnis zu kürzen; der Pauschbetrag nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG ist nicht noch zusätzlich zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 24.2.2000, III R 80/97, BFH/NV 2000, 908). Nach diesen Grundsätzen wird das FG als Tatsacheninstanz nun im zweiten Rechtsgang prüfen müssen, ob die Pflegeversicherung (Pflegestufe III) einen Anteil an den geltend gemachten Heimunterbringungskosten übernommen hat; denn nur insoweit ist K tatsächlich belastet. Weiter ist zu prüfen und tatrichterlich zu würdigen, ob Ks Unterbringungskosten (etwa durch die Größe des Apartments) in einem offensichtlichen Missverhältnis zum medizinisch Indizierten stehen. Sollte dies so sein, sind die Aufwendungen auf die üblichen Kosten einer krankheitsbedingten Unterbringung zu kürzen. Schließlich wies der BFH noch auf die anhängige Revision (VI R 33/13) zum Ansatz der zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten hin. Insoweit kommt eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO in Betracht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.11.2013 – VI R 20/12

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