Rz. 16

Die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL betrifft nur die selbstständigen Zusammenschlüsse von Personen, deren Mitglieder eine in Art. 132 MwStSystRL genannte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben, und ist daher im Finanzdienstleistungsbereich nicht anwendbar. Die nationalen Behörden können sich nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL berufen, um selbstständigen Zusammenschlüssen von Versicherungsgesellschaften die im nationalen Recht vorgesehene Befreiung zu versagen. Eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem ist nicht zulässig.[1] Bei dem EuGH-Verfahren C-326/15 ging es um die Frage, ob ein selbstständiger Zusammenschluss von Personen i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL vorliegt, wenn dessen Mitglieder in verschiedenen Mitgliedstaaten der EU ansässig sind, in denen die Richtlinienvorschrift mit unterschiedlichen Voraussetzungen umgesetzt wurde, die nicht miteinander vereinbar sind. Die Klägerin war eine Bank, die wie Bankgesellschaften in anderen EU-Mitgliedstaaten (z. B. Polen, Litauen, Estland) zu einer Bankgruppe mit einer Muttergesellschaft in Dänemark gehörten. Die Muttergesellschaft, die selbst wiederum Tochtergesellschaft von 2 Banken in Norwegen und Deutschland war, erbrachte gegenüber der Klägerin Finanzdienstleistungen. Die Klägerin erhielt IT-Dienstleistungen von einem anderen Mitglied der Gruppe in einem anderen Mitgliedstaat, die sie im Reverse-Charge-Verfahren als steuerfreie Umsätze anmeldete. Die lettische Finanzbehörde war der Auffassung, dass die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen es nicht gestatteten, unzweifelhaft einen Zusammenschluss i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL zu identifizieren, dessen Mitglieder eine Zusammenarbeit untereinander vereinbart haben. Der EuGH hat entschieden, dass die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL nur die selbstständigen Zusammenschlüsse von Personen betrifft, deren Mitglieder eine in Art. 132 MwStSystRL genannte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben, und daher im Finanzdienstleistungsbereich nicht anwendbar ist. In Hinblick auf den Umstand, dass einige Mitgliedstaaten die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL auch auf Zusammenschlüsse von Versicherungsunternehmen oder im Finanzdienstleistungsbereich tätigen Unternehmen anwendeten, stellte der EuGH klar, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot es verbieten, dass die nationalen Steuerbehörden endgültig abgeschlossene Besteuerungszeiträume unter Verweis auf dieses Urteil wiedereröffnen. In Bezug auf nicht endgültig abgeschlossene Besteuerungszeiträume hatte der EuGH entschieden, dass sich die nationalen Behörden nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL berufen können, um selbstständigen Zusammenschlüssen von Versicherungsgesellschaften die im nationalen Recht vorgesehene Befreiung zu versagen. Eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem ist nach dem EuGH-Urteil nicht zulässig.

 

Rz. 17

In dem EuGH-Verfahren C-605/15[2] ging es eine Gesellschaft polnischen Rechts, die einem Personenzusammenschluss angehörte, der Versicherungs- und Rentenschutzdienstleistungen in der EU erbrachte. Der Zusammenschluss plante die Schaffung von Zentren für gemeinsame Dienstleistungen in bestimmten EU-Mitgliedstaaten in der Rechtsform einer EWIV. Die Zentren für gemeinsame Dienstleistungen sollten die zur Ausübung der Versicherungstätigkeit durch Mitglieder des Zusammenschlusses unmittelbar erforderlichen Dienstleistungen erbringen. Mitglieder der EWIV sollten ausschließlich Gesellschaften des Zusammenschlusses sein, die eine wirtschaftliche Tätigkeit im Versicherungswesen ausüben, darunter die Klägerin. Die Mitglieder der EWIV sollten umsatzsteuerfreie bzw. von der MwSt ausgenommene Tätigkeiten ausüben. Es bestand jedoch die Möglichkeit, dass einige Mitglieder des Personenzusammenschlusses als zusätzliche Tätigkeit oder Nebentätigkeit steuerpflichtige Umsätze bewirken. Es war auch geplant, dass einige Gesellschaften des Personenzusammenschlusses, die Mitglieder der EWIV waren, gleichzeitig einige gemeinsame Dienstleistungen an die EWIV erbringen mussten. Die EWIV-Dienstleistungen sollten ausschließlich für Gesellschaften des Personenzusammenschlusses erbracht werden, die in der EU ansässig sind. Die Tätigkeit der EWIV sollte subsidiären Charakter gegenüber der Tätigkeit ihrer Mitglieder haben. Die EWIV sollte keine Gewinne aus ihrer Tätigkeit erzielen. Der EuGH hatte wiederum entschieden, dass die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL aufgrund ihrer systematischen Stellung in der MwStSystRL nur die selbstständigen Zusammenschlüsse von Personen betrifft, deren Mitglieder eine in Art. 132 MwStSystRL genannte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben, und daher im Finanzdienstleistungsbereich nicht anwendbar ist. Er hatte zudem klargestellt, dass er im Urteil v. 20.11.2003[3] nicht über die Frage entschieden habe, ob die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL ger...

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