Rz. 27

Der Gerichtsbescheid hat grundsätzlich die Wirkung eines Urteils, § 90a Abs. 3 FGO. Er setzt die Beteiligten von der Auffassung des Gerichts über ihren Fall in Kenntnis. Allerdings gelten hinsichtlich der eröffneten Rechtsmittel Besonderheiten .[1] Wird rechtzeitig der Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, wozu jeder Beteiligte berechtigt ist, entfaltet der Gerichtsbescheid keine prozessuale Wirkung. Der Prozess wird dann fortgesetzt, als sei der Gerichtsbescheid nicht ergangen. Die Beteiligten haben wieder alle prozessualen Möglichkeiten, können also insbesondere beim FG Beweisanträge stellen, die Hauptsache für erledigt erklären, die Klage – allerdings nur noch mit Einwilligung des Beklagten[2] – zurücknehmen oder auch auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichten[3]. Auch das Gericht hat wieder die volle Herrschaft über das Verfahren, nur darf es nicht erneut einen Gerichtsbescheid erlassen[4]. Eine Ausnahme will der BFH allerdings zulassen, wenn sich zwischenzeitlich die Prozesslage wesentlich geändert hat[5].

 

Rz. 28

Nach einem Antrag auf mündliche Verhandlung verliert der Gerichtsbescheid nur seine prozessuale Wirkung als Urteil. Auch wenn es in § 90a Abs. 3 FGO heißt, er gelte dann als nicht ergangen, entfallen nicht sämtliche Rechtswirkungen des Gerichtsbescheids. Er behält insoweit Wirkung, als das Gericht in seinem Urteil nach mündlicher Verhandlung gemäß § 90a Abs. 4 FGO auf den Inhalt des Gerichtsbescheids Bezug nehmen kann, soweit es dessen Begründung folgt, sodass eine nochmalige Darstellung von Tatbestand und Entscheidungsgründen unterbleiben kann[6]. Ein Vorgehen nach § 90a Abs. 4 FGO setzt allerdings voraus, dass der Gerichtsbescheid selbst ausreichend begründet ist und dass nach Erlass des Gerichtsbescheids keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte eingeführt wurden. Dann muss jedenfalls auf diese neuen Gesichtspunkte im Urteil eingegangen werden[7]. Da die ursprünglichen Texte des Gerichtsbescheids i. d. R. abgespeichert sind, erscheint die Regelung des § 90a Abs. 4 FGO nicht unbedingt erforderlich[8].

[1] S. Rz. 10ff.
[6] BFH v. 31.1.2007, I B 158/06, BFH/NV 2007, 952; zu weiteren Wirkungen s. Sangmeister, BB 1993, 2140.
[7] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90a FGO Rz. 19.
[8] Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 90a FGO Rz. 80; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90a FGO Rz. 19.

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