Rz. 33

Außer den in § 82 FGO in Bezug genommenen Vorschriften der ZPO über den Zeugenbeweis enthalten § 85 FGO und § 87 FGO ergänzende Vorschriften über das Einsehen von Schriftstücken und Geschäftsbüchern durch Zeugen und über die Vorlage von Urkunden und Akten durch Behörden.

2.3.1 Vorbereitung der Zeugenvernehmung – §§ 373, 375 ZPO

 

Rz. 34

Nach § 373 ZPO erfordert der Beweisantritt durch Vernehmung von Zeugen die Bezeichnung der Tatsachen, über die die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll. Das Beweisthema und das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf einzelne konkrete Tatsachen müssen genau angegeben werden[1]. Die Tatsachen, die der Zeuge bekunden soll, müssen entscheidungserheblich sein und in substantiierter Form bezeichnet werden[2].

 

Rz. 35

Wegen des Untersuchungsgrundsatzes[3] handelt es sich um eine Sollvorschrift. Auch ohne entsprechende Angaben der Beteiligten hat das Gericht von sich aus Beweis durch Zeugenvernehmung zu erheben. Sind Zeugen von den Beteiligten benannt, müssen diese i. d. R. gehört werden. Es sollen auch der vollständige Name und die ladungsfähige Anschrift der Zeugen angegeben werden. Die ladungsfähige Anschrift braucht dann nicht angegeben zu werden, wenn der Zeuge individualisierbar ist. Ggf. kann das FG selbst verpflichtet sein, die ladungsfähige Anschrift zu ermitteln, da § 356 ZPO wegen des Untersuchungsgrundsatzes im finanzgerichtlichen Verfahren nicht anzuwenden ist[4].

 

Rz. 36

§ 375 ZPO regelt die Fälle, in denen eine Übertragung der Beweisaufnahme auf den verordneten Richter in Betracht kommt.

 

Rz. 37

Wegen des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme[5] soll gerade die Zeugenvernehmung, bei der es häufig wegen der Glaubwürdigkeit auf den persönlichen Eindruck der Vernehmenden ankommt, nur ausnahmsweise vor dem verordneten Richter erfolgen. § 375 Abs. 1 ZPO enthält keine abschließende Aufzählung, sondern nur Beispiele für die "geeigneten Fälle" i. S. v. § 81 Abs. 2 FGO[6]. § 375 Abs. 1a ZPO findet im Finanzgerichtsprozess keine Anwendung. Stattdessen gilt § 79 Abs. 3 FGO.

2.3.2 Aussagegenehmigung, Beamte, Minister – §§ 376, 382 ZPO

 

Rz. 38

§ 376 ZPO weist auf die besonderen Regeln für Zeugenaussagen von Richtern und Beamten hin.

 

Rz. 39

Wegen der Amtsverschwiegenheit und der Aussagegenehmigung für Richter und Beamte (Abs. 1) s. §§ 43, 45 Abs. 1 DRiG und §§ 67, 68 BBG für Bundesbeamte bzw. die entsprechenden Vorschriften für Landesbeamte. Die entsprechenden Vorschriften für Regierungsmitglieder (Abs. 2) finden sich in §§ 6, 7 BMinG bzw. dem entsprechenden Landesrecht; für Abgeordnete s. Art. 47 GG, § 44d Abgeordnetengesetz bzw. das entsprechende Landesrecht; vgl. auch § 49 Abgeordnetengesetz für Fraktionsangestellte.

 

Rz. 40

Während im Besteuerungsverfahren die Beamten auch ohne Aussagegenehmigung den Finanzbehörden Auskunft zu erteilen haben[1], dürfen sie im Finanzgerichtsprozess nur bei Vorliegen einer Aussagegenehmigung ihres Dienstherrn aussagen. Die Aussagegenehmigung, die das Gericht einzuholen hat[2], muss bei Vorliegen der beamtenrechtlichen Voraussetzungen erteilt werden. Die Erteilung (Verwaltungsakt) kann, wenn sie verweigert wird, nur von dem betroffenen Beteiligten des finanzgerichtlichen Verfahrens vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erstritten werden. Dem Beteiligten sind entsprechende Fristen einzuräumen[3]. Ggf. ist das Verfahren vor dem FG nach § 74 FGO auszusetzen.

 

Rz. 41

Minister und Abgeordnete sind regelmäßig nach § 382 ZPO nicht an Gerichts-, sondern an ihrer Amtsstelle zu vernehmen.

[3] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 82 FGO Rz. 34.

2.3.3 Zeugenladung – § 377 ZPO

 

Rz. 42

§ 377 ZPO regelt die Ladung der Zeugen zur Beweisaufnahme. Im Zivilrecht kann die Ladung von im Ausland ansässigen Zeugen mit einfachem Postbrief zulässig sein[1]. Im finanzgerichtlichen Verfahren ist jedoch nach st. Rspr. ein im Ausland ansässiger Zeuge von dem Beteiligten, der die Vernehmung des Zeugen beantragt, nach § 76 Abs. 1 S. 4 FGO i. V. m. § 90 Abs. 2 AO dem Gericht zu stellen[2].

 

Rz. 43

Da Ordnungsmittel gegen einen nichterschienenen Zeugen nur bei ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Ladung verhängt werden können[3], empfehlen sich die Zustellung[4] und die Beachtung des Mindestinhalts[5]. Bei Verstoß gegen § 377 Abs. 2 ZPO ist die Ladung nicht ordnungsgemäß.

 

Rz. 44

§ 377 Abs. 3 ZPO wird durch § 85 FGO ergänzt. Schriftliche Zeugenäußerungen dürfen wegen des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme[6] nur unter der Voraussetzung des § 377 Abs. 3 ZPO oder, wenn alle Beteiligten zustimmen und damit auf die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verzichten, als Beweis gewertet werden. Das Rügerecht geht nicht nur durch eine ausdrückliche oder k...

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