Rz. 23

Betretungsberechtigt sind nach § 99 Abs. 1 S. 1 AO nur die von der Finanzbehörde mit der Einnahme des Augenscheins betrauten Amtsträger und die nach §§ 96, 98 AO zugezogenen Sachverständigen. Dazu gehören auch die Mitglieder des Bewertungsbeirats. Es können aber auch andere Behörden im Weg der Amtshilfe[1] hierzu ersucht werden. Der Sachverständige darf das Objekt auch allein betreten. Die gleichzeitige Anwesenheit des zuständigen Amtsträgers ist zweckmäßig, aber nicht erforderlich (Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 99 AO Rz. 3). Bedienstete der Mittel- und Oberbehörden verfügen hingegen über kein Betretungsrecht. Diese dürfen nur mit Zustimmung des Betroffenen ein Grundstück betreten (Wünsch, in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 99 AO Rz. 4; Rätke, in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 99 AO Rz. 2). Die den Augenschein einnehmenden Personen müssen sich zur Vermeidung von Missbräuchen vor dem Betreten legitimieren (Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 99 AO Rz. 2; Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 99 AO Rz. 10; Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 99 AO Rz. 6).

 

Rz. 24

Die Anordnung der Duldung der Augenscheinseinnahme und des Betretens stellen Verwaltungsakte[2] dar, für die §§ 119ff. AO gelten. Die vorherige Benachrichtigung des Betroffenen[3] wird im Regelfall mit dieser Anordnung verbunden. Zum notwendigen Inhalt des Duldungsbescheids gehört die Angabe, in welchem Besteuerungsinteresse und in welcher Steuersache das Betreten des Objekts notwendig ist (Besichtigungszweck), wie weit der Betroffene das Betreten dulden muss sowie über welchen Gegenstand Feststellungen getroffen und ggf. welche im Besteuerungsinteresse erforderlichen Folgerungen aus der beabsichtigten Feststellung mittelbarer Tatsachen (Indizien) gezogen werden sollen[4].

 

Rz. 25

Die Finanzbehörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob sie zur Ermittlung eines Sachverhalts den Augenschein einnehmen will[5]. Das Betreten eines der in § 99 Abs. 1 S. 1 AO genannten Objekte kommt wegen der hohen Belastung für den Duldungsverpflichteten und der Einschränkung der durch Art. 13 GG geschützten Unverletzlichkeit der Wohnung nur in Betracht, wenn tatsächlich keine anderen Beweismittel zur Verfügung stehen. Außerdem sind die für staatliche Eingriffsakte allgemein geltenden Schranken (Geeignetheit, Möglichkeit, Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit, Zumutbarkeit; vgl. § 92 AO Rz. 19ff.) zu beachten.

 

Rz. 26

Über das Betreten des Grundstücks und die in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen ist ein Protokoll zu fertigen und zu den Akten zu nehmen (vgl. § 98 AO Rz. 9). Lässt der Betroffene ein Betreten nicht zu, sollte dies in das Protokoll aufgenommen werden.

 

Rz. 27

Die zulässige Anordnung, das Betreten eines Grundstücks oder eines anderen Objekts zu dulden, ist grundsätzlich nach §§ 328ff. AO mit Zwangsmitteln durchsetzbar[6]. Die Finanzbehörden werden von dieser Möglichkeit jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen Gebrauch machen und etwaige Verweigerungen seitens des Stpfl. im Rahmen der freien Beweiswürdigung berücksichtigen (vgl. Rz. 9).

[4] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 99 AO Rz. 28; Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 99 AO Rz. 17.
[6] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 99 AO Rz. 38; Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 99 AO Rz. 10.

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