Rz. 10

Nicht geeignet zur Erledigung im Strafbefehlswege sind solche Fälle, die bereits im Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abzugeben gewesen wären. Bereits bei Beginn der Ermittlungen und im weiteren Verlauf hat die Finanzbehörde zu prüfen, ob das Verfahren gem. § 386 AO an die Staatsanwaltschaft abzugeben ist. Dabei orientiert sich die Finanzbehörde neben den ausdrücklich in § 386 Abs. 3 AO geregelten Umständen an den einzelnen, nicht abschließend aufgelisteten Abgabegründen aus Nr. 22 AStBV (2012). Zunehmend in den Fokus geraten ist die tatsächliche Umsetzung von § 386 Abs. 4 S. 2 AO durch die Finanzbehörde. Danach kann die Staatsanwaltschaft die Sache jederzeit an sich ziehen (Evokation). Um diese Entscheidung treffen zu können, muss sie zuvor darüber informiert werden, dass ein Fall für eine Abgabe in Betracht kommt. Es liegt also an der Finanzbehörde, die Staatsanwaltschaft frühzeitig zu informieren.[1] Die Finanzbehörde trifft dafür i. d. R. mit der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft Absprachen, welche Fälle generell für eine Abgabe in Betracht kommen. Die Staatsanwaltschaft kann dann im Einzelfall über eine mögliche Evokation entscheiden. Eine Abgabe kommt neben den in Nr. 22 AStBV (St) 2023 genannten Fällen insbesondere in Betracht, wenn

  • die Steuerverkürzung insgesamt einen Betrag von 100.000 EUR übersteigt,
  • ein besonders schwerer Fall der Steuerverkürzung[2] vorliegt,
  • der Fall tatsächlich oder rechtlich besonders schwierig ist,
  • sich die Ermittlungen gegen Personen des öffentlichen Lebens richten,
  • sich die Ermittlungen gegen Bedienstete der Finanzverwaltung richten – in diesem Fall ist eine Abgabe schon deshalb geboten, um den Anschein der Bevorzugung ­einer Personengruppe von vornherein zu vermeiden.

Entscheidet sich die Staatsanwaltschaft zur Evokation, so ist der Fall nicht mehr zur Erledigung im Strafbefehlsverfahren nach § 400 AO geeignet. Ein Anspruch des Beschuldigten auf Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft besteht zwar nicht. Verstößt die Finanzbehörde gegen diese Verpflichtung, so kommt eine entsprechende Berücksichtigung bei der Strafzumessung in Betracht (s. im Einzelnen Kommentierung zu § 386 AO).

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