Rz. 384

Der Selbstanzeige kommt keine strafbefreiende Wirkung zu, wenn sie "verunglückt" ist, weil sie z. B. nicht vollständig ist, ein Ausschlussgrund nach Abs. 2 eingreift oder die Nachzahlung nach Abs. 3 nicht fristgerecht erfolgt. Es ist jedoch allgemeine Meinung, dass einer solchen unwirksamen Selbstanzeige im Rahmen der Strafzumessung erhebliche Bedeutung zukommt.[1] Sie wirkt i. d. R. strafmildernd, wobei bisher ungeklärt ist, in welchem Umfang sie zu einer Strafmilderung führt. Der Ausgangspunkt für die Findung des Strafmaßes ist auch insoweit § 46 Abs. 1 S. 1 StGB, wonach das Strafmaß an der Schuld des Täters zu orientieren ist. Folglich kommen insoweit den Umständen des Einzelfalls, der Schwere der Tat, der Person des Täters und dem Umfang der Selbstanzeige maßgebliche Bedeutung zu. Darüber hinaus ist die doppelte Rechtfertigung der Selbstanzeige zu berücksichtigen (Rz. 8ff.):

Einerseits sollen aus fiskalischen Gründen bisher unbekannte Steuerquellen erschlossen werden und andererseits soll dem Steuerhinterzieher ein Anreiz gegeben werden, vollständig zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Auf dieser Basis ergeben sich Grundlinien der Behandlung unwirksamer Selbstanzeigen, wonach die Strafmilderung im Falle einer unwirksamen Selbstanzeige umso großzügiger ausfallen muss, je knapper die Selbstanzeige gescheitert ist. Dies gilt im Hinblick auf unvollständige oder gem. § 371 Abs. 2 AO unwirksame Selbstanzeigen insb., wenn die hinterzogene Steuer nachgezahlt wurde.[2]

 

Rz. 385

Im Fall einer dolosen Teilselbstanzeige, einer vorsätzlich herbeigeführten Abweichung der Selbstanzeige von max. 5 % (Rz. 116f.) oder einer Selbstanzeige, die in großem Umfang fiktive / unrichtige Angaben enthält kommt es dementsprechend zu keinerlei oder im Hinblick auf die Schadenswiedergutmachung durch Nachzahlung allenfalls geringen Strafmilderung, da eine solche Selbstanzeige Ausdruck der rechtsfeindlichen Gesinnung des Täters und eben nicht der Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ist.

 

Rz. 386

Zu einer bedeutenden Strafmilderung dürfte es hingegen kommen, wenn ein Ausschlussgrund zwar eingreift, dies jedoch für den steuerpflichtigen Täter im Zeitpunkt der Selbstanzeige nicht vorherseh- und erkennbar war. Dasselbe gilt für eine dolose Teilselbstanzeige, die der Täter durch nachfolgende Selbstanzeige richtig stellt, da der Täter in diesem Fall seinen (verspäteten) Willen zur Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zeigt. Zu einer bedeutenden Strafmilderung kann es ferner bei einer undolosen Teilselbstanzeige kommen, die zwar aufgrund einer Abweichung von mehr als 5 % unwirksam ist (Rz. 116), deren Abweichung aber nur geringfügig über 5 % liegt. Je größer die Abweichung, desto geringer auch die Strafmilderung.

Darüber hinaus kann eine bedeutende Strafmilderung angezeigt sein, wenn der Täter mit der Finanzverwaltung bzw. den Strafverfolgungsbehörden vorbehaltlos kooperiert und dadurch einen größeren Hinterziehungsumfang offenbart, als dies im normalen Lauf der Ermittlungen sonst offenbar geworden wäre.[3]

Auch im Fall einer zwar verspäteten, aber vollständigen Nachzahlung kann es zu einer bedeutenden Strafmilderung kommen, wenn die Verspätung nur geringfügig ist. Je länger die Verspätung ist, desto geringer fällt auch die Strafmilderung aus.

 

Rz. 387

Unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten kann es ausgehend von dieser Basis u. U. in entsprechenden Einzelfällen sogar zu einer Einstellung des Verfahrens nach §§ 398 AO, 153 ff. StPO kommen, sofern eine vollständige Nachzahlung erfolgte.[4] Dies gilt insb. in Fällen, in denen bei einer steuerzeitraumübergreifenden Betrachtung kein Schaden entstanden ist, da die Selbstanzeige "nur" unwirksam ist, weil der Stpfl. versehentlich die Erträge den falschen Veranlagungszeiträumen zugeordnet hat. Dasselbe kann gelten, wenn die Nachzahlung zwar verspätet erfolgt, der Grund dafür jedoch nicht in der Sphäre des Stpfl. liegt (z. B. wegen eines Versehens der Bank oder seines Steuerberaters).

 

Rz. 388

Hat der Stpfl. die nachzuzahlenden hinterzogenen Steuern bereits überwiegend entrichtet und hat diese Zahlung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert, so kommt auch eine Strafmilderung nach § 46a Nr. 2 StGB infrage. Ein vollständiges Absehen von Strafe nach dieser Vorschrift kommt jedoch selbst dann nicht infrage, wenn die hinterzogenen Steuern bereits nahezu vollständig nachgezahlt wurden.[5] Dies folgt daraus, dass der Gesetzgeber bei der Änderung des § 371 AO in Abs. 3 das Wort "soweit" aus der alten Fassung durch das Wort "wenn" ersetzte und somit deutlich machte, dass eine Straffreiheit ohne vollständige Zahlung nicht infrage kommt.

Eine Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB ist hingegen nach der zutreffenden Rechtsprechung des BGH[6] bei Taten nach § 370 AO ausgeschlossen.

[1] Statt aller OLG Köln v. 7.6.1957, Ss 40/57, ZfZ 1958, 87; LG München II v. 13.3.2014, W 5 KLs 68 Js 3284/13, Rz. 338 (juris), wistra 2015, 77; AG Saarbrücken v. 2.12.1982, 35-55/82, wistra 1983, 84; Kemper, in R...

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