Rz. 14

Die Beteiligten oder die für sie nach §§ 34, 35 AO Auskunftspflichtigen haben grundsätzlich kein Recht, die Mitwirkung und Auskunft zu verweigern.[1] Sie können sich nicht auf Berufs- oder Geschäftsgeheimnisse bzw. auf vertragliche Absprachen mit Dritten (s. Rz. 5) berufen.[2] Selbst gesetzeswidrige Handlungen sind zu offenbaren.[3] Dies folgt aus der in § 90 AO normierten allgemeinen Mitwirkungspflicht. Unterlässt der Beteiligte diese Mitwirkung, so hat er alle daraus resultierenden Nachteile zu tragen. Die Behörde kann Zwangsmittel anwenden[4] und die Verweigerung der gebotenen Mitwirkung auch im Rahmen der Beweiswürdigung[5] berücksichtigen. Diese weitergehende Mitwirkungspflicht ist dem Beteiligten grundsätzlich auch zumutbar, da er durch die der Behörde obliegende Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses[6] geschützt wird.[7]

 

Rz. 15

Der Grundsatz der uneingeschränkten Auskunftspflicht des Beteiligten erfährt Ausnahmen:

  • Zum einen ist im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG die Auskunftserteilung hinsichtlich der Intimsphäre (d. h. die innerste Sphäre ohne Sozialbezug) nicht zumutbar.[8] Nicht dazu gehören aber "private Einkünfte"; sie sind Teil des sozialen Sphäre.[9]
  • Zum anderen gilt das berufliche Auskunftsverweigerungsrecht nach § 102 AO auch in der eigenen Steuersache[10] und nach § 106 AO bei Beeinträchtigung des öffentlichen Wohls.
 

Rz. 16

Nicht ganz zweifelsfrei ist, ob im Besteuerungsverfahren uneingeschränkt eine Verpflichtung zur Selbstbezichtigung gilt, also verlangt werden kann, dass sich der Beteiligte selbst oder einen seiner Angehörigen wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit belastet. Der strafprozessuale Grundsatz[11], dass niemand sich selbst eines schuldhaften Fehlverhaltens bezichtigen muss[12], ist jedoch, wie § 103 AO zeigt, nicht in das Besteuerungsverfahren für den Beteiligten übernommen worden. Andernfalls könnten "sich für die Beweiserhebung und -würdigung unannehmbare Folgen ergäben".[13] Das BVerfG hält diese erweiterte Mitwirkungspflicht im Besteuerungsverfahren und die damit verbundene Einschränkung des Art. 2 Abs. 1 GG dem Grunde nach für verfassungsgemäß.[14]

[1] Vgl. AEAO, zu § 101 Nr. 1; Koenig/Wünsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 101 Rz. 9.
[2] Zum Mitwirkungsverweigerungsrecht von Ehegatten im Fall der Zusammenveranlagung vgl. Pahlke, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 101 AO Rz. 13.
[3] S. § 40 AO; s. aber Rz. 15; ebenso Reiß, NJW 1977, 1436; Brenner, BB 1978, 910; Orlopp, BB 1978, 1253.
[4] Volquardsen, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 90 AO Rz. 24; Horn, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 328 AO Rz. 12.
[8] Brenner, BB 1978, 910.
[9] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vorbem. § 101–106 AO Rz. 1.
[12] "nemo tenetur se ipsum accusare" – niemand darf gezwungen werden, sich selbst zu belasten.
[13] Vgl. BT-Drs. VI/1982, 137 zu § 117 AO.

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