Rz. 17

Die Haftung besteht für die zur Zeit der Pflichtverletzung bereits entstandenen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis[1] einschließlich der steuerlichen Nebenleistungen sowie die durch die Pflichtverletzung entstandenen Säumniszuschläge.[2] Genau zu prüfen ist stets, wie weit die Pflichtverletzung ursächlich war für die unterbliebene oder verspätete Festsetzung bzw. Entrichtung (vgl. Rz. 11). Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehören außer dem Steueranspruch und dem Haftungsanspruch (also Haftung für Haftungsschulden) die steuerlichen Nebenleistungen sowie die Rückforderungsansprüche (= Erstattungsansprüche) für geleistete Erstattungen oder Vergütungen (vgl. zu diesen Rz. 10a).

Es ist für den Haftungsumfang nicht danach zu unterscheiden, ob es sich um einen Fall der nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis oder um einen Fall der Nichtentrichtung oder nicht rechtzeitigen Entrichtung handelt.[3] In beiden Fällen bezieht sich die Haftung nicht auf den gesamten Ausfallbetrag, sondern greift nur in Höhe der Mittel ein, die zur Tilgung zur Verfügung gestanden haben. Das kann allerdings für die LSt und die anderen Steuerabzugsbeträge wegen ihres besonderen Charakters nicht gelten. Aufgrund der Einbehaltungs- und Abführungspflichten ist für sie stets in vollem Umfang zu haften.[4]

Da diese Ansprüche aus der rechtsgrundlosen Gewährung von Steuererstattungen und Steuervergütungen in § 109 Abs. 1 RAO ausdrücklich genannt waren, sind Zweifel daran entstanden, ob § 69 S. 1 AO sie mit umfasst. Die grob schuldhafte pflichtwidrige Nichtrückzahlung von Erstattungen oder Vergütungen, die zwar ohne rechtlichen Grund, aber auch ohne pflichtwidriges Verhalten der verpflichteten Person geschehen ist, fällt ohne jeden Zweifel unter den Wortlaut der Vorschrift.[5] Zweifelhaft konnte daher allenfalls sein, ob diejenigen Rückforderungsansprüche in den Haftungsbereich der Vorschrift fallen, die auf Grund des pflichtwidrigen Verhaltens der verpflichteten Person selbst entstanden oder von der Finanzbehörde nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht worden sind. Hier fehlte es an einer dem S. 2 für die Säumniszuschläge entsprechenden Vorschrift. Zur Klarstellung ist S. 1 der Vorschrift durch Gesetzesänderung ergänzt worden (vgl. Rz. 10a).

Unter S. 1 der Vorschrift fallen als steuerliche Nebenleistungen auch die von dem Vertretenen verwirkten Säumniszuschläge sowie die gegen diesen festgesetzten Verspätungszuschläge, nicht dagegen später festgesetzte Verspätungszuschläge sowie später entstandene Kosten und Zinsen.[6] Zusätzlich lässt S. 2 der Vorschrift den Verpflichteten auch für diejenigen Säumniszuschläge haften, die er selbst durch nicht rechtzeitige Zahlung zum Entstehen gebracht hat.[7] Hierunter fallen allerdings nicht solche Säumniszuschläge, die ab dem Zeitpunkt der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners (z. B. Eröffnung des Insolvenzverfahrens) verwirkt worden sind.[8]

 

Rz. 17a

Für die Einhaltung und Abführung der LSt hat der Geschäftsführer vorrangig zu sorgen.[9] Der Geschäftsführer haftet auch für die eigene LSt, die die von ihm vertretene GmbH für ihn als Arbeitnehmer einzubehalten und abzuführen hat.[10] Zwar ist er an sich selbst Steuerschuldner und die Haftung bedeutet im Steuerrecht das Einstehenmüssen für fremde Schuld. Das Bestehen einer Steuerschuld bei einer Person schließt dabei grundsätzlich ihre Haftung für dieselbe Schuld aus. In diesem Fall jedoch haftet der Geschäftsführer nicht unmittelbar für seine Steuerschuld, sondern für die Haftungsschuld der GmbH. Dies ist vom Gesetz nicht ausgeschlossen, eine entsprechende Regelung wie in § 70 Abs. 1 AO fehlt hier. Insbesondere wenn der Steuerschuldner wegen der Beschränkungen des § 42d Abs. 3 S. 4 EStG nicht unmittelbar in Anspruch genommen werden kann, zeigt sich deutlich, dass die Haftung auch im Ergebnis angebracht ist. Der gesetzgeberische Grund der Beschränkung liegt nämlich im Vorrang der Inanspruchnahme des Arbeitgebers, für den hier der Geschäftsführer einzustehen hat. Der Arbeitgeber ist allein anmeldungs-, einbehaltungs- und abführungspflichtig sowie eventuell Schuldner von Verspätungszuschlägen und Säumniszuschlägen. Für diese haftet wiederum der Geschäftsführer des Arbeitgebers als Person i. S. d. § 34 AO. Dieser wird dabei nicht als Arbeitnehmer, sondern als gesetzlicher Vertreter in Haftung genommen.[11] Bei LSt-Nachzahlungen in einer Vielzahl von Fällen, in denen Aufzeichnungen beim Arbeitgeber nicht vorhanden sind, soll nach der Rspr. des BFH die Höhe der Haftungsschuld sogar dann mit dem (niedrigeren) Bruttosteuersatz und nicht mit dem (höheren) Nettosteuersatz zu berechnen sein, wenn ein Rückgriff des Arbeitgebers auf seine Arbeitnehmer ausgeschlossen erscheint.[12]

 

Rz. 18

Ein Mitverschulden der Finanzbehörde kann sich unmittelbar auf die Höhe der Haftungsschuld auswirken. Es ist also nicht nur bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen[13], sondern kann bereits die Z...

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