Rz. 132

Die Finanzbehörden dürfen vorsätzlich falsche Angaben der betroffenen Person den Strafverfolgungsbehörden offenbaren. Von der Regelung einer gesonderten Verwertungsberechtigung hat der Gesetzgeber – dem Sinn der Vorschrift entsprechend – abgesehen.

Die Änderung des Begriffs des "Betroffenen" in "betroffene Person" durch das 2. DSAnpUG-EU vom 20.11.2019[1] enthielt keinen materiellen Änderungsgehalt. Vielmehr wurde ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich eine Anpassung an die Begrifflichkeit der DSGVO vorgenommen.[2]

Offenbarungsbefugnis nach Abs. 5 besteht auch zum Zweck der Verfolgung nicht steuerlicher Straftaten, wenn z. B. das FA mittels falscher Angaben als gutgläubiges Werkzeug für einen Betrug eingesetzt wird, oder wenn ein Denunziant beim FA eine falsche Anschuldigung erhebt. Die Befugnis zur Offenbarung beschränkt sich auf das Verhältnis zu den Strafverfolgungsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaft, Strafgericht); der Gesetzgeber hat keine allgemeine Befugnis zur Richtigstellung von Falschangaben erteilt (s. aber Rz. 121 bis 123). Folglich ist ein Offenbaren an die dafür zuständige Verwaltungsbehörde[3] zur Durchführung eines nichtsteuerlichen Bußgeldverfahrens ebenso wenig zulässig wie gegenüber dem mit der betroffenen Person nicht identischen Stpfl. oder anderen Dritten.

 

Rz. 132a

Eine Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 5 AO besteht nur, wenn die den Straftatbestand verwirklichenden falschen Angaben vorsätzlich gemacht wurden, sodass die Finanzbehörde den Vorsatz vor einer Offenbarung selbst zu prüfen hat.[4] Hier können sich auch und gerade dann schwierige Abgrenzungsfragen ergeben, wenn bei einer Straftat der Vorsatz fraglich ist, aber auch die fahrlässige Tat als Straftat oder Ordnungswidrigkeit sanktioniert ist. Dies ist etwa in den Fällen einer unrichtig oder unvollständig abgegebenen Vermögensauskunft der Fall.

Bei der Vermögensauskunft hat der Vollstreckungsschuldner an Eides statt zu versichern, dass er die nach § 284 Abs. 1 und 2 AO geforderten und gemachten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht hat.[5] Sind die Angaben entgegen seiner Versicherung an Eides statt unzutreffend, kann eine vorsätzlich falsche Vermögensauskunft vorliegen[6], die eine Offenbarung der geschützten Daten an die Strafverfolgungsbehörden nach § 30 Abs. 5 AO tragen kann.[7] Kritisch ist es aber, wenn nicht klar ist, ob der Vollstreckungsschuldner vorsätzlich gehandelt hat. Hat er nur fahrlässig gehandelt[8], ist § 30 Abs. 5 AO nicht einschlägig und mangels zwingenden öffentlichen Interesses an der Verfolgung des Fahrlässigkeitsdelikts eine Offenbarungsbefugnis auch nicht aus § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO herleitbar.

In Betracht kommt hier aber eine Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO. Zwar dienen strafrechtliche Normen zunächst einmal dazu, begangenes Unrecht zu sanktionieren und nicht dazu, den Täter jenseits der grundsätzlichen general- und spezialpräventiven Wirkung der Strafdrohung zu rechtmäßigem Verhalten im laufenden Besteuerungsverfahren anzuhalten. Hier könnte aber ein Bezug zum konkreten Steuerverfahren dadurch gegeben sein, dass der Täter angehalten wird, seine fehlerhafte Vermögensauskunft zu korrigieren, was dann dem konkreten Vollstreckungsverfahren und damit dem Besteuerungsverfahren dient. Die Motivation zur Korrektur der Angaben im konkreten Vollstreckungsverfahren könnte sich hier aus § 161 Abs. 2 S. 1 StGB ergeben, der die Straffreiheit bei tätiger Reue, also bei rechtzeitiger Berichtigung der falschen oder unvollständigen Angaben vorsieht. Dies ist aber im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft m. E. nicht mehr möglich[9], womit die Weitergabe der Informationen an die Staatsanwaltschaft den Vollstreckungsschuldner nicht zur Ehrlichkeit im Vollstreckungsverfahren anhalten kann.[10] Selbst wenn man dies anders sehen wollte, würde eine Mitteilung von Erkenntnissen des FA über Indizien für das Vorliegen einer fahrlässig falschen Vermögensauskunft nach § 30 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a 1. Alt. AO darüber hinaus voraussetzen, dass dem FA nicht bereits alle zu berichtigenden oder zu ergänzenden Informationen vorliegen oder auf weniger einschneidende Weise beschafft werden können und aus der zu berichtigenden Vermögensauskunft tatsächlich noch Erkenntnisse zu einem effektiveren Vollstreckungsverfahren zu erwarten sind.

Da die leichtfertig unrichtige Vermögensauskunft aber auch die Voraussetzungen einer leichtfertigen Steuerhinterziehung nach § 378 AO erfüllt[11], ergibt sich insoweit eine Offenbarungsberechtigung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden aus § 30 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b 2. Alt AO. Soweit eine andere Straftat mit einer Steuerstraftat oder einer steuerlichen Ordnungswidrigkeit in Tateinheit[12] steht, erstreckt sich die Offenbarungsbefugnis folgerichtig auch auf die diese Straftat betreffenden gleichgerichteten Daten (Rz. 110). Das ist unabhängig vom Gewicht des steuerstrafrechtlichen Vorwurfs einerseits und des außersteuerli...

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