Rz. 59

Bei Kindergeld handelt es sich um eine Steuervergütung.[1] Der Kindergeldbescheid ist daher nach § 155 Abs. 4 AO wie ein Steuerbescheid zu behandeln. Das bedeutet, dass er nur nach § 172 AO geändert werden kann, also wenn entweder ein Tatbestand des § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ac AO vorliegt, oder wenn die Änderung des Bescheids in einer anderen Vorschrift vorgesehen ist.[2] Zu diesen anderen Vorschriften gehören § 173 AO und § 70 Abs. 3 EStG[3] sowie § 164 Abs. 2, § 165 Abs. 2 S. 1 AO.[4] Hierzu Tiedchen, DStZ 2000, 237; Felix, FR 2001, 674.

Kindergeld wird nach § 70 Abs. 1 EStG durch Bescheid festgesetzt, der Dauerwirkung für die Zeit der Kindergeldberechtigung entfaltet. Diese Bindungswirkung entfalten aber nur positive Kindergeldfestsetzungen. Die Festsetzung eines Kindergelds von 0 EUR oder die Ablehnung einer Kindergeldfestsetzung entfalten zwar Wirkung für die Vergangenheit, aber für die Zukunft keine Dauerwirkung. Es kann daher ohne Änderung des negativen Kindergeldbescheids Kindergeld ab dem auf die Bekanntgabe des negativen Kindergeldbescheids folgenden Monat festgesetzt werden.[5]

Nach § 70 Abs. 2 EStG ist dieser Festsetzungsbescheid zu ändern, soweit Änderungen in den maßgeblichen rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen eintreten. Es handelt sich der Sache nach um eine Fortschreibung mit Wirkung ab dem Zeitpunkt, zu dem die Änderung der Verhältnisse eingetreten ist.[6] Dies gilt auch, wenn die Behörde wusste, dass die Verhältnisse sich geändert hatten; auf ein Verschulden kommt es nicht an.[7] Es handelt sich nicht um eine Vorschrift zur Fehlerkorrektur und daher im strengen Sinn nicht um eine Durchbrechung der Bestandskraft. Die Vorschrift ist nicht anwendbar, wenn die Kindergeldfestsetzung von Anfang an fehlerhaft gewesen ist, sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse also nicht geändert haben.[8]

Nach § 70 Abs. 3 EStG können materielle Fehler der Kindergeldfestsetzung durch Neufestsetzung oder Aufhebung der Festsetzung beseitigt werden. Diese Vorschrift ist neben § 173 AO anzuwenden; sie verdrängt § 173 AO nicht.[9] Im Fall des Auftretens neuer Tatsachen kollidiert § 70 Abs. 3 EStG mit § 173 AO, der Vorrang vor § 70 Abs. 3 EStG hat, da er eine Änderung zurück bis zur Fehlerquelle ermöglicht.

Liegen die Voraussetzungen des § 173 AO nicht vor (Kennen oder Kennenmüssen der Behörde, Rechtsfehler), lässt § 70 Abs. 3 EStG eine Korrektur des Dauerbescheids nur mit Wirkung für die Zukunft zu. Korrigiert werden können jedoch alle Sach- und Rechtsfehler. Die Vorschrift ähnelt den übrigen Bestimmungen über die Anpassung von Dauerbescheiden; vgl. daher Rz. 75. Die Korrektur wirkt nur für die Zukunft, nämlich mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Korrektur folgenden Monat.[10] Dabei ist § 176 AO anzuwenden; es können ab Verkündung der maßgeblichen Entscheidung negative Folgen für den Kindergeldberechtigten gezogen werden. Die ungünstige Entscheidung kann also nur für Monate, die nach der Verkündung der Entscheidung beginnen, angewandt werden (vgl. die gleichgelagerte Regelung in Rz. 72).

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