Rz. 39

Die Rechtsfolge des § 169 Abs. 2 S. 2 AO tritt auch ein, wenn die Steuerhinterziehung oder die leichtfertige Steuerverkürzung von einer dritten Person begangen worden ist, deren sich der Stpfl. nicht zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient. Verschulden oder Leichtfertigkeit des Stpfl. ist dann nicht erforderlich, es genügt Verschulden oder Leichtfertigkeit der handelnden Person. Auch eine Verantwortlichkeit des Stpfl. für den Handelnden ist nicht erforderlich.[1] Daher tritt eine Verlängerung der Festsetzungsfrist auch für den nicht tatbeteiligten Gesamtschuldner ein.[2] Dem Stpfl. steht jedoch in diesen Fällen, in denen die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht von einer zu seinem Verantwortungsbereich gehörenden Person begangen wurde, die Exkulpationsmöglichkeit nach § 169 Abs. 2 S. 3 Halbs. 2 AO offen.

 

Rz. 40

Dritte Person, und damit Täter der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung, kann auch der für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzbeamte sein, wenn dieser im eigenen Interesse oder im Interesse des Stpfl. die Steuern zu niedrig festsetzt.[3]

 

Rz. 41

Allerdings kann sich der Stpfl. in diesen Fällen die Vorteile der kurzen Festsetzungsfrist sichern, wenn er von der Exkulpationsmöglichkeit des § 169 Abs. 2 S. 3 Halbs. 2 AO Gebrauch machen kann. Das ist der Fall, wenn der Stpfl. durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt und die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zur Verhinderung von Steuerverkürzungen angewandt hat.

 

Rz. 42

Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, um die kürzere Festsetzungsfrist anzuwenden. Das Vorliegen nur einer der beiden Voraussetzungen genügt nicht. Dem klaren Wortlaut des § 169 Abs. 2 S. 3 AO nach trifft den Stpfl. die Nachweispflicht, dass er keinen Vermögensvorteil erlangt und die im Verkehr erforderliche Sorgfalt angewandt hat. Die Belastung des Stpfl. mit der Nachweispflicht ist systematisch richtig. Die Verlängerung der Festsetzungsfrist tritt immer dann ein, wenn eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung vorgekommen ist. Will sich der Stpfl. von dieser Rechtsfolge befreien, muss er nachweisen, dass die Voraussetzungen hierfür vorliegen.

Der Stpfl. muss den vollen Nachweis erbringen, dass die genannten Voraussetzungen vorliegen; Glaubhaftmachung genügt nicht. Zweifel gehen daher zu seinen Lasten. Der Grund für diese Exkulpationsregelung ist der Grundsatz der Billigkeit. Der Gesetzgeber sieht es als unbillig an, den Stpfl. mit der Folge der langen Festsetzungsfrist zu belasten, wenn er aus der Tat keinen Vorteil gezogen und die erforderliche Sorgfalt angewandt hat.[4]

 

Rz. 43

Der Stpfl. muss somit nachweisen, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat. Vermögensvorteil ist dabei nicht nur der Steuervorteil, der durch die Steuerstraftat erlangt wurde. Der "Vermögensvorteil" ist daher nicht auf den "Steuervorteil" i. S. d. § 370 Abs. 1 AO beschränkt. Vielmehr ist Vermögensvorteil i. S. d. § 169 Abs. 2 S. 3 AO jede Verbesserung bzw. jede unterbliebene Verschlechterung der wirtschaftlichen bzw. finanziellen Lage, die durch die Tat hervorgerufen worden ist. Der Begriff des Vermögensvorteils bei § 169 Abs. 2 S. 3 AO ist jedoch derselbe wie bei § 70 Abs. 2 AO.[5] So ist der durch die Tat erlangte Steuervorteil Vermögensvorteil i. S. d. § 69 Abs. 2 AO, der Vermögensvorteil kann jedoch auch in einer sonstigen Verbesserung der wirtschaftlichen bzw. finanziellen Lage bestehen. Es ist die wirtschaftliche Lage des Stpfl. nach der Tat mit der Lage zu vergleichen, die bestehen würde, wenn die Tat nicht begangen worden wäre. Die Tat muss daher kausal für den Vermögensvorteil sein. Der Vermögensvorteil ist dann "durch die Tat" verursacht, wenn die Tat nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Vermögensvorteil entfiele ("conditio sine qua non"). Ist die Tat i. d. S. kausal für den Vermögensvorteil, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Vermögensvorteil "unmittelbare" oder "mittelbare" Folge der Tat ist. Ist daher eine Verbrauchsteuer hinterzogen worden, liegt kein Vermögensvorteil des Stpfl. vor, wenn er diesen Vorteil an den Abnehmer weitergegeben hat. Ein Vermögensvorteil liegt jedoch vor, wenn der Stpfl. ohne die Tat keinen oder einen geringeren Gewinn aus dem Geschäft gemacht hätte oder wenn das Geschäft ohne die Weitergabe des durch die schuldhafte Steuerverkürzung erlangten Vorteils undurchführbar gewesen wäre. Ohne Bedeutung ist es, ob der Stpfl. stattdessen ein anderes Geschäft mit einem gleichen oder ähnlichen Gewinn hätte machen können.[6] Für die Frage des Vermögensvorteils ist das Geschäft zugrunde zu legen, das tatsächlich ausgeführt wurde. Ob ein anderes Geschäft möglich gewesen wäre, liegt außerhalb der Kausalitätskette der Steuerhinterziehung bzw. leichtfertigen Steuerhinterziehung für den Vermögensvorteil. Es ist daher m. E. auch unbeachtlich, ob der Stpfl. die ohne die Steuerverkürzung höhere Verbrauchsteuer auf den Kunden übergewälzt hätte. Dies wäre die unzulässige Einbezi...

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