1 Zweck und Reichweite

 

Rz. 1

§ 160 AO versagt die steuerliche Berücksichtigung von Schulden und anderen Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und anderen Ausgaben, wenn der Stpfl. den Gläubiger bzw. Empfänger auf Aufforderung der Finanzbehörde nicht benennt.[1] Mit dieser Vorschrift sollen vor allem Steuerausfälle verhindert werden, die dadurch entstehen können, dass bei dem Schuldner bzw. bei dem Zahlenden die Lasten bzw. Aufwendungen zu einer Steuerminderung führen, während der Gläubiger bzw. Zahlungsempfänger unbekannt bleibt und die Besteuerungsgrundlagen sich daher bei ihm nicht steuererhöhend auswirken. § 160 AO ähnelt daher einer Haftungsnorm, deren Grund eine vom Stpfl. veranlasste oder mitverursachte[2] Steuergefährdung bildet.[3]

 

Rz. 1a

Systematisch enthält § 160 AO keine eigenständige Verpflichtung zur Benennung des Empfängers, sondern nur eine besondere Rechtsfolge für den Fall, dass der Stpfl. dem Benennungsverlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt. Trotzdem handelt es sich nicht um eine bloße Obliegenheit, die der Stpfl. nicht zu erfüllen braucht, dann aber Rechtsnachteile in Kauf nehmen muss. § 160 AO basiert auf der zwingenden Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach §§ 90, 93 AO.[4] Der Stpfl. ist nach diesen Vorschriften verpflichtet, Auskunft zu geben und damit auch den Zahlungsempfänger zu benennen. § 160 AO enthält daher keine eigenständige Rechtsgrundlage für das Auskunftsverlangen, sondern enthält nur eine besondere Rechtsfolge neben Zwangsmitteln und Schätzung, wenn die Auskunftspflicht nicht erfüllt wird.

 

Rz. 2

Die Nichtbenennung des Empfängers ist selbst keine strafbare Steuerhinterziehung. Die Sanktion einer Nichtbenennung ist die Nichtabziehbarkeit der Aufwendungen, nicht eine Strafe. Eine strafbare Steuerhinterziehung kann aber bei Einschalten von Domizilgesellschaften vorliegen, um einen Drittempfänger vorzutäuschen, der nicht existiert, und ähnliche Gestaltungen.[5]

 

Rz. 3

Dagegen dient die Vorschrift nicht der Verhinderung von Ausfällen an Sozialversicherungsbeiträgen oder der Erschleichung von Sozialleistungen.[6] § 160 AO ist eine steuerliche Vorschrift, die nach § 1 AO nur für Steuern gilt. Eine Ausdehnung auf andere Rechtsgebiete, wie Sozialabgaben und Sozialleistungen, hätte eine ausdrückliche Regelung zur Voraussetzung.

 

Rz. 4

Zu Unrecht sieht die Rspr., jedenfalls die ältere, den Zweck der Vorschrift auch darin, allgemein einem verwerflichen Geschäftsgebaren (z. B. Ohne-Rechnung-Geschäfte, Bestechung) entgegenzutreten.[7] Hierzu ist die Vorschrift ungeeignet; auch sind "erzieherische Zwecke" dem Steuerrecht fremd, wie § 40 AO zeigt. Schließlich wird ein "verwerfliches Geschäftsgebaren" nicht dadurch akzeptabel, dass der Gläubiger bzw. Empfänger benannt wird.[8] § 160 AO hat auch keinen Strafcharakter; die Rechtsfolge des § 160 AO tritt nur ein, um eine Steuergefährdung zu verhindern, soll aber nicht der Bestrafung des im Geschäftsverkehr unredlich handelnden Stpfl. dienen.[9] Die Rechtsprechung[10] bezeichnet die Verhinderung eines unlauteren Geschäftsgebarens jetzt als Nebenzweck, der nur eine untergeordnete Rolle spiele.

 

Rz. 5

Die Vorschrift ist verfassungsgemäß; sie ist ein angemessenes Mittel zur Verhinderung von Steuerausfällen. Im Einzelfall unbillige oder unzumutbare Folgen sind im Rahmen der Ermessensentscheidung zu vermeiden.[11]

 

Rz. 6

Die Vorschrift widerspricht im Ergebnis auch nicht dem EU-Recht. Betroffen sein können die Freiheit des Warenverkehrs, Art. 23ff. EGV, Art. 28ff. AEUV, und die Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 EGV, Art. 56 AEUV, indem das Beziehen von Waren und Dienstleistungen aus dem EG-Ausland erschwert wird. Möglich ist auch die Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit, Art. 43 EGV, Art. 49 AEUV, und der Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 56 EGV, Art. 63 AEUV. Die Vorschrift ist mit den Grundfreiheiten vereinbar, weil § 160 AO weder von der rechtlichen Konzeption noch von der praktischen Anwendung auf Auslandsbeziehungen beschränkt ist, also keine Diskriminierung grenzüberschreitender Rechtsverhältnisse erfolgt.[12] Die Benennungspflicht trifft sowohl inländische als auch grenzüberschreitende Beziehungen. Es handelt sich daher um eine steuerliche Regelung, die nicht einseitig die grenzüberschreitenden Beziehungen benachteiligt. Eine Diskriminierung und damit ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten liegt nicht vor.

 

Rz. 7

Problematischer ist es jedoch, soweit an Geschäftsbeziehungen über sog. Domizilgesellschaften besonders strenge Anforderungen geknüpft werden.[13] Hierdurch können Geschäftsbeziehungen zu ausländischen Gesellschaften stärker beeinträchtigt werden, als dies bei inländischen Geschäftspartnern der Fall ist. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass das EU-Recht nur die durch steuerliche Vorschriften unbeeinträchtigte Lokation der wirtschaftlichen Funktionen in anderen EU-Staaten schützt. Nicht geschützt sind dagegen wirtschaftlich funktionslose Gesellschaften, da diese wirtschaftlich weder Lieferungen noch Leistungen erbringen. Daher kann ihre Diskriminierung auch...

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