Rz. 96

Bei Ausgleichszahlungen an außenstehende Anteilseigner einer Organschaft ist danach zu differenzieren, ob die Organgesellschaft selbst oder der Organträger die Ausgleichszahlung leistet. Fraglich ist zunächst, ob die Ausgleichszahlung eine Leistung i. S. d. § 27 KStG darstellen kann. M. E. sprechen die besseren Argumente dafür, dass die Ausgleichszahlungen als Leistungen bzw. Ausschüttungen zu qualifizieren sind,[1] da der Begriff der Leistung weiter gefasst ist als der der Ausschüttung. Insoweit können Ausgleichszahlungen m. E. grds. Leistungen i. S. d. § 27 KStG sein, zumal der systematische Zusammenhang mit § 16 KStG nahelegt, dass Ausgleichszahlungen wie Ausschüttungen der Organgesellschaft zu behandeln sind.

 

Rz. 96a

Für die weitere ertragsteuerliche Behandlung ist zu differenzieren, ob der Organträger oder die Organgesellschaft die Zahlung leistet. Zivilrechtlich ist der Organträger nach h. M. zur Leistung der Ausgleichszahlung verpflichtet.[2] Die gegenteilige Auffassung[3] wurde mittlerweile aufgegeben. Sofern die Zahlung dennoch von der Organgesellschaft selbst geleistet wird, gilt diese zivilrechtlich lediglich als "Zahlstelle" des Organträgers.[4]

 

Rz. 96b

Die Auswirkungen der Ausgleichszahlung auf das steuerliche Einlagekonto der Organgesellschaft sind umstritten. Wird die Zahlung von der Organgesellschaft geleistet, handelt es sich nach h. M. um eine Leistung der Organgesellschaft i. S. d. § 27 Abs. 1 KStG an den Minderheitsgesellschafter.[5] Nach dieser Auffassung könnte es zur Verwendung des positiven Bestands des steuerlichen Einlagekontos kommen, sofern die Organgesellschaft über keinen ausschüttbaren Gewinn i. S. d. § 27 Abs. 1 S. 5 KStG verfügt.[6] Hiervon abweichend wird die Auffassung vertreten, dass die Zahlung zwar eine Leistung i. S. d. § 27 KStG sei, aber keine Verwendung des steuerlichen Einlagekontos auslösen könne.[7] Zur Begründung wird angeführt, eine Verwendung des steuerlichen Einlagekontos wäre systemwidrig.[8] Zudem soll auf Ebene der Organgesellschaft entsprechendes Einkommen vorhanden sein, das für die Ausgleichszahlung verwendet werden kann.[9] Nach dieser Auffassung kann eine Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto der Organgesellschaft nur dann erbracht werden, wenn ein Veranlagungsfehler vorliegt.

 

Rz. 96c

Wird die Zahlung vom Organträger geleistet, erfüllt er zivilrechtlich eine eigene Verpflichtung. In diesem Zusammenhang ist fraglich, welche Auswirkungen sich für das steuerliche Einlagekonto der Organgesellschaft ergeben können. Einerseits wird die Auffassung vertreten, dass sich keine anderen Rechtsfolgen ergeben als in dem Fall, in dem die Organgesellschaft die Zahlung selbst leistet.[10] Dann stellt sich aber die Frage des Zugriffs auf das steuerliche Einlagekonto der Organgesellschaft.[11] Wird jedoch davon ausgegangen, dass die Organgesellschaft zur Leistung der Ausgleichszahlung und insoweit auch zur Anmeldung der KapESt verpflichtet ist,[12] könnte weiterhin die Auffassung vertreten werden, dass der Organträger den Betrag der Ausgleichszahlung in die Organgesellschaft einlegt und diese dann die Einlage auszahlt.[13] Hiervon abweichend wird die Ansicht vertreten, bei der Zahlung durch den Organträger könne keine Leistung der Organgesellschaft an den Minderheitsgesellschafter vorliegen, da die Zahlung durch den Organträger erfolgt und bei diesem als nichtabziehbare Betriebsausgabe gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 9 EStG erfasst wird.[14]

 

Rz. 96d

Schließlich gilt nach einer dritten Auffassung der Betrag der Ausgleichszahlung bei Leistung durch den Organträger als in die Organgesellschaft eingelegt und dann von dieser geleistet, d. h., es erfolgt zunächst eine Erhöhung, dann eine Minderung des steuerlichen Einlagekontos.[15]

 

Rz. 96e

M. E. ist die Ausgleichszahlung der Organgesellschaft unabhängig davon zuzuordnen, ob diese von dem Organträger oder der Organgesellschaft geleistet wird. Zwar widerspricht dies der zivilrechtlichen Behandlung der Ausgleichszahlung, da das Zivilrecht die Ausgleichszahlung grds. dem Organträger zuordnet. M. E. kodifiziert § 16 KStG jedoch eine umfassende Rechtsgrundlage dafür, dass die Ausgleichszahlung der Organgesellschaft zugeordnet wird und mithin sämtliche ertragsteuerlichen Rechtsfolgen auf der Ebene der Organgesellschaft zu ziehen sind.

 

Rz. 96f

Sofern gegen diese Auffassung angeführt wird, es könne nicht angehen, dass eine nichtabziehbare Betriebsausgabe beim Organträger angenommen wird, zugleich aber eine Besteuerung beim Minderheitsgesellschafter als Bezug i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfolgen soll,[16] wird m. E. verkannt, dass die Besteuerung aufgrund des § 16 KStG auf der Ebene der Organgesellschaft vorgenommen und der Organträger entlastet wird, indem er diesen Betrag nicht selbst zu versteuern hat. Der Gesetzgeber hat die Zahlung der Organgesellschaft zugeordnet und sie als Leistung an den Minderheitsgesellschafter eingestuft, sodass dieser den Bezug (fiktiv und entgegen der zivilrechtlichen Zuordnung) für ertragsteuerliche Zw...

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