Rz. 434

Der Nachsteuertatbestand in Nr. 1 bezieht sich auf begünstigt erworbenes Betriebsvermögen (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).

 

Rz. 435

Zu einer Nachversteuerung kommt es danach in folgenden Fällen (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 ErbStG, s. dazu R E 13a.13 ErbStR 2019[1]):

  • vollständige oder teilweise Veräußerung eines Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs (einschl. einer freiberuflichen Praxis),
  • Aufgabe eines Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs (einschl. der Insolvenz[2]),
  • vollständige oder teilweise Veräußerung des Anteils an einer Personengesellschaft,
  • Aufgabe eines Mitunternehmeranteils,
  • vollständige oder teilweise Veräußerung des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien,
  • Veräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs[3],
  • Überführung von wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs in das Privatvermögen oder Zuführung zu anderen betriebsfremden Zwecken,
  • vollständige oder teilweise Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die im Zusammenhang mit der Einbringung von Unternehmensteilen in einer Kapitalgesellschaft erworben worden sind (§ 20 UmwStG[4]),
  • vollständige oder teilweise Veräußerung von Anteilen an einer Personengesellschaft, die im Zusammenhang mit der Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personengesellschaft erworben worden sind (§ 24 UmwStG[5]).
 

Rz. 436

Maßgebend sind insoweit jeweils die Grundsätze des Ertragsteuerrechts.

Für den Zeitpunkt der Veräußerung soll es nach Auffassung der FinVerw aber (abweichend vom Ertragssteuerrecht und vom Zivilrecht) auf den Zeitpunkt des obligatorischen Rechtsgeschäfts und nicht erst auf die zivilrechtliche Wirksamkeit ankommen.[6] Dem ist nicht zuzustimmen.[7] Ein sachlicher Grund für die Abweichung ist nicht ersichtlich.

Bei Erwerbern, die bereits vor dem begünstigten Erwerb an der Gesellschaft beteiligt waren, kann bei einer teilweisen Veräußerung davon ausgegangen werden, dass zunächst die früher erworbenen Anteile veräußert werden.[8]

Nach dem Gesetzeswortlaut ist es u. a. auch nachsteuerschädlich, wenn "wesentliche Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs" veräußert werden. Maßgebend sind auch insoweit die Grundsätze des Ertragsteuerrechts. Die Veräußerung von Betriebsvermögen einer Tochtergesellschaft ist i. d. R. keine mittelbare Veräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen der Muttergesellschaft.[9]

Nach Auffassung des BFH[10] kann der Verschonungsabschlag für den Erwerb eines Anteils an einer Oberpersonengesellschaft nachträglich wegfallen, wenn Wirtschaftsgüter der Unter-Personengesellschaft, die wesentliche Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft darstellen, veräußert oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden. Für die Beurteilung, ob Betriebsgrundlagen der Unter-Personengesellschaft funktional wesentlich für den Betrieb der Oberpersonengesellschaft sind, sind qualitative und quantitative Merkmale heranzuziehen.

 

Rz. 437

Einbringungen und Umwandlungen (nach Maßgabe der §§ 20, 24 UmwStG) sind grundsätzlich (noch) nicht nachsteuerschädlich.[11] Dies gilt auch bei mehreren Umwandlungsvorgängen.[12] Steuerschädlich ist erst die nachfolgende Veräußerung der Anteile, die der Erwerber im Zusammenhang mit der Umwandlung erworben hat.

 

Rz. 438

Die FinVerw hat zu den Behaltensregelungen bei Einbringungs- und Umwandlungsfällen ausführlich Stellung genommen.[13]

 

Rz. 439

Die Veräußerung oder Aufgabe einer freiberuflichen Praxis ist nachsteuerschädlich (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG).[14] Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber die Praxis nur deshalb veräußern musste, weil er selbst nicht über die für eine Fortführung erforderliche persönliche Qualifikation verfügt.[15]

 

Rz. 440

Die FinVerw war schon bislang der Auffassung, dass die Veräußerung von jungem Verwaltungsvermögen nicht gegen die Behaltensregelung verstößt.[16] Dies gilt in gleicher Weise für junges Finanzvermögen.

 

Rz. 441

Darüber hinaus sollte (seit dem 1.7.2016) auch die Veräußerung von jeglichem (auch altem) Verwaltungsvermögen nachsteuerunschädlich sein, das nicht zum begünstigtem Vermögen (§ 13b Abs. 2 ErbStG) gezählt hat. Der Erwerb von Verwaltungsvermögen ist (vorbehaltlich § 13b Abs. 6 und 7 ErbStG) steuerlich nicht begünstigt, sodass die Veräußerung auch nicht nachsteuerschädlich sein kann.[17] Der Gesetzeswortlaut geht gleichwohl davon aus, dass die Veräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen immer gegen die Behaltensregelung verstößt (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 S. 2 ErbStG, dazu R E 13a.13 ErbStR 2019). Dieser Gesetzeswortlaut ist (seit dem 1.7.2016) aber überschießend und wurde nicht an den neuen Verwaltungsvermögenstest angepasst. Die Veräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen kann nur dann nachsteuerschädlich sein, wenn diese auch zum begünstigten Vermögen (§ 13b Abs. 2 ErbStG) gehören. Vermögen, dessen Erwerb nicht begünstigt ist, kann auch keiner Nachsteuerbindung unterliegen. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit teleologisch zu reduzieren.

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