Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anfechtung einer tatsächlichen Verständigung wegen Irrtums

 

Leitsatz (redaktionell)

Zweck des Instituts der tatsächlichen Verständigung ist es, zu jedem Zeitpunkt des Besteuerungsverfahrens hinsichtlich bestimmter Sachverhalte, deren Klärung schwierig, aber zur Festsetzung der Steuer notwendig ist, den möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt i. S. des § 88 AO unter Beteiligung des Steuerpflichtigen im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten einvernehmlich festzulegen. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn die Beteiligten zu einem späteren Zeitpunkt von den abgegebenen Erklärungen wieder abrücken könnten, weil sie vermeintliche Nachteile der Einigung festzustellen glauben.

 

Normenkette

AO §§ 88, 90, 110 Abs. 3, § 157 Abs. 1, § 173 Abs. 1, 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 354

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 12.02.2007; Aktenzeichen XI B 123/06)

 

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung von Einkünften aus selbständiger Arbeit des Klägers.

Der Kläger und ein zuständiger Vertreter des für die Besteuerung der Kläger zuständigen Wohnsitzfinanzamtes hatten am 11.10.1999, in der Zeit, als auch die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Xxx über die Anklage wegen Steuerhinterziehung des Klägers (Kl.) durchgeführt wurde, eine Vereinbarung über eine tatsächliche Verständigung unterzeichnet. Der Kläger befand sich seit längerer Zeit in Untersuchungshaft. Die tatsächliche Verständigung betraf in den Jahren 1989 bis 1995 vom Kläger, der als Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in dieser Zeit auch Mitgesellschafter einer Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatersozietät gewesen war und daneben nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte Einkünfte aus Beiratstätigkeit gem. § 18 EStG erklärt hatte, alleine - außerhalb des Gesamtbereichs der Sozietät - erzielte Einnahmen aus Beratungstätigkeiten, mit einem Drittel der Einnahmen abzuziehenden Ausgaben, sowie nicht erklärte Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen.

In der Vorbemerkung heißt es, der Kläger habe neben erklärten Einkünften aus eigenständigen Beratungstätigleistungen und aus der Tätigkeit als Beiratsmitglied, wo die Einnahmen sämtlich auf den gemeinsam mit der Klägerin geführten Konten gutgebracht worden seien, weitere bisher nicht erklärte Beträge auf Privatkonten vereinnahmt. Es könne nicht mehr festgestellt werden, ob es sich bei den auf den Privatkonten des Kl. gutgebrachten Beträgen um Einnahmen der vormaligen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft oHG (die ggf. dem Kl. ganz oder teilweise als Sonderbetriebseinnahmen zuzurechnen wären) oder um unmittelbare selbständige Einkünfte außerhalb des Gesamthandsbereiches der vormaligen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgemeinschaft im Rahmen seiner eigenständigen Beratungstätigkeit handele. Weiterhin sei es nicht mehr möglich - mit Ausnahme einer Zahlung i. H. von 1.000.000 DM an eine Xxx, Lichtenstein sowie einer Zahlung i. H. von 25.000 DM an Rechtsanwalt Xxx, Schweiz - die tatsächlichen Kosten zu ermitteln. Die aus der eigenständigen Beratungstätigkeit erzielten Einkünfte könnten somit nicht festgestellt werden.

Es werde daher folgende tatsächliche Verständigung getroffen:

Bei den dem Steuerpflichtigen -Kl.- alleine - außerhalb des Gesamthandsbereichs der vormaligen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatergemeinschaft Y/Kl. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oHG - zuzurechnenden Beträgen handele es sich um Einnahmen aus Beratungstätigkeiten, die sich wie folgt auf die einzelnen Jahre verteilten:

1989

1990

1991

1993

1994

1995

DM

DM

DM

DM

DM

DM

A

110.032

B

171.000

C

542.200

34.200

D

5.000.000

E

57.000

57.000

F

102.600

G

57.500

57.500

28.750

H

59.103

I

59.103

57.500

J

34.500

34.500

Die im Zusammenhang mit der Beratungstätigkeit angefallenen Betriebsausgaben werden mit 33,33 v. H. der nicht erklärten Betriebseinnahmen geschätzt.

Somit ergeben sich folgende bisher nicht erklärte Einkünfte aus selbständiger Arbeit des Steuerpflichtigen Kl.: (nachfolgend rechnerische Darstellung, Einnahmen abzüglich Ausgaben).

1989

1990

1991

1993

1994

1995

DM

DM

DM

DM

DM

DM

3.923.684

91.204

38.001

117.143

61.336

80.504

Außerdem waren Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzversteuerung und ge-schätzte Vorsteuerbeträge aufgeführt. Seinem Verteidiger war von der Steuerfahndungsstelle, die Ermittlungen für die Staatsanwaltschaft geführt hatte, ein gleichlautender Entwurf ergänzt mit einer Berechnung von Steuermehrungen i. H. von insgesamt 3.051.201 DM, davon Einkommensteuer 1987 bis 1995 2.310.746 DM (die auch die Staatsanwaltschaft erhalten hatte) am 01.10.1999 übermittelt worden. Außerdem war im Schreiben der Steuerfahndungsstelle zu deren Ankündigung ein Zahlungsbetrag von 2.401.180 DM genannt worden.

Den Klägern wurden im Anschluss an die Unterzeichnung der Vereinbarung geänderte Zusammenveranlagungsbescheide für Einkommensteuer 1987 bis 1995 ohne Abrechnungsteil bekanntgegeben. Die Bescheidänderungen für 1987 und 1988 beruhten auf Änderungen des Verlustrücktrags und dem in einer vo...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge