Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Festsetzungsverjährung bei unterbliebener Anzeige; Kenntnis der zuständigen Dienststelle

 

Leitsatz (redaktionell)

1.) Die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gilt nicht, wenn die Verpflichtung zur Erstattung einer Anzeige gemäß § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 ErbStG ausschließlich einen Dritten betrifft, der nicht Vertreter des Steuerpflichtigen ist.

2.) Der Anlauf der nach § 170 Abs. 1 AO beginnenden regulären Festsetzungsfrist für die Erbschaft-/Schenkungsteuer wird bei unterbliebener Anzeige nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 ErbStG bis zu dem in § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO genannten Zeitpunkt gehemmt. Fordert das Finanzamt hiernach zur Abgabe einer Steuererklärung auf, greift keine weitere Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.

3.) § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO verlangt positive Kenntnis der organisatorisch zur Verwaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer berufenen Dienststelle des örtlich und sachlich zuständigen Finanzamts von der vollzogenen Schenkung. Der zuständigen Dienststelle sind dabei grundsätzlich alle Tatsachen bekannt, die sich aus den bei ihr geführten Akten ergeben.

 

Normenkette

AO § 170 Abs. 5 Nr. 2; ErbStG § 30 Abs. 3, § 34; AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei Erlass der angefochtenen Schenkungsteuerbescheide bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

Mit notariellem Vertrag vom 14. Dezember 1998 (Urk.-Nr. … des in L amtsansässigen Notars F) übertrug die Klägerin ihren drei Kindern M, M1 und M2 mit Wirkung zum 31. Dezember 1998 unentgeltlich jeweils einen Teilanteil ihrer Kommanditbeteiligung an der N GmbH & Co. KG i.H. von nominal … DM sowie Teilgeschäftsanteile im Nennwert von jeweils … DM an der O & Cie GmbH. Unter Tz. VII.2. des Vertrags vereinbarten die Parteien, dass die mit der Urkunde und ihrer Durchführung verbundenen Kosten einschließlich der Kosten der Handelsregistereintragung und eine etwaige Schenkungsteuer von der Klägerin zu tragen seien. Die im Beurkundungstermin nicht anwesende, von ihrem Bruder M1 als Vertreter ohne Vertretungsmacht vertretene M2 genehmigte mit notariell beglaubigter Erklärung vom 28. Dezember 1998 den Inhalt der vorgenannten Vertragsurkunde. Erst danach wurden ausweislich des in Kopie vorliegenden, vom beurkundenden Notar unterschriebenen Ausfertigungsvermerks vom 7. Januar 1999 den Vertragsparteien und den Gesellschaften, deren Anteile Gegenstand der Übertragung waren, jeweils eine Ausfertigung der Urkunde sowie einem nicht näher bezeichneten „Finanzamt” eine beglaubigte Abschrift erteilt.

Am 17. Mai 2005 ging bei dem Beklagten eine an dessen Erbschaftsteuerstelle z.Hd. Frau P adressierte Kurzmitteilung des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L ein, wonach anlässlich einer bei der N GmbH & Co KG durchgeführten Betriebsprüfung bekannt geworden sei, dass die Klägerin zum 31. Dezember 1998 im Wege der Schenkung jeweils 2 v.H. ihrer Anteile an der N KG und an der O & Co Cie GmbH an ihre Kinder M, M1 und M2 übertragen habe. Die Mitteilung schloss mit dem Hinweis, die Freibeträge gemäß § 13a ErbStG seien entfallen, da die Anteile zum 31. Dezember 2002 veräußert worden seien. Der Kurzmitteilung beigefügt war u.a. eine Kopie der der O Cie GmbH erteilten Ausfertigung der notariellen Urkunde vom 14. Dezember 1998.

Der Aufforderung des Beklagten, wegen der vorgenannten Anteilserwerbe eine Schenkungsteuererklärung abzugeben, begegnete die Kanzlei T als Bevollmächtigte der Beschenkten M2 und M mit der Auffassung, wegen der Schenkungen vom 14. Dezember 1998 sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Nach der mit Schreiben vom 12. Mai 2005 vorgelegten Bestätigung des Notars F vom 4. Mai 2005 sei dem Beklagten am 15. Dezember 1998 eine beglaubigte Abschrift der Urkunde Nr. … erteilt worden. Hierzu teilte das Notariat F dem Beklagten – z.Hd. Frau P – unter dem 22. Juni 2005 ergänzend mit, ein Postausgangsbuch werde in ihrem Büro nicht geführt, die beglaubigte Abschrift der Urkunde Nr. … sei jedoch an das zum damaligen Zeitpunkt für Schenkungen und Erbschaften zuständige Finanzamt übersandt worden. Da es damals hierfür nur das Finanzamt L gegeben habe, sei die beglaubigte Abschrift auch an dieses Finanzamt geschickt worden.

Ausweislich einer unter dem 13. Oktober 2005 gefertigten Gesprächsnotiz der zuständigen Sachbearbeiterin P meldete sich Herr B vom Büro T telefonisch bei ihr und erkundigte sich, ob das Notariat F zwischenzeitlich angerufen habe. Weiter heißt es in dem Aktenvermerk wörtlich:

„Das Notariat F hat mir mitgeteilt, dass am 7. Januar 1999 zusammen mit dem strittigen Vertrag ein Vertrag für Schenkgeber J, … Datum des Vertrags 10. Dezember 1998 UR.Nr. … dem FA L… im gleichen Umschlag geschickt worden ist. Problem: L ist für den Vertrag J nicht zuständig sondern Q. D.h. der Vertrag müsste weiter gesandt worden sein. Eingang beim FA L sollte ca. 9. Januar 1999 gewesen sein.

Herr B kennt nicht den Vorgang J aufgrund der Schweigepflicht der Notare. Herr B wünscht aber im Falle e...

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