Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherheitsleistung bei Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheides. Treu und Glauben. Änderung von Steuerbescheiden vor Abschluss der Betriebsprüfung mit geschätzten Mehrergebnissen bei Steuerhinterziehung. Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Rechtmäßigkeit der Schätzung. Aussetzung der Vollziehung (gesonderte Feststellung des Gewinns 1993 – 1999)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheides wird nicht wirksam, soweit sie von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wird, denn bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides darf die Sicherheitsleistung nur ausgeschlossen, nicht aber angeordnet werden. Ist die Sicherheitsleistung nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden, ist darüber erst bei der Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides zu entscheiden.

2. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Grundsatz von Treu und Glauben der Änderung von Steuerbescheiden bereits vorab, bevor das endgültige Ergebnis der Betriebsprüfung vorliegt, mit geschätzten Mehrergebnissen nicht entgegensteht, wenn Ursache für die Notwendigkeit umfangreicher Sachverhaltsermittlungen in Form der Betriebsprüfung die Steuerhinterziehung des Steuerpflichtigen gewesen ist.

3. Ist die Buchführung des Steuerpflichtigen formell und materiell in einem solchen Maße mangelhaft, dass sie insgesamt zu verwerfen ist, so kann sie der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden mit der Folge, dass die Finanzbehörden zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt und verpflichtet sind.

4. Umfangreiche einzelfallbezogene Ausführungen zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, der Kassenbuchführung durch tägliche Aufzeichnung der Einnahmen und Ausgaben und zur Rechtmäßigkeit und Schlüssigkeit der Schätzung von Umsatz und Gewinn, Wareneinsatz und Rohgewinnaufschlagsatz durch den Betriebsprüfer im Rahmen der durchgeführten Nachkalkulation.

 

Normenkette

AO 1977 § 162 Abs. 2, § 147 Abs. 1 Nr. 4, §§ 158, 145 Abs. 1 S. 2, § 146 Abs. 1 S. 2, § 147 Abs. 1 Nr. 5, § 361 Abs. 3 S. 3; BGB § 242; FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 69 Abs. 2 Sätze 2, 6

 

Tenor

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der geänderten Bescheide vom 24.10.2002 und der Bescheide vom 26.05.2003 über die gesonderte Feststellung des Gewinns für die Jahre 1993 bis 1999 wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Ast.

Die Beschwerde wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf EUR 28.281,38 festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Ast. begehrt die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide vom 24.10.2002 und vom 26.05.2003 über die gesonderte Feststellung des Gewinns für die Jahre 1993 bis 1999 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung. Streitig ist die Hinzuschätzung von mit Hilfe einer Nachkalkulation ermittelten Erlösen aus dem Betrieb einer Speisegaststätte dem Grunde und der Höhe nach.

Der Ag. betreibt in R. das italienische „Ristorante – Pizzeria M.”. Die Räumlichkeiten des Gastronomiebetriebs befinden sich in einer kleinen Villa […] mit einem teilweise als Restaurantfläche genutzten parkähnlichen Garten. Der Ast. hat die gesamte Villa einschließlich der zu Büro- und Wohnzwecken nutzbaren Räume im Obergeschoss von der der Gesellschaft für Stadterneuerung, Stadtentwicklung und Wohnungsbau mbH als Verwalterin des städtischen Haus- und Grundbesitzes am 29.12.1992 für zunächst 10 Jahre angemietet (Mietvertrag vom 29.12.1992). Das Restaurant hat mindestens 100 Sitzplätze (Niederschrift über die Betriebsbesichtigung am 18.06.2002 und Schreiben der Betriebsprüfung an den Ast. vom 13.08.2002). Ausweislich der Niederschrift über die Betriebsbesichtigung am 18.06.2002 war es seinerzeit regelmäßig von 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr und von 18.00 Uhr bis 23.00 Uhr bei zwei bis drei Ruhetagen jährlich geöffnet. Der Gewinn wird aufgrund einer DATEV-Buchführung durch Bestandsvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 Einkommensteuergesetz -EStG- ermittelt. Aufgrund der beim Ag. eingereichten Feststellungserklärungen wurden vom Ag. Gewinne aus Gewerbetrieb in Höhe von DM 48.518,97 für das Jahr 1993, in Höhe von DM 57.880,78 für das Jahr 1994, in Höhe von DM 81.258,47 für das Jahr 1995, in Höhe von DM 77.113,07 für das Jahr 1996, in Höhe von DM 98.121,68 für das Jahr 1997, in Höhe von DM 136.073,39 für das Jahr 1998 und in Höhe von DM 73.463,32 für das Jahr 1999 festgestellt und dem Finanzamt S. als Wohnsitzfinanzamt mitgeteilt, das auf diesen Grundlagen Einkommensteuern für die entsprechenden Jahre festsetzte.

Am 06.04.2000 prüfte der Ermittlungsdienst des Arbeitsamts R. den Betrieb des Ast. Ausweislich des Prüfberichts vom 19.04.2000 konnten die Ermittler beim Betreten die Personalien von sechs Personen feststellen, während sich eine siebte Person der Personenfeststellung entzog, indem sie durch das offene Küchenfenster und anschließend mit dem Fahrrad flüchtete. Unter den sechs angetroffenen Personen befanden sich außer dem Ast. selbst und einem polnischen, einem türkischen und einem italienischen Staatsangehörigen auch e...

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