Entscheidungsstichwort (Thema)

Realisierung von Spekulationsverlusten. Gestaltungsmissbrauch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Ver- und Ankauf von Wertpapieren am gleichen Tag und in gleicher Zahl zur Realisierung von Spekulationsverlusten innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist ist kein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO (entgegen Urteil des FG Schleswig-Holstein v. 14.9.2006, 5 K 286/03).

2. Die Realisierung von Verlusten ist kein besonderes, rechtfertigungsbedürftiges Privileg, sondern notwendige Folge eines an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Steuersystems.

3. Die spezielle Regelung von Verlustentstehung und Verlustausgleich in § 23 EStG liefert keine tragfähigen Anhaltspunkte, die den Wiederankauf von Wertpapieren, deren Veräußerung zur Realisierung von Spekulationsverlusten führte, als eine Steuerumgehung erscheinen lassen.

 

Normenkette

EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AO § 42

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.08.2009; Aktenzeichen IX R 60/07)

 

Tenor

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2003 wird der Bescheid für 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 16. Juli 2002 dahin abgeändert, dass negative Einkünfte aus privaten Spekulationsgeschäften in Höhe von 104.957 DM festgestellt werden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigen für das Vorfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Streitig ist die steuerliche Anerkennung von Spekulationsverlusten aus der Veräußerung von Wertpapieren, die am gleichen Tag und in gleicher Anzahl wieder gekauft wurden.

Die Kläger erzielten als Gesellschafter bürgerlichen Rechts neben Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 2000 (EStG). In ihrer Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr machten sie Spekulationsverluste i.H.v. 104.957 DM geltend. Die Verluste ergaben sich unter anderem aus dem An- und Verkauf von Aktien der Bank sowie der XY Inc. im Jahr 2000, die mit Spekulationsgewinnen aus dem gleichen Jahr verrechnet wurden.

Die Kläger hatten sukzessive 50 Stück Aktien der Bank zum Kurswert von insgesamt 115.784 DM erworben. Aufgrund eines im April 2000 durchgeführten Aktiensplits erhielten sie zu ihren 50 Bank-Aktien weitere 100 Aktien in ihr Depot eingebucht. Die 150 Aktien verkauften sie am 22. Dezember 2000 zum Kurswert von insgesamt 10.708 DM und kauften am gleichen Tag die gleiche Anzahl Aktien wieder an. Die 100 Stück Aktien der XY Inc. hatten die Kläger zum Kurswert von 239,58 DM gekauft und am 22. Dezember 2000 für 13,29 DM verkauft. Ebenfalls am gleichen Tag kauften sie die gleiche Anzahl von XY-Aktien wieder hinzu.

Im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 16. Juli 2002 erkannte das beklagte Finanzamt die Spekulationsverluste aus dem Verkauf der Anteile an der Bank und der XY Inc. nicht an. Der Ver- und Ankauf der Wertpapiere am gleichen Tag und in gleicher Zahl zur Realisierung von Spekulationsverlusten innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist sei ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 der Abgabenordnung (AO).

Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der die Kläger geltend machen, § 23 EStG sei ein von der Motivation des Steuerpflichtigen unabhängiger Besteuerungstatbestand, der positive wie negative Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften als steuerpflichtige Einkünfte qualifiziere, die innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist entstehen. Die hierin liegende Besonderheit des Besteuerungstatbestandes lasse eine Anwendung des § 42 AO nicht zu.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2003 den Feststellungsbescheid so abzuändern, dass negative Einkünfte aus privaten Spekulationsgeschäften in Höhe von 104.957 DM festgestellt werden sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigen für das Vorfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

Es verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die übersandten Behördenakten verwiesen (je ein Band Rechtsbehelfs- und Feststellungsakten).

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der Feststellungsbescheid vom ...

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