Leitsatz (amtlich)

1. Im Rechtsstreit muß die offene Handelsgesellschaft durch die nach dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Anzahl von vertretungsberechtigten Gesellschaftern vertreten werden.

2. § 744 Abs. 2 BGB begründet kein Recht des Gesellschafters, Klage im Namen der Gesellschaft ohne Zustimmung der vertretungsberechtigten Gesellschafter zu erheben.

 

Normenkette

HGB §§ 124, 126; BGB § 744; ZPO § 51

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. April 1954 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage wegen eines Teilbetrags in Höhe von 4.500,– DM nebst 5 v.H. Zinsen seit dem 20. Mai 1952 nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abgewiesen wird.

Auf die Revision der Beklagten wird dieses Urteil, soweit die Beklagte zur Zahlung verurteilt ist, sowie im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Klage wird insoweit, als die Beklagte zur Zahlung von 5.152,– DM nebst 5 % Zinsen seit dem 20. Mai 1952 verurteilt ist, als unzulässig abgewiesen.

Der Kaufmann Eckart D. in Hannover wird verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits, einschliesslich der des Nebenintervenienten zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Unter der Firma der Klägerin wurde in Danzig ein Autobusunternehmen mit mehreren Autobussen betrieben. Die offene Handelsgesellschaft ist im Jahre 1938 durch notariell geschlossenen Vertrag von den Gesellschaftern K., W., Z. und D. begründet worden. Nach § 6 des Vertrages wird sie durch zwei Gesellschafter gemeinsam, bei Gefahr im Verzuge durch einen Gesellschafter vertreten. Der Gesellschafter W. ist aus der Gesellschaft im Jahre 1939 ausgeschieden. K. ist im Jahre 1945 als Soldat in Danzig gefallen. Nach § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages ist das Gesellschaftsverhältnis mit seinen Erben, seiner Witwe und zwei Geschwistern, fortgesetzt worden, diese sind jedoch von der Vertretung ausgeschlossen, so daß jetzt nur die beiden Gesellschafter Z. und D. vertretungsberechtigte Gesellschafter sind.

Von den Autobussen der Klägerin gelangte der hier streitbefangene Autobus Marke Büssing NAG, den die Gesellschaft im Jahre 1943 erworben hatte, nebst einem Anhänger bei Ende des Krieges nach Schleswig-Holstein mit Flüchtlingen, unter denen sich auch die Familie des Gesellschafters Z. befand. Der Autobus wurde auf der Reise mehrfach beschädigt, er verblieb schliesslich in Kiel-Elmschenhagen.

Im Juni 1945 kam der Schwiegersohn Z.s, der Kaufmann Kurt L. (früher Lö.), nach Kiel, wo er von der Existenz des Wagens der Klägerin durch seine Frau erfuhr. Er bewarb sich bei dem englischen Transportoffizier in Kiel um die Erlaubnis, eine Autobuslinie Kiel-Friedrichsort zu eröffnen und ihm für diesen Zweck den Omnibus, der hier streitbefangen ist, zu überlassen. Der britische Transportoffizier erteilte L. einen ES-Schein für den Omnibus nebst dem dazugehörigen Anhänger. Gegen Vorzeigung dieses Scheins wies ihn der damalige Leiter des Collecting-Parks Meimersdorf M. in den Besitz ein. M. hatte den Wagen, der niemals auf dem Gelände des Collecting-Parks gewesen war, sondern sich noch in Kiel-Elmschenhagen befand, in seinen Listen registriert. Für den Wagen erhielt die Firma Autokraft Kurt Lö. in Kiel, deren Inhaber der Nebenintervenient war, eine Rechnung über 23.365,– RM, die von ihm an die Stadt Kiel auf Verwahrkonto beglichen wurde. Die eingezahlte Summe wurde 1947 von diesem Konto an Z. bezahlt, der unterdessen aus der Internierung in Dänemark nach Kiel gekommen war. In der Folge erhob auch D. Anspruch auf einen Teil des hinterlegt gewesenen Betrages. Es kam darüber zu einem Rechtsstreit zwischen D. und Z. vor dem Amtsgericht in Kiel, der unter dem Aktenzeichen 14 C. 1292/49 geführt wurde. Dieser Prozeß wurde durch einen Vergleich der Parteien jenes Rechtsstreits erledigt, in dem sich Z. verpflichtete, ausser einem bereits an D. gezahlten Betrag von 800,– DM einen weiteren Betrag von 337,87 DM zu zahlen. Damit sollten alle Ansprüche des D. auf den Verkaufserlös für den Omnibus erledigt sein.

Im Lauf der Zeit wurden an dem Autobus verschiedene Reparaturen vorgenommen, unter anderem wurden neue Achsen und ein anderer Motor eingebaut. So lief der Wagen bis zur Währungsreform, dann wurde er aus dem Verkehr gezogen. Anfang des Jahres 1949 wurde in den Werkstätten der Beklagten mit der vollständigen Umgestaltung des Omnibusses begonnen. In mehr als einjähriger Arbeit wurde er zu einem Luxusomnibus umgebaut, insbesondere erhielt er eine vollständig neue Karosserie. An Stelle des ursprünglichen Anhängers will die Beklagte einen anderen Anhänger erworben haben.

Die Parteien streiten um das Eigentum an dem genannten Omnibus. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Herausgabe des Omnibusses und eines Anhängers, hilfsweise Wertersatz. Der Kaufmann Kurt L. ist dem Rechtsstreit als Nebenintervenient auf der Seite der Beklagten beigetreten.

Die Klägerin hat zunächst durch den Gesellschafter D. gegen den erklärten Willen Z. Klage erhoben mit dem Antrag,

  • die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, den Büssing NAG Omnibus, Fahrgestell Nr. 93099, Motor-Nr. 96501 und den Omnibus-Anhänger Marke Käsbohrer, Fahrgestell Nr. 21732, herauszugeben,
  • hilfsweise, den für den Anhänger erlangten Anhänger herauszugeben, notfalls dafür 18.560,– DM zu zahlen.

Die Beklagte hat um Klagabweisung gebeten. Außer sachlich-rechtlichen Einwendungen gegen den Klaganspruch hat sie vorgetragen, die Klägerin sei in dem Rechtsstreit nicht ordnungsgemäß vertreten.

Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Hauptantrag der Klage verurteilt. Gegen dieses Urteil hat zunächst die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt hat. Die Klägerin hat in erster Linie um Zurückweisung der Berufung gebeten, sich dieser jedoch im Laufe des Berufungsverfahrens mit folgendem Hilfsantrag angeschlossen,

das angefochtene Urteil zu ändern und hilfsweise festzustellen, daß sie, die Klägerin, Miteigentümerin zur Hälfte an dem Autobus ist, weiter hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 20.000,– DM nebst 5 % Zinsen seit Klagzustellung zu zahlen, zunächst aber diesen Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären und die Sache zur Verhandlung über die Höhe an das Landgericht zurückzuverweisen.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung und die Anschlussberufung das landgerichtliche Urteil geändert und unter Abweisung der Klage im übrigen die Beklagte verurteilt, an die Klägerin den Betrag von 5.152,– DM nebst 5 % Zinsen seit dem 20. Mai 1952 zu zahlen.

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. Beide Parteien haben Revision eingelegt. Die Beklagte hat die vollständige Abweisung der Klage und die Zurückweisung der Revision der Klägerin beantragt. Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Revision der Beklagten zurückzuweisen,
  2. auf die Revision der Klägerin das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 4.500,– DM nebst 5 % Zinsen seit dem 20. Mai 1952 zu zahlen.
 

Entscheidungsgründe

I. Da die Klage ausdrücklich im Namen der Klägerin als offener Handelsgesellschaft erhoben worden ist, und über deren Parteirolle irgendwelche Zweifel nicht hervorgetreten sind, ist davon auszugehen, daß nur die offene. Handelsgesellschaft in der Firma Autobusverkehr Z. & Co Partei ist und nicht alle oder einige ihrer Gesellschafter persönlich. Die von der Revision in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Erwägungen, daß Kläger der persönlich haftende Gesellschafter D. sei, sind schon im Ansatzpunkt fehlsam.

II. 1. Mit Recht hat daher der Berufungsrichter nur geprüft, ob die Gesellschaft in dem hier anhängigen Rechtsstreit ordnungsgemäß vertreten ist. Er hält den Gesellschafter D. für berechtigt, die Klägerin in dem vorliegenden Rechtsstreit allein zu vertreten. Er führt hierzu zunächst aus, aus dem Gesetz und dem Gesellschaftsvertrage ergebe sich eine solche Vertretungsmacht nicht. Eine Gefahr im Verzuge liege nicht vor, wenn der eine der beiden gesamtvertretungsberechtigten Gesellschafter dem anderen die Zustimmung verweigere. Deshalb könne D. seine Befugnis, im Prozess namens der Klägerin zu handeln, nicht auf die Bestimmung des Gesellschaftsvertrags stützen, wonach grundsätzlich die Klägerin durch zwei Gesellschafter, bei Gefahr im Verzug aber nur durch einen Gesellschafter, vertreten werde.

Insoweit sind rechtliche Bedenken gegen das Ergebnis, zu dem der Berufungsrichter kommt, nicht zu erheben.

Die Gesellschafter der Klägerin haben im § 6 des Gesellschaftsvertrags die Vertretung der Gesellschaft in der Weise geregelt, daß abweichend von dem Grundsatz des § 125 Abs. 1 HGB an sich Gesamtvertretung herrschen soll – was nach § 125 Abs. 2 HGB statthaft ist –, daß aber bei Gefahr im Verzuge der einzelne geschäftsführende Gesellschafter Alleinvertretungsbefugnis besitzen soll. Es ist zweifelhaft, ob die letztere Bestimmung vereinbar ist mit der Vorschrift des § 125 HGB, die nach allgemeiner Meinung die Möglichkeiten, die Vertretung einer offenen Handelsgesellschaft zu ordnen, erschöpfend regelt. Die Frage kann indessen hier auf sich beruhen; denn das Berufungsgericht hat den § 6 des Gesellschaftsvertrages ohne Rechtsverstoß dahin ausgelegt, daß im vorliegenden Falle einer Alleinvertretung eines Gesellschafters nach der erwähnten Vertragsbestimmung nicht in Betracht kommt. Das Berufungsgericht faßt die Schlußvorschrift des § 6 des Vertrages dahin auf, daß nach dieser Bestimmung einem Gesellschafter ein Recht, die Gesellschaft allein zu vertreten, nur in den Fällen gegeben sein soll, in deren der Gesellschaft ein Schaden droht, dem sofort begegnet werden muß, bevor noch der andere Gesellschafter befragt werden kann. Nur unter dieser Voraussetzung liege „eine Gefahr im Verzuge” im Sinne des § 6 des Vertrages vor, so meint der Berufungsrichter. An dieser Voraussetzung fehle es aber, wenn, wie hier, der zur Vertretung mitberufene Gesellschafter befragt worden sei und auf die Frage seine Zustimmung verweigert habe. Diese Auslegung des Begriffs „Gefahr im Verzuge” im § 6 des Vertrages entspricht der Auslegung, die die Rechtsprechung und die Rechtslehre dem gleichen Begriff „Gefahr im Verzuge” in der Vorschrift des § 115 Abs. 2 HGB allgemein geben (Gessler-Hefermehl HGB 2. Aufl § 115 Anm 15 S 616; Weipert in RGRK z HGB 2. Aufl § 115 Anm 7 S 117). Wenn im Gesellschaftsvertrage bestimmt ist, daß die Gesellschafter, denen die Geschäftsführung zusteht, nur zusammen handeln können, so bedarf es nach der Vorschrift des § 115 Abs 2 aaO für jedes Geschäft der Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter, es sei denn, daß Gefahr im Verzug ist. Die Bestimmung wird aber, wie bereits angedeutet, allgemein dahin verstanden, daß, wenn ein zur Geschäftsführung mitberufener Gesellschafter die Zustimmung verweigert hat, das Geschäft unterbleiben muß. § 115 Abs 2 HGB betrifft allerdings nur die Geschäftsführung und nicht die streng von ihr zu scheidende Vertretung (Gessler-Hefermehl aaO § 114 Anm 2 S 608). An sich ist es zwar nicht notwendig, die erwähnte Klausel im § 6 des Gesellschaftsvertrages ebenso auszulegen wie die Vorschrift des § 115 Abs 2 HGB. Die Parteien haben indessen hier keine Tatsachen vorgetragen, die es erforderten, die Worte „Gefahr im Verzug” im § 6 des Vertrages in einem von § 115 Abs 2 HGB abweichenden weitergehenden Sinne zu verstehen. Deshalb ist davon auszugehen, daß die Parteien, wenn sie dem gesetzlichen Begriff „Gefahr im Verzuge” in ihrem von einem Notar beurkundeten Gesellschaftsvertrage aufnahmen, ihn in dem Sinne verstanden wissen wollten, wie er im § 115 Abs. 2 HGB nach anerkannter Rechtsauffassung ausgelegt wird. Dann ist aber aus dieser Vertragsklausel nicht mehr zu entnehmen, als daß Vorsorge für den Fall geschaffen werden soll, daß ein Geschäft bei drohender Gefahr wegen der Unmöglichkeit, die Zustimmung eines Mitgesellschafters zu erlangen, nicht unterbleiben müsse, nicht aber dafür, die Vornahme des Geschäfts trotz des Widerspruchs eines mitvertretungsberechtigten Gesellschafters zu ermöglichen. Daher ist der von dem Berufungsrichter vorgenommenen Auslegung zuzustimmen.

2. Der Berufungsrichter ist jedoch übereinstimmend mit dem Landgericht der Ansicht, die Vertretungsbefugnis des Gesellschafters D. ergebe sich für den vorliegenden Rechtsstreit aus § 744 Abs 2 BGB. Nach dieser Bestimmung, die zu den für die Gemeinschaft nach §§ 741 ff BGB gegebenen Rechtsvorschriften gehört, kann jeder Teilhaber die zur Erhaltung des (gemeinschaftlichen) Gegenstandes notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilhaber er hat einen (klagbaren) Anspruch darauf, daß diese ihre Einwilligung zu einer solchen Maßregel im voraus erteilen. Es ist allgemein anerkannt, daß diese Vorschrift ergänzend für das Recht der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff anzuwenden ist (RGZ 112, 361 f [367]; Oertmann Recht d. Schuldverh. 5. Aufl § 709 Anm 2 a.E.; Staudinger BGB 10. Aufl § 709 Anm 8; Planck 4. Aufl § 744 Anm 4; RGR 10. Aufl § 709 Anm 2; Geiler bei Dühringer-Hachenburg HGB Bd II Teil 1 Anm 107 a.E. auf S 136; Enneccerus-Lehmann Schuldrecht 13. Bearb § 178 A I 1). Des weiteren ist anerkannten Rechtes, daß § 744 Abs 2 BGB auch für die … offene Handelsgesellschaft gilt, daß also die Vorschriften über die Geschäftsführung (§§ 114 bis 117) die Anwendung des § 744 Abs 2 BGB nicht ausschließen (Weipert aaO § 115 Anm 7; Gessler-Hefermehl aaO § 115 Anm 4; Weipert aaO § 115 Anm 22; Dühringer-Hachenburg aaO Bd II, 2 § 115 Anm 5 S 546; Hueck, Offene Handelsgesellschaft 2. Aufl S 77; Baumbach-Duden 17. Aufl HGB § 115 Anm 2 C d S 397; Gogos, Die Geschäftsführung der Offenen Handelsgesellschaft 1953 S 8 ff). Für die offene Handelsgesellschaft ist daraus der Schluß gezogen worden, daß die sich aus der Anwendung des § 744 Abs 2 BGB ergebende Befugnis des Gesellschafters auch dem von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter zustehe (Weipert aaO § 115 Anm 22; Hueck aaO), und daß das Widerspruchsrecht nach § 115 Abs 1 HGB dann ausgeschlossen ist, wenn es sich um ein Geschäft handele, das zur Erhaltung eines zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Gegenstandes oder der Gesellschaft selbst notwendig sei (Weipert aaO § 115 Anm 7; Hueck aaO S 77).

3. Nach alledem ist bedenkenfrei davon auszugehen, daß § 744 Abs 2 BGB auch dem Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft das Recht gibt, notwendige Maßnahmen auch ohne Zustimmung oder gegen den Widerspruch der übrigen Gesellschafter vorzunehmen. Damit ist dem Gesellschafter jedoch entgegen der eingehenden Darlegungen des Berufungsrichters nicht auch das Recht eingeräumt, im Namen der Gesellschaft Rechtsgeschäfte vorzunehmen oder Klage zu erheben. Hier kann der Gesellschafter stets nur in eigenem Namen handeln. Das ergibt sieh aus folgenden Erwägungen.

a) Aus dem Wortlaut des § 744 Abs 2 BGB lässt sich für die Entscheidung der Frage nichts entnehmen. Jedoch lässt sich Wesentliches aus dem Zusammenhang der Vorschriften über das Gemeinschaftsrecht gewinnen. Hier ist zunächst zu beachten, daß bei der (schlichten) Gemeinschaft des bürgerlichen Rechts (§ 741 BGB) dem einzelnen Teilhaber grundsätzlich ein Recht zur Vertretung der übrigen Teilhaber nicht eingeräumt ist. Jeder Teilhaber kann nur eigenen Namens handeln, ihm steht ein Verfügungsrecht nur bezüglich seines Anteils an dem gemeinschaftlichen Gegenstand zu, zur Verfügung über den gemeinschaftlichen Gegenstand als solchen sind nur alle Teilhaber zusammen berechtigt (§ 747 BGB). Zur Geltendmachung von Ansprüchen, die aus dem gemeinsamen Recht erwachsen, sind grundsätzlich nur alle Teilhaber berechtigt (Enneccerus-Lehmann aaO § 184, 3), sofern nicht die Vorschrift des § 1011 BGB für Ansprüche aus dem Eigentum anzuwenden ist. Für alle Teilhaber kann der einzelne nur handeln und klagen, wenn er die Zustimmung der anderen hat. Mit zu diesem Zweck wird ihm in § 744 Abs 2 Satz 2 aaO ein klagbarer Anspruch auf vorherige Zustimmung zu der zu treffenden notwendigen Maßnahme eingeräumt. Diese Zustimmung soll einerseits den Streit unter den Teilhabern ausräumen, ob die Maßnahme notwendig sei, andererseits aber auch dem Teilhaber die durch das Gesetz nicht unmittelbar eingeräumte Vertretungsmacht erst verschaffen. Daß dies der Zweck der Vorschrift sei, ist auch die Ansicht von Oertmann, der aaO in Anm 2 a zu § 744 ausführt, der Anspruch habe namentlich Bedeutung, um dem Teilhaber die nötige Vertretungsmacht zu verschaffen, wenn die Erhaltungsmaßregel mit dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts verbunden sei. Den gleichen Standpunkt nehmen Staudinger aaO § 744 Anm 5; Crome, Deutsches Bürgerliches Recht Bd 2 S 810 Note 461; v. Tuhr, Festschrift für Laband 1908, Seite 46 Anm 2 und Würdinger, Gesellschaft I. Teil, Recht der Personalgesellschaft 1937 Seite 14 ein. Dies ist auch die Meinung des RGRK in § 744 Anm 3. Mißverständlich ist es, wenn Palandt BGB § 744 Anm 2 unter Bezugnahme auf Oertmann aaO ausführt, die (von ihm mißbilligte) herrschende Meinung gehe dahin, daß in den Fällen des § 744 Abs. 2 BGB der Teilhaber im Namen der übrigen Teilhaber handele. Dies kann er, wie dargetan ist, nach dieser nur, wenn er vorher sich der Zustimmung der übrigen Teilhaber möglicherweise im Wege der Klage versichert hat. Auch das Reichsgericht hat demgemäss in RGZ 76, 298 [299] nur ausgesprochen, daß zum Zwecke der Erhaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes auch der einzelne Teilhaber für sich als Prozeßpartei auftreten könne und insoweit zu Verfügungshandlungen berechtigt sei.

b) Es besteht kein ersichtlicher Grund dafür, für die Personalgesellschaft des Handelsrechts weitergehend ein Vertretungs- und Prozeßführungsrecht des einzelnen Gesellschafters für die ganze Gesellschaft anzunehmen, überwiegende Gründe sprechen sogar dagegen. Zu Unrecht zieht der Berufungsrichter die Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 112, 361 für den von ihm angenommen Standpunkt an. In diesem Fall war eine Klage von einer offenen Handelsgesellschaft erhoben worden. Der mit dieser Klage geltend gemachte Anspruch war auf Unterlassung von Handlungen gerichtet, durch die nach Ansicht der Klägerin ein Patent verletzt wurde. Weder dieses Patent noch der geltend gemachte Anspruch gehörten zu dem Vermögen der klagenden Handelsgesellschaft. Es war vielmehr durch drei Personen von dem Beklagten erworben worden, zwei dieser Patentberechtigten waren zu der klagenden offenen Handelsgesellschaft zusammengeschlossen. Fraglich war rechtlich, ob die Patentinhaber eine Gemeinschaft nach § 741 oder eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft nach § 709 BGB bildeten. Das Reichsgericht hält die Entscheidung dieser Frage für unerheblich. Denn auch in dem letztgenannten Falle beruht nach seiner Meinung das Klagerecht der Klägerin auf der entsprechenden Anwendung des § 744 Abs 2 BGB. Hieraus ergibt sich, daß es sich in diesem Fall nicht um die. Klage eines Gesellschafters namens der anderen Gesellschafter oder Teilhaber handelte, sondern um eine solche, in der zwei in der Handelsgesellschaft zusammengeschlossene Teilhaber bezw. bürgerlich-rechtliche Gesellschafter eigenen Namens zum Zwecke der Erhaltung des ihnen nicht allein gehörigen Rechts Klage erhoben.

Wie der Berufungsrichter auch nicht verkennt, steht die herrschende Meinung auf dem Standpunkt, daß die Vertretung der offenen Handelsgesellschaft in den §§ 125 bis 127 HGB erschöpfend geregelt sei und daß daher namens der offenen Handelsgesellschaft nur durch die zu ihrer Vertretung berechtigten Gesellschafter Klage erhoben werden könne (Staub HGB 14. Aufl § 124 Anm 9 und Anm 39; Weipert aaO § 124 Anm 10; Gessler-Hefermehl aaO § 124 Anm 11; Hueck aaO S 180; aus der prozessrechtlichen Literatur: Hellwig, Anspruch und Klagerecht S 225; Rosenberg Lehrb d ZPR 6. Aufl § 42 II 3; Stein-Jonas-Schönke § 50 Bem II 5). Auch für Ausnahmefälle ist keine Ausnahme zu machen. So führt Weipert aaO § 115 Anm 25 aus, daß die Vorschriften des § 115 Abs 2 nur für den Fall der Geschäftsführung gelten, nicht aber für die Vertretung.

c) Der herrschenden Meinung ist zum mindesten für die offene Handelsgesellschaft beizutreten, und zwar auch für den Fall, daß die Prozeßführung zur Erhaltung eines zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Gegenstandes notwendig sein sollte. Die offene Handelsgesellschaft ist in aller Regel wie auch im vorliegenden Fall eine Gemeinschaft, bei der die Geschäftsführung und die Vertretung besonderen Organen übertragen sind. Damit wird der Wille der Gesellschafter zum Ausdruck gebracht, daß nur diese Organe unter Ausschluss der von der Geschäftsführung und der Vertretung ausgeschlossenen Gesellschafter für die Gesellschaft handeln sollen, die im Rechtsverkehr insbesondere aber auch im Prozess (§ 124 HGB) als geschlossene Einheit auftritt. Die offene Handelsgesellschaft ist, worauf in RGZ 86, 66 [69] hingewiesen wird, gerade mit Rücksicht auf den Geschäftsverkehr im Interesse der Rechtssicherheit besonders straff organisiert. Die Regelung der Vertretung ist, soweit das Gesetz nichts anderes ergibt, zwingend, weil das Interesse der Verkehrssicherheit gewahrt werden muß. Sie kann deswegen auch nicht durch Hereinziehung anderer allgemeiner Rechte durchbrochen werden. Auch wenn daher der Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft abweichend von der Regel (RGZ 86, 66; JW 1929, 1373 Nr 9; JW 1935, 3296 Nr 5) unter der Voraussetzung des § 744 Abs 2 BGB das Recht hat, Klage auf Leistung an die Gesellschaft zu erheben, dann kann es von ihm nur eigenen Namens geltend gemacht werden. Dies ist auch zweckentsprechend. Die Frage, ob die Klage zur Erhaltung des Gegenstandes oder der Gesellschaft selbst notwendig sei, ist in vielen Fällen streitig und zweifelhaft, zu ihrer Entscheidung muß dann der Richter angerufen werden. Sie berührt vornehmlich das Verhältnis der Gesellschafter untereinander insofern, als sich aus ihrer Vornahme oder Unterlassung gegenseitige Ansprüche und Verpflichtungen ergeben können. Bei Würdigung dieser Interessenlage ist es auch angemessen, daß die Frage der Notwendigkeit einer Maßnahme zunächst unter den Gesellschaftern, gegebenenfalls in einem Rechtsstreit,… ausgetragen wird. Wollte man mit dem Berufungsrichter da, wo es sich um notwendige Maßnahmen handelt, die Klage des sonst nicht allein vertretungsberechtigten oder von der Vertretung ausgeschlossenen Gesellschafters im Namen der Gesellschaft zulassen; so hätten die Gesellschafter, die mit der Klage und der Durchführung des Prozesses nicht einverstanden sind, keine Möglichkeit, zu der Frage der Notwendigkeit der Klage gehört zu werden und zu dieser Frage Behauptungen vorzubringen oder Beweise zu erbieten. Ihre Rechte würden präjudiziert, wenn man die Notwendigkeit der Klageerhebung nur zum Gegenstand der Erörterung in dem Rechtsstreit der Gesellschaft mit dem Dritten entscheiden würde. Es hat daher einen guten Sinn und ist nicht ein überflüssiger, einen unnötigen Rechtsstreit veranlassender Umweg, wenn man in derartigen Fällen, den namens der Gesellschaft handelnden Gesellschafter nötigt, die Frage der Notwendigkeit der Klagerhebung erst unter den Gesellschaftern zu klären. Ohne vorherige Zustimmung der am Prozeß beteiligten, vertretungsberechtigten Gesellschafter kann daher Klage namens der offenen Handelsgesellschaft nicht erhoben werden.

4. Der Berufungsrichter hat auch geprüft, ob als Grundlage für die „Aktivlegitimation” des Gesellschafters Drews Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinne der §§ 677 ff BGB in Betracht komme. Er hat die Entscheidung dahingestellt gelassen, weil es auf sie von seinem Standpunkt aus nicht ankam, während sie jetzt wesentlich ist. Die Frage ist zu verneinen. Ob die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag überhaupt einen Fall wie den vorliegenden treffen (vgl Gogos aaO S 8), kann dahinstehen. Sie gewähren dem Geschäftsführer niemals ein Recht, im Namen des Geschäftsherrn mit der Wirkung zu handeln, daß dieser ohne seine Zustimmung zu dem Geschäft berechtigt oder verpflichtet wird. Dies hat der Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 8. Juli 1953 VI ZR 241/52 (LM Nr 2 zu § 683 BGB) in Ablehnung der gegenteiligen Meinung von Baur in JZ 1952, 328 zutreffend ausgeführt (vgl auch das Urteil vom 9. Februar 1951 V ZR 1/50 bei LM Nr 1 zu § 177 = JZ 1951, 268 = MDR 1951, 280 = NJW 1951, 398).

5. Die Klage muß daher, soweit über sie infolge der durch die Parteien eingelegten Revisionen in diesem Rechtszug zu entscheiden ist, angebrachtermaßen abgewiesen werden, da die Klägerin durch den Gesellschafter Drews im Rechtsstreit nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten ist. In diesem Umfang ist das Urteil des Berufungsgerichts auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Revision der Klägerin ist mit der im Tenor ausgesprochenen Maßgabe zurückzuweisen. Die Kosten sind dem Gesellschafter Drews aufzuerlegen, da er zur Vertretung der Klägerin nicht befugt ist (RGZ 66, 37 [39]; RG bei Gruch 46, 1170; Gruch 49, 664; JW 1918, 361 ff; Rosenberg Lehrb d ZPR 6. Aufl § 49 II 4 d [S 211]; Jaeger, Festgabe der Leipz. Juristenfakultät 1915 S 28 a.A. Stein-Jonas-Schönke ZPO § 56 Anm IV 2, § 91 Anm V).

 

Unterschriften

Schmidt, Ascher, Raske, Kregel, v. Werner

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 04.05.1955 durch Schorm, Justizangest. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BGHZ, 181

NJW 1955, 1027

Nachschlagewerk BGH

MDR 1955, 468

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge