Leitsatz (amtlich)
Wird per Telefax zulässigerweise Berufung eingelegt und innerhalb der Berufungsfrist auch das Original des Schriftsatzes bei Gericht eingereicht, dann liegt mangels abweichender Anhaltspunkte eine mehrfache Berufungseinlegung mit der Folge vor, daß die zunächst wirkungslose zweite Einlegung wirksam wird, wenn die per Telefax eingelegte Berufung ihre Wirksamkeit verliert.
Normenkette
ZPO § 518 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Beschluss vom 24.05.1993) |
LG Aschaffenburg |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 24. Mai 1993 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Die Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 21. Oktober 1992 zur Zahlung von 84.553,62 DM nebst Zinsen verurteilt worden. Gegen die ihr am 4. November 1992 zugestellte Entscheidung hat sie Berufung eingelegt; am 12. November 1992 ist die Berufungsschrift ihrer Prozeßbevollmächtigten per Telefax und am 16. November 1992 das Original des Schriftsatzes per Post bei dem Berufungsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründungsschrift ist per Telefax am 15. Dezember 1992 übermittelt worden.
Zugleich mit der Terminsbestimmung hat der Vorsitzende des Berufungszivilsenats am 11. Februar 1993 die Parteien darauf hingewiesen, daß die Berufung der Beklagten am 12. November 1992 eingegangen, aber erst am 15. Dezember 1992 begründet worden sei. Mit Schriftsatz vom 29. März 1993 hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, im Rahmen des Wiedereinsetzungsverfahrens aber die Auffassung vertreten, eine Versäumung der Berufungsbegründungsfrist habe gar nicht vorgelegen, weil ihr am 15. Dezember 1992 eingegangener Schriftsatz, bezogen auf die – zweite – Berufungseinlegung vom 16. November 1992, fristwahrend gewesen sei.
Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht die begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Berufung der Beklagten verworfen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß die Beklagte mit dem am 15. Dezember 1992 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz die Berufungsbegründungsfrist versäumt habe; einer Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch bedurfte es deswegen nicht.
Das Berufungsgericht hat gemeint, mit der per Telefax und wenige Tage später im Original eingereichten Berufungsschrift habe die Beklagte nur einmal, nämlich am 12. November 1992 Berufung eingelegt; angesichts des identischen Wortlauts könnten die Erklärungen nur als einheitliches Rechtsmittel gedacht gewesen sein. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit Recht.
Zutreffend ist zwar die Meinung des Berufungsgerichts, es liege nur ein einheitliches Rechtsmittel vor (st. Rspr. vgl. BGH, Urt. v. 28. März 1985 – VII ZR 317/84, NJW 1985, 2480 m.w.N.); mit dieser Begründung kann jedoch nicht die Frage verneint werden, ob diese einheitliche Berufung mehrfach, hier nämlich am 12. und 16. November 1992 eingelegt worden ist. Nicht tragfähig ist auch der von dem Berufungsgericht in den Vordergrund gestellte Umstand, daß der mehrfach eingereichte Berufungsschriftsatz in Wortlaut und Schriftbild identisch ist. Denn eine zulässige Rechtsmitteleinlegung liegt auch dann vor, wenn zwar nicht das Original, wohl aber die gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes unterzeichnet ist oder wenn der Prozeßbevollmächtigte zur Behebung eines Formmangels eine unterschriebene Durchschrift des Originals bei Gericht einreicht (vgl. BGHZ 24, 179, 180). Entscheidend ist allein, ob sich dem prozessualen Verhalten des Rechtsmittelführers entnehmen läßt, daß er das Rechtsmittel wiederholt hat einlegen wollen.
Dies ist bei Fallgestaltungen, wie sie hier vorliegen, zu bejahen. Es entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, daß bestimmende Schriftsätze wie die Rechtsmitteleinlegung und -begründung grundsätzlich auch im Telefax-Verkehr dem zuständigen Gericht übermittelt werden können (BGH, Beschl. v. 6. Oktober 1988 – VII ZB 17/88, NJW 1989, 589; Beschl. v. 28. September 1989 – VII ZB 9/89, LM § 233 (Fd) ZPO Nr. 46; Beschl. v. 11. Oktober 1989 – IVa ZB 7/89, LM § 518 Abs. 1 ZPO Nr. 25; Urt. v. 2. Oktober 1991 – IV ZR 68/91, LM § 233 (Gd) ZPO Nr. 11; ferner Zöller/Greger, 18. Aufl. § 130 Rdn. 9; Thomas/Putzo, 18. Aufl. § 129 Rdn. 13 und § 233 Rdn. 51; Ebnet NJW 1992, 2985). Erforderlich ist dabei, daß die Vorlage des per Telefax dem Gericht ohne Einschaltung eines privaten Zwischenempfängers übermittelten Schriftstücks von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben worden ist und dessen Unterschrift auf der bei dem Gericht eingehenden Kopie wiedergegeben wird (BGH, Beschl. v. 11. Oktober 1989 a.a.O. m.w.N.; Zöller/Greger a.a.O. § 130 Rdn. 9). Weitere Anforderungen, etwa eine Bestätigung der Telefaxübermittlung auf traditionellem Weg werden nicht gestellt.
Ist danach die Wirksamkeit der per Telefax eingelegten Berufung nicht davon abhängig, daß anschließend noch das Original des Schriftsatzes bei Gericht eingereicht wird, so ist die zusätzliche Einreichung der Berufungsschrift durch Niederlegung auf der Geschäftsstelle oder per Brief mangels abweichender Anhaltspunkte dahin zu verstehen, daß der Rechtsmittelführer den bekannten Unsicherheiten (vgl. BGH, Urt. v. 2. Oktober 1991, LM a.a.O.) der fernmeldetechnischen Übermittlung seines Schriftsatzes Rechnung tragen und vorsorglich das Rechtsmittel erneut einlegen will.
Dementsprechend gelten die in der Rechtsprechung entwickelten Regeln über die wiederholte Rechtsmitteleinlegung (BGHZ 24, 179, 180 f.; BGHZ 45, 380, 383; BGHZ 72, 1, 5; Urt. v. 28. März 1985 – VII ZR 317/84, NJW 1985, 2480; Zöller/Schneider, 18. Aufl. ZPO § 518 Rdn. 3 m.w.N.; Pantle NJW 1988, 2773). Danach handelt es sich um ein einheitliches Rechtsmittel, über dessen Zulässigkeit nur unter Berücksichtigung der mehreren, in ihrer Wirksamkeit voneinander abhängigen Einlegungsakte entschieden werden kann. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die wiederholte Berufungseinlegung der Beklagten vom 16. November 1992 solange wirkungslos blieb, bis die am 12. November 1992 per Telefax bewirkte Rechtsmitteleinlegung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ihre Wirkung verlor, daß der Einlegungsakt vom 16. November 1992 von diesem Zeitpunkt aber selbständige Bedeutung gewann, weil der formgerechte Schriftsatz dem Berufungsgericht lange vor Ablauf der bis zum 4. Dezember 1992 laufenden Berufungsfrist zugegangen war. Bezogen auf diesen Zeitpunkt der wiederholten Berufungseinlegung ist die Frist für die Einreichung der Berufungsbegründung gewahrt.
Zur weiteren Durchführung des Berufungsverfahrens ist die Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens überlassen wird, zurückzuverweisen.
Beschwerdewert: 84.553,62 DM
Unterschriften
Boujong, Dr. Hesselberger, Röhricht, Stodolkowitz, Dr. Goette
Fundstellen
BB 1993, 2408 |
NJW 1993, 3141 |
Nachschlagewerk BGH |