Leitsatz (amtlich)

Bei der Bewertung eines Grundstücks im Wege des Ertragswertverfahrens nach §§ 78 bis 82 BewG 1965 sind Zuschläge zur Jahresrohmiete für die von den Mietern übernommenen Kosten der Schönheitsreparaturen entgegen der Anweisung in Abschn. 22 Abs. 2 BewRGr nicht in der Höhe zu machen, die sich bei Anwendung der dort angegebenen, für die einzelnen Grundstücksarten verschieden hohen Hundertsätze auf die gesamte Jahresrohmiete ergibt. Diese Hundertsätze sind vielmehr auf die Teile der Jahresrohmiete, die auf gewerblich oder öffentlich genutzte Räume und auf zu Wohnzwecken genutzte Räume entfallen, getrennt anzuwenden, und zwar mit 3 v. H. für gewerblich oder öffentlich genutzte Räume und mit 5 v. H. für zu Wohnzwecken genutzte Räume.

 

Normenkette

BewRGr Abschn. 22 Abs. 3, 2; BewG 1965 §§ 82, 81, 80, 79, 78

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eigentümer eines bebauten Grundstücks in Berlin. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hatte bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 dieses Grundstück als Geschäftsgrundstück zunächst mit dem Mindestwert des Grund und Boden bewertet. Auf den Einspruch der Kläger bewertete das FA das Grundstück im Ertragswertverfahren. Auf erneuten Einspruch stellte es den Einheitswert auf 672 500 DM fest. Dabei ging das FA von einer Jahresrohmiete von insgesamt 121 026 DM aus, von der 24 120 DM auf Wohnzwecke und 96 906 DM auf fremdgewerbliche Zwecke entfielen. Zu den Mieten für fremdgewerbliche Zwecke und zu einem Teil der Mieten für Mietwohnzwecke in Höhe von 22 975 DM hatte es einen Zuschlag von 3 v. H. für von den Mietern übernommene Kosten für Schönheitsreparaturen gemacht. Nach dem Verhältnis der Jahresrohmiete entfielen dann auf die gewerblich genutzten Räume 80,07 v. H. Das FA bewertete das Grundstück deshalb als Geschäftsgrundstück, wandte auf die Jahresrohmiete einen Vervielfältiger von 7,4 an, machte auf den Gebäudewertanteil einen Abschlag von 10 v. H. für behebbare Baumängel und Bauschäden und gewährte die Berlin-Ermäßigung von 20 v. H. Die Klage, mit der die Kläger eine Bewertung des Grundstücks als gemischtgenutztes Grundstück, die Berücksichtigung des nicht ausgebauten Kellergeschoßteils als Wertminderung tatsächlicher Art und die Minderung der Jahresrohmiete um die Kosten für den übermäßig hohen Wasserverbrauch bei den an Pensionsbetriebe vermieteten Räumen beantragte, wurde abgewiesen.

Die Kläger beantragen mit der Revision, unter Aufhebung des Urteils des FG und der Einspruchsentscheidung des FA den Einheitswert in der Höhe festzustellen, wie es bereits mit der Klage beantragt sei. Es wird unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Der vom FG hervorgehobene Umstand, daß die mit den Pensionsbetrieben vereinbarte Miete deutlich unter dem Mietpreis für die anderen gewerblich genutzten Räume liege, sei darauf zurückzuführen, daß die Verwendung der früheren Großwohnungen zu Pensionszwecken wegen der Größenordnung der einzelnen Räume nur beschränkt möglich sei. Wenn die Kläger zu den deshalb verminderten Mieten auch noch den Zu- und Abfluß des Wassers bei Vorhandensein von Wasserbecken in jedem Pensionszimmer sowie bei der außergewöhnlichen Inanspruchnahme der Badeeinrichtungen durch die Pensionsgäste in voller Höhe bezahlen müßten, sei die beantragte Minderung der Jahresrohmiete gerechtfertigt. Es sei auch gerechtfertigt, das Grundstück als gemischtgenutztes Grundstück zu bewerten. Ursprünglich sei es in den Jahren 1904 bis 1905 mit einem fünfgeschossigen Wohnhaus bebaut worden. Die Großwohnungen hätten nach dem ersten Weltkrieg nicht mehr vermietet werden können. Deshalb seien die Großwohnungen zu einem Teil in den Jahren 1928 bis 1930 in Ein- bis Dreizimmerwohnungen umgebaut worden. Ein weiterer Umbau der Großwohnungen haben wegen der enormen Umbaukosten nicht durchgeführt werden können. Die Vermietung zu gewerblichen Zwecken sei eine reine Notlösung gewesen. Es sei schließlich nichts anderes übrig geblieben, als drei Großwohnungen für die Einrichtung von Pensionsbetrieben zu vermieten. Aber auch diese Mieter hätten eingewandt, daß die Räume mit einer Nutzfläche von 40 qm für eine Vermietung an Pensionsgäste denkbar ungeeignet seien. Diese Vorgeschichte sowie die Tatsache, daß die 80 v. H.-Grenze nur ganz geringfügig überschritten worden sei, spreche - sei es aus Billigkeitsgründen oder aus Gründen der wirtschaftlichen Vernunft - für die weitere Anerkennung des Grundstücks als gemischtgenutztes Grundstück, wie es trotz der Veränderung in der Ertragslage bisher immer geschehen sei. Zum Abschlag wegen der fehlenden Unterkellerung sei zu bemerken, daß 192 qm Kellerfläche der bebauten Wohnhausfläche von 1 040 qm nicht ausgebaut worden seien. Ein nachträglicher Ausbau sei unmöglich, auch wegen der enormen Kosten nicht zumutbar. Durch einen Ausbau könne auch die Kellerfläche nicht zu gewerblichen Zwecken vermietet werden, weil der Hofraum dazu nicht groß genug sei. Für die Höhe der vereinbarten Miete komme es allein auf die Größe der Nutzfläche der Etagenräume an. Auf jeden Fall seien die nicht ausgebauten Kellerflächen eine objektive Wertminderung tatsächlicher Art, die in dem bisher gewährten Abschlag von 10 v. H. des Gebäudewerts nicht berücksichtigt sei. Bautechnische Grundstücksexperten hätten in ihren Kommentaren die nicht ausgebauten Kellerräume als die besonderen Herde für die Entstehung von außergewöhnlichen Hauskrankheiten bezeichnet. Allein um die Beseitigung solcher Herde gehe es im vorliegenden Fall.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält das FG-Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Das FG hat allerdings zu Recht eine Ermäßigung der Jahresrohmiete wegen des übermäßigen Wasserverbrauchs in den an die Pensionsbetriebe vermieteten Räumen abgelehnt. Es ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine solche Ermäßigung nur in Betracht kommen könnte, wenn die vereinbarte Jahresrohmiete tatsächlich ein besonderes Entgelt für den Mehrverbrauch an Wasser enthalten würde. Das ist jedoch, wie der Vertreter der Kläger selbst einräumt, nicht der Fall. Aus seinem Vorbringen in der Revisionsbegründung geht eindeutig hervor, daß die Kläger den erhöhten Wasserverbrauch auf Grund der mit den Pensionsbetrieben geschlossenen Mietverträge nicht von diesen Mietern ersetzt bekommen. Der Umstand, daß die mit den Pensionsbetrieben vereinbarte Jahresrohmiete nach dem Vorbringen des Vertreters der Kläger wegen der für die Zwecke eines Pensionsbetriebs zu großflächigen Räume schon verhältnismäßig gering ist, rechtfertigt keinen Abschlag von der Jahresrohmiete. Denn die Beeinträchtigung des Ertrags ist bereits durch den Ansatz dieser geringeren vereinbarten Miete als Jahresrohmiete berücksichtigt. Die gegenüber der pauschalen Berichtigung in den Vervielfältigern erhöhten Betriebskosten (Wasserverbrauch) rechtfertigen auch nicht eine Ermäßigung nach § 82 des Bewertungsgesetzes 1965 - im folgenden: BewG - (vgl. Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 1. bis 5. Aufl., Anm. 26 a.E. zu § 79 BewG).

2. Das FG hat ferner zu Recht eine Ermäßigung des Gebäudewerts wegen des nicht ausgebauten Teils des Kellergeschosses abgelehnt. Es mag sein, daß sich, wie der Vertreter der Kläger behauptet, der mangelnde Ausbau des Kellergeschosses entgegen der Auffassung des FG nicht auf die Höhe der Jahresrohmiete ausgewirkt hat. Es mag ferner sein, daß die Jahresrohmiete auch nicht bei vollem Ausbau des Kellergeschosses dadurch höher sein könnte, daß das ausgebaute Kellergeschoß zu gewerblichen Zwecken (Lagerräume oder dergl.) benutzt werden könnte, weil eine solche Benutzung wegen der Verkehrslage des Grundstücks ausgeschlossen ist. Denn selbst wenn ein Abschlag nach § 82 Abs. 1 Nr. 2 BewG nicht, wie das FG meint, schon deswegen entfallen würde, weil der Nichtausbau eines Teils des Kellergeschosses schon in der Höhe der Jahresrohmiete berücksichtigt ist, so entfällt ein solcher Abschlag aus einem anderen Grunde. Der Senat ist nämlich der Auffassung, daß der mangelnde Ausbau eines Teils des Kellergeschosses für sich allein noch keinen Baumangel oder Bauschaden i. S. des § 82 Abs. 1 Nr. 2 BewG darstellt. Baumängel beruhen in der Regel auf einer mangelhaften Bauausführung (so auch Gürsching-Stenger, a. a. O., Anm. 6 zu § 82 BewG; Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., Anm. 10 zu § 82 BewG). Von einer mangelnden Bauausführung kann aber nur gesprochen werden, wenn die tatsächliche Bauausführung schlechter ist als die allgemein übliche. An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch, wenn ein Teil des Kellergeschosses nicht ausgebaut wird. Denn es kann nicht als allgemein üblich angesehen werden, daß das Kellergeschoß in vollem Umfang ausgebaut ist. Daran ändert nach Auffassung des Senats auch die Tatsache nichts, daß nach Meinung der vom Vertreter der Kläger angeführten Kommentare bautechnischer Experten nicht ausgebaute Kellergeschosse als die "besonderen Herde für die Entstehung außergewöhnlicher Hauskrankheiten" sind. Treten solche außergewöhnlichen Hauskrankheiten auf, dann handelt es sich um Bauschäden i. S. des § 82 Abs. 1 Nr. 2 BewG. Bauschäden in diesem Sinne treten erst nach Fertigstellung des Gebäudes durch äußere Einwirkungen auf (so auch Gürsching-Stenger, a. a. O., und Rössler-Troll, a. a. O.). Sie können erst nach ihrem Auftreten berücksichtigt werden. Dafür, daß solche Bauschäden bereits am Stichtag eingetreten waren, haben jedoch die Kläger nichts vorgebracht.

3. Das FG hat jedoch zu Unrecht das Grundstück als Geschäftsgrundstück bewertet. Zu der Grundstücksart der Geschäftsgrundstücke i. S. des § 75 Abs. 1 Nr. 2 BewG gehören nach § 75 Abs. 3 BewG Grundstücke, die zu mehr als 80 v. H. eigenen oder fremden gewerblichen Zwecken oder öffentlichen Zwecken dienen. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, richtet sich, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, allein nach den tatsächlichen Verhältnissen vom Bewertungsstichtag. Deshalb liegen die Ausführungen des Vertreters der Kläger über die frühere Benutzung des Gebäudes und über die Notwendigkeit, die früher zu Wohnzwecken benutzten Räume zu gewerblichen Zwecken zu vermieten, neben der Sache. Ob die 80 v. H.-Grenze im Einzelfall überschritten ist, ist, wie sich aus dem Wortlaut des § 75 Abs. 3 BewG ergibt, nach der Jahresrohmiete zu berechnen. Der Hinweis in der Klammer auf § 79 BewG zeigt, daß die Jahresrohmiete i. S. dieser Vorschrift zugrunde zu legen ist. Der Senat ist deshalb der Meinung, daß in diese Jahresrohmiete alles einzubeziehen ist, was nach § 79 Abs. 1 BewG dazugehört. Das sind grundsätzlich auch die Zuschläge für die vom Mieter übernommenen Kosten für Schönheitsreparaturen, deren Einbeziehung in die Jahresrohmiete der Senat in dem Urteil vom 2. Juni 1971 III R 105/70 (BFHE 102, 563, BStBl II 1971, 675) gebilligt hat. Das FA hat deshalb zu Recht die Zuschläge bei der Berechnung der 80 v. H.-Grenze in die Jahresrohmiete einbezogen. Es hat aber nach Auffassung des Senats zu Unrecht auch bei den zu Wohnzwecken vermieteten Räumen den Zuschlag mit einem Pauschsatz von 3 v. H. bemessen. Das entspricht allerdings der Anweisung in Abschn. 22 Abs. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Richtlinien zur Bewertung des Grundvermögens (BewRGr), nach der die Jahresrohmiete "bei Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Mietwohngrundstükken um je 5 v. H., bei gemischtgenutzten Grundstücken um 4 v. H. und bei Geschäftsgrundstücken um 3 v. H. der Jahresrohmiete" zu erhöhen ist. Die BewRGr bemißt die Höhe des Zuschlags also nach der Grundstücksart. Der Senat hält das in Übereinstimmung mit Rössler-Troll (a. a. O., Anm. 11 zu § 79 BewG) für bedenklich. Denn diese als Verwaltungsvereinfachung gedachte Anweisung kann in Grenzfällen wegen der Anwendung eines anderen Vervielfältigers und eines anderen Multiplikators auf den Bodenwertanteil zu erheblichen Wertverschiebungen führen. Diese Bedenken werden auch nicht durch die Anweisung in Abschn. 22 Abs. 3 BewRGr ausgeräumt, daß in Grenzfällen, in denen sich die Grundstücksart durch die Höhe des Zuschlags ändern kann, die Höhe des Zuschlags nach der Grundstücksart bestimmt werden soll, der das Grundstück nach § 75 BewG ohne Berücksichtigung dieses Zuschlags zuzuordnen wäre. Rössler-Troll weisen mit Recht darauf hin, daß die Kosten der Schönheitsreparaturen in einem bestimmten Verhältnis zu der jeweiligen Miete stehen. Man könne den Zuschlag deshalb nicht von der Art des Grundstücks abhängig machen. Entscheidend sei vielmehr die Art der Miete. Der Senat hat zwar in dem Urteil III R 105/70 die Höhe des in den BewRGr angegebenen Zuschlags in Höhe von 5 v. H. gebilligt, weil es sich um einen Erfahrungswert handele, der bei der Berechung der Vervielfältiger berücksichtigt worden sei. Da es sich in dem damals zu entscheidenden Fall um ein Zweifamilienhaus handelte, das nur zu Wohnzwecken vermietet war, brauchte der Senat zu der Frage nicht Stellung zu nehmen, ob die BewRGr bei der Höhe des Zuschlags zu Recht auf die Grundstücksart abstelle. Der Senat hat aber in dem Urteil III R 105/70 ausgeführt, daß er den Zuschlag von 5 v. H. zu der Bruttomiete "bei Mietwohnungen" für gerechtfertigt halte. Damit hat er schon damals angedeutet, daß er die Höhe des Zuschlags nach der Art der Miete bemessen wollte, die sich ihrerseits wieder nach der Art der Nutzung der einzelnen Räume richtet. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch im vorliegenden Fall fest. Er ist der Meinung, daß der Zuschlag für die von den Mietern übernommenen Kosten der Schönheitsreparaturen in der Höhe zu machen ist, die sich für die einzelnen Räume unter Berücksichtigung ihrer Nutzung ergibt, d. h. für Räume, die zu Wohnzwekken genutzt werden, ein Zuschlag von 5 v. H. und für Räume, die zu gewerblichen oder öffentlichen Zwecken genutzt werden, ein Zuschlag von 3 v. H. Denn diese Berechnungsmethode entspricht dem gesetzlichen Begriffder Jahresrohmiete und führt auch nicht zu einer für die Verwaltung untragbaren Erschwerung des Bewertungsverfahrens. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif. Unter Berücksichtigung in der obigen Ausführung ergibt sich folgende Berechnung des Einheitswerts:

Jahresrohmiete für Wohnzwecke 456 DM

für Wohnzwecke, bei denen die Mieter

die Schönheitsreparaturen übernommen

haben 22 975 DM + 5 v. H.

Zuschlag für Schönheitsreparaturen 24 123 DM

für Wohnzwecke insgesamt 24 579 DM

für fremdgewerbliche Zwecke

(einschließlich 3 v. H. Zuschlag für Schönheitsreparaturen) 96 906 DM

insgesamt 121 485 DM.

80 v. H. von 121 485 DM = 97 188 DM,

also liegt die Benutzung zu gewerblichen Zwecken nicht über 80 v. H.; deshalb ist das Grundstück als gemischtgenutztes Grundstück zu bewerten. .....

Der Einheitswert war deshalb unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des FA und unter Abänderung des angefochtenen Einheitswertbescheids für das Grundstück als gemischtgenutztes Grundstück auf 634 700 DM festzustellen.

 

Fundstellen

BStBl II 1974, 670

BFHE 1974, 569

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