Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug von Aufwendungen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse bei Verheirateten mit nur einem Kind
Leitsatz (amtlich)
Auch Verheiratete mit nur einem Kind können Aufwendungen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a EStG als Sonderausgaben dann abziehen, wenn einer der Ehegatten selbst hilfsbedürftig ist.
Normenkette
EStG 1995 § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a, b, § 33c Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine am 14. Dezember 1997 verstorbene Ehefrau, die frühere Klägerin, wurden in den Streitjahren 1992 bis 1995 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte als Notar, Treuhänder und Schriftsteller. Die Ehefrau war bis zur Geburt ihres Kindes (7. August 1992) nichtselbständig tätig. Sie war in den Streitjahren an multipler Sklerose erkrankt. Der am 5. Oktober 1992 ausgestellte Schwerbehindertenausweis wies zunächst einen Grad der Behinderung von 50, Merkzeichen "G", aus und wurde am 21. Oktober 1997 mit Wirkung ab 20. November 1996 auf einen Grad der Behinderung von 80, Merkzeichen "G", "aG", "B" erhöht. Seit 1997 war die Ehefrau in die Pflegestufe II eingeordnet. Über ihr Krankheitsbild liegt eine Bescheinigung des behandelnden Arztes vom 29. Oktober 1997 vor. Danach konnte die Ehefrau eine Reihe täglich anfallender Handlungen seit 1992 immer weniger allein erledigen und war dabei in zunehmendem Maße auf die Unterstützung anderer Personen angewiesen. Ab August 1992 beschäftigten die Eheleute in ihrem Haushalt eine Haushaltshilfe und Kinderfrau zu einem monatlichen Bruttogehalt von 3 100 DM und führten hierfür Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ab. Die Kläger beantragten die Berücksichtigung der Aufwendungen für die Haushaltshilfe als Sonderausgaben nach § 10 Abs. l Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) folgte dem nicht; der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; die Entscheidung ist auszugsweise abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1082. Die vorliegenden Schwerbehindertenausweise, denen eine zumindest hohe Indizwirkung für den tatsächlichen Grad der Hilfsbedürftigkeit zukomme, sprächen dagegen, für die Streitjahre das Tatbestandsmerkmal "hilflos" zu bejahen. Gegen § 10 Abs. l Nr. 8 Buchst. a EStG bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Nachteil, dass bei Alleinerziehenden nur ein und bei Verheirateten zwei Kinder vorausgesetzt würden, werde durch die Vorteile der ehebedingten Steuervergünstigungen wie das Ehegattensplitting und den horizontalen Verlustausgleich mehr als ausgeglichen.
Der Kläger macht ―zugleich als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Ehefrau― mit seiner Revision geltend, das FG habe verfahrensfehlerhaft den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt (§ 76 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Wenn das FG geglaubt habe, aus der Bescheinigung den Grad der Hilfsbedürftigkeit in den einzelnen Streitjahren nicht erkennen zu können, weil dort lediglich eine zunehmende Notwendigkeit der Hilfe festgestellt werde, dann hätte es den Sachverhalt weiter aufklären müssen und durch Zeugeneinvernahme des behandelnden Neurologen und der Haushaltshilfe aufklären müssen. Der Kläger habe die Hilflosigkeit der Ehefrau durch die Bescheinigung für bewiesen gehalten. Das Erfordernis eines Nachweises durch einen Schwerbehindertenausweis gelte nach dem Wortlaut der Ermächtigungsvorschrift des § 33b Abs. 7 EStG nur für die Pauschbeträge des § 33b EStG.
Hilfsweise werde die Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. l Nr. 8 EStG geltend gemacht. Auch wenn der Sonderausgabenabzug eine arbeitsmarktpolitische, sowie sozial- und familienpolitische Zwecke verfolgende Subvention sei, bleibe der Gesetzgeber an das Gebot der Gleichbehandlung gebunden. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Aufwendungen würde der Kläger benachteiligt:
- Es gebe keine die ungleiche Behandlung rechtfertigende Unterschiede zwischen einem Ehepaar mit zwei Kindern und einem Ehepaar mit "nur" einem Kind und einem wegen Krankheit an der Betreuung des Kindes dauerhaft gehinderten Ehepartner.
- Der faktisch alleinstehende Kläger, der ein Kind und eine dauerhaft erkrankte Ehefrau versorgen müsse, werde trotz eines höheren Versorgungsbedarfs zu Unrecht schlechter gestellt als ein "schlicht" Alleinstehender mit Kind.
- Der Gesetzeskonzeption des § 10 Abs. l Nr. 8 Buchst. a EStG liege die unzutreffende Vorstellung zu Grunde, dass zwei Personen ein Kind stets ohne fremde Hilfe versorgen könnten, während eine Person fremder Hilfe bedürfe.
- Eine Benachteiligung ergebe sich zudem gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit nur einem Kind, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 (BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182) bereits festgestellt habe.
- Verfehlt seien schließlich die vom FG angestellten Kompensationsüberlegungen. Das Ehegattensplitting trage der Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft einer intakten Durchschnittsehe Rechnung und entspreche ebenso wie der horizontale Verlustausgleich dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre abzuändern und die Einkommensteuer ―unter Berücksichtigung eines Sonderausgabenabzugs gemäß § 10 Abs. l Nr. 8 EStG für 1992 in Höhe von 5 000 DM und für 1993, 1994 und 1995 in Höhe von jeweils 12 000 DM― herabzusetzen; hilfsweise, die Streitsache nach Art. 100 des Grundgesetzes (GG) dem BVerfG vorzulegen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Für eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch das FG habe keine Veranlassung bestanden. Wenn § 10 Abs. l Nr. 8 Buchst. b EStG auf die gesetzliche Definition des Tatbestandsmerkmals "hilflos" in § 33b Abs. 6 EStG verweise, sei es nicht gerechtfertigt, bei der Frage des Nachweises einen anderen Maßstab anzulegen, als den aufgrund der Ermächtigung des § 33b Abs. 7 EStG geschaffenen.
Das FA verweist ferner auf den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom 23. November 1999, mit dem eine gegen § 10 Abs. l Nr. 8 Buchst. a EStG gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden sei. Der Betreuungsbedarf für ein Kind sei im Übrigen nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht nach den tatsächlichen Kosten, sondern nach dem Bedarf zu bemessen (Beschluss in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, unter B.I.3.a und b sowie D.I.1.).
Der Senat hat das Revisionsverfahren mit Beschluss vom 17. Dezember 2003 XI R 63/00 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 2004, 539, BFH/NV 2004, 940) ausgesetzt, um den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, eine Erledigung des Rechtsstreits im Wege einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) zu prüfen. Nachdem das FA mit Schreiben vom 2. September 2004 mitgeteilt hat, dass eine Klageabhilfe im Wege einer Billigkeitsmaßnahme nicht in Betracht komme, ist das Verfahren mit Beschluss vom 6. Oktober 2004 XI R 63/00 wieder aufgenommen worden.
Der Senat entscheidet über den Einkommensteuerbescheid 1992 vom 5. November 2001 und die Einkommensteuerbescheide 1993 bis 1995 vom 23. November 2001. Sie sind gemäß §§ 121, 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz l Nr. l FGO). Der Kläger hat Anspruch auf Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen für eine Haushaltshilfe.
l. Nach § 10 Abs. l Nr. 8 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung können Aufwendungen des Steuerpflichtigen bis zu 12 000 DM im Kalenderjahr für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn aufgrund der Beschäftigungsverhältnisse Pflichtbeiträge zur inländischen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet werden. Weitere Voraussetzung ist nach Buchst. a der Vorschrift, dass zum Haushalt des Steuerpflichtigen zwei Kinder ―bei Alleinstehenden (§ 33c Abs. 2 EStG) ein Kind i.S. des § 32 Abs. l Satz l EStG―, die zu Beginn des Kalenderjahres das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, oder nach Buchst. b ein Hilfloser i.S. des § 33b Abs. 6 EStG gehören.
2. Die Entscheidung des FG, dass die Ehefrau des Klägers in den Streitjahren nicht hilflos i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b EStG war, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Hilflos i.S. des § 33b Abs. 6 EStG nach der in den Streitjahren 1992 bis 1994 geltenden Fassung ist eine Person, die nicht nur vorübergehend so hilflos ist, dass sie für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Definition der Hilflosigkeit in § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG entspricht § 35 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in der für diese Jahre gültigen Fassung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehört zu den regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen das An- und Auskleiden, Essen und Trinken, Waschen, Benutzen der Toilette usw. (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. Februar 1996 X B 148/95, BFH/NV 1996, 603, m.w.N.; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 33b Rz. 3 und 10). Nach dem im Streitjahr 1995 geltenden, in Anpassung an den geänderten § 35 BVG neu gefassten § 33b Abs. 6 EStG ist eine Person hilflos, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist (§ 33b Abs. 6 Satz 3 EStG).
§ 33b Abs. 7 EStG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, wie nachzuweisen ist, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der (in § 33 Abs. 1 bis 6 genannten) Pauschbeträge vorliegen. Für die Streitjahre 1992 bis 1994 "wird" nach § 65 Abs. 4 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) das Merkmal "hilflos" durch einen Ausweis nach dem Schwerbehindertengesetz oder durch einen Bescheid der für die Durchführung des BVG zuständigen Behörde mit den entsprechenden Feststellungen nachgewiesen. Für das Streitjahr 1995 sieht die Neuformulierung in § 65 Abs. 2 EStDV vor, dass der Steuerpflichtige den Nachweis auf diese Weise zu führen "hat".
b) Die Rüge, das FG habe verfahrensfehlerhaft nicht aufgeklärt, ob die Ehefrau des Klägers in den Streitjahren hilflos gewesen sei, ist unbegründet. Dabei kann ―mit dem FG― zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass der Nachweis der "Hilflosigkeit" i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b EStG grundsätzlich auch anders als in § 65 EStDV vorgesehen erbracht werden kann.
Wenn das FG gleichwohl den in den jeweiligen Streitjahren ausgestellten Schwerbehindertenausweisen eine hohe Indizwirkung beigemessen hat, so ist dies nicht zu beanstanden. Denn bei der Ausstellung eines derartigen Ausweises haben die Behörden von sich aus zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Eintrag des Merkmals "H" vorliegen. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass die Ehefrau noch im Jahre 1997 in die Pflegestufe II eingeordnet wurde und nicht in die Stufe III, die dem Merkmal "hilflos" gleich erachtet wird (§ 65 Abs. 2 Satz 2 EStDV; Mellinghoff in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 33b Rn. 26). Der Senat geht dabei davon aus, dass den Finanzbehörden die Sachkunde zur eigenständigen Prüfung der medizinischen Sachverhalte fehlt (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Mai 1998 III B 22/98, BFH/NV 1998, 1474, m.w.N.) und sie mithin auf die Prüfung und Bescheinigung durch andere fachkundige Stellen angewiesen sind. Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die generell oder im konkreten Einzelfall gegen eine derartige Indizwirkung sprächen.
Das FG hat darüber hinaus auch das vorgelegte ärztliche Attest gewürdigt und dabei berücksichtigt, dass dieses erst aus dem Jahre 1997 stammte und von einer während des Krankheitsverlaufes zunehmenden Hilfsbedürftigkeit spricht. Es ist auf der Grundlage dieser Auslegung zu der Überzeugung gelangt, dass der Nachweis der "Hilflosigkeit" für die Streitjahre angesichts der zuvor dargestellten Indizien nicht geführt sei. Diese Schlussfolgerungen des FG sind möglich, sie verstoßen weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze und sind für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rz. 36, 39, 41, 54).
3. Allein seinem Wortlaut nach ist § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a EStG im Streitfall nicht erfüllt; jedoch enthält diese Regelung eine verdeckte Lücke, die mit Hilfe teleologischer, systematischer und verfassungsrechtlicher Erwägungen zu schließen ist (zur Schließung einer verdeckten Regelungslücke vgl. BFH-Urteil vom 5. März 1998 IV R 8/95, BFHE 185, 434, BStBl II 2003, 54; BVerfG-Urteil vom 19. Juni 1973 1 BvL 39/69, 1 BvL 14/72, BVerfGE 35, 263, Rz. 49; Rüthers, Rechtstheorie, 1999, Rz. 870 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 199; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., 1991, S. 472 f.; Kramer, Juristische Methodenlehre, 1998, S. 143 f. - "Ausnahmelücken"; Koller, Theorie des Rechts, 2. Aufl., 1997, S. 227 f.).
a) Nach der Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a EStG kann ein Ehepaar mit zwei Kindern oder eine alleinstehende Person mit einem Kind hauswirtschaftliche Aufwendungen als Sonderausgaben abziehen. Demgegenüber ist der Abzug solcher Aufwendungen einem Ehepaar mit nur einem Kind verwehrt. Der Gesetzgeber geht in diesem Fall ―typisierend― davon aus, dass die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten ohne entsprechende Hilfe erbracht werden können. Diese Annahme betrifft aber nur den Regelfall. Ist ―wie im Streitfall― der eine Ehepartner nachgewiesenermaßen nicht in der Lage, den vom Gesetz vorausgesetzten Beitrag zu leisten, sondern im Gegenteil selbst hilfsbedürftig, so ist diese Konstellation mit der einer alleinstehenden Person vergleichbar.
Dieser Beurteilung kann nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber diese Fallgestaltung in § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b EStG geregelt habe. § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b EStG regelt "isoliert" den Fall, dass ein Hilfloser i.S. des § 33b Abs. 6 EStG zum Haushalt gehört, nicht aber den Fall, dass auch Kinder zum Haushalt gehören. Die Regelung des Buchst. b macht aber deutlich, dass § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG nur bestimmte Fälle erfasst, dass aber ein Fall wie der des Streitfalls gerade nicht geregelt ist.
b) Dass § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG lückenhaft ist, zeigt auch die Regelung des § 33c Abs. 5 EStG i.d.F. der Streitjahre. Nach § 33c Abs. 5 EStG konnten unbeschränkt steuerpflichtige und nicht dauernd getrennt lebende Ehepaare, von denen der eine Ehepartner krank oder körperlich, geistig oder seelisch behindert war und der andere Ehegatte erwerbstätig oder ebenfalls krank oder behindert war, Kinderbetreuungskosten i.S. des § 33c Abs. l EStG im gleichen Umfang wie Alleinstehende geltend machen, während andere Ehepaare hiervon ausgeschlossen waren.
Diese Regelung lässt deutlich erkennen, dass der Umstand, dass ein Ehegatte an der Betreuung der Kinder aus Krankheitsgründen nicht mitwirken kann, bei der Beurteilung der zum Abzug führenden Betreuungssituation zu berücksichtigen ist. Was für Kinderbetreuungskosten gilt, hat gleichermaßen für hauswirtschaftliche Tätigkeiten Geltung. Der Umstand, dass ein Ehegatte wegen Krankheit nicht an der Betreuung oder hauswirtschaftlichen Versorgung eines Kindes teilnehmen kann, ist allgemeiner Natur. Im Gegensatz zur Auffassung des FA könnte man den Kläger sogar als alleinstehend betrachten; in Bezug auf die hauswirtschaftliche Mitwirkung ist der Kläger auf sich allein gestellt; er erhält keinerlei Unterstützung von seinem kranken Ehegatten.
c) Nach Auffassung des Senats können daher auch Verheiratete mit nur einem Kind Aufwendungen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a EStG als Sonderausgaben abziehen, wenn einer der Ehegatten selbst hilfsbedürftig ist.
Dieses aus teleologischen und systematischen Erwägungen gewonnene Ergebnis wird am ehesten den verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere Art. 3 Abs. l, Art. 6 Abs. l und Art. 20 GG, gerecht. Zum einen wird dem Grundsatz entsprochen, dass gleiche Sachverhalte gleich, ungleiche hingegen ungleich zu behandeln sind. Es würde gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen, wenn man den Streitfall so beurteilen würde, als ob auch die Ehefrau des Klägers an den hauswirtschaftlichen Tätigkeiten hätte mitwirken können.
Zum anderen verlangt das subjektive Nettoprinzip als Ausprägung einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf der Grundlage des Sozialstaatsprinzips den Abzug zwangsläufigen pflichtbestimmten Aufwands (BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BStBl II 2003, 534, unter C.I.1.c bb). Gerade im Fall des Klägers zeigt sich die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen in besonderer Weise; im Grunde genommen ist er noch unterstützungsbedürftiger i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG als eine alleinstehende Person, da er zusätzlich auch noch seiner Ehefrau Hilfe leisten muss. In diesem Fall den Abzug nicht zuzulassen, würde den Intentionen des Sonderausgabenabzugs in besonderer Weise widersprechen.
d) Entgegen der Auffassung des FA kann dessen am Wortlaut orientierte Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG nicht mit der Anwendung des Splittingtarifs gerechtfertigt werden. Das Ehegattensplitting stellt eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung dar (BFH-Beschluss vom 20. September 2002 III B 40/02, BFH/NV 2003, 157; zum Realsplitting vgl. BFH-Beschluss vom 13. März 1995 X B 158/94, BFH/NV 1995, 777). Es ist nicht geeignet, ehebedingte steuerliche Nachteile zu kompensieren. Der Gesetzgeber hat durch die Besteuerung der Alleinstehenden mit dem Grundtarif und der Verheirateten mit dem Splittingtarif diese bei gleicher Leistungsfähigkeit (nur) gleichmäßig belastet.
Ebenso steht dem hier gewonnenen Ergebnis nicht entgegen, dass der Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG auch arbeitsmarktpolitische Erwägungen zugrunde liegen. Trotz dieser lenkungspolitischen Zielsetzung trägt § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG auch einer besonderen Belastungssituation Rechnung. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber diese Regelung nicht in den Katalog der Sonderausgaben aufnehmen dürfen.
Fundstellen
Haufe-Index 1391704 |
BFH/NV 2005, 1679 |
BStBl II 2005, 631 |
BFHE 2005, 447 |
BFHE 209, 447 |
BB 2005, 1726 |
DStRE 2005, 930 |
DStZ 2005, 542 |
HFR 2005, 955 |