Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
1.ß 14 Abs. 4 UStDB 1951 hat den Charakter von Richtlinien. Für den buchmäßigen Nachweis ist hauptsächlich § 14 Abs. 3 a. a. O. maßgebend. Hat ein Unternehmer nicht alle im § 14 Abs. 4 a. a. O. angeführten Merkmale aufgezeichnet, so ist nicht etwa ohne weiteres der buchmäßige Nachweis als nicht erbracht anzusehen, auch wenn eine Genehmigung nach § 14 Abs. 5 a. a. O. nicht vorliegt. Es ist vielmehr zu prüfen, ob nach § 14 Abs. 3 a. a. O. die nachzuweisenden Voraussetzungen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sind. Ob dies zutrifft, ist eine Frage der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall.
Soweit in der bisherigen Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteil des BundesfinanzhofsV 172/53 U vom 12. August 1954, BStBl 1954 III S. 294, Slg. Bd. 59 S. 224) eine andere Rechtsansicht zum Ausdruck kommt, wird an ihr nicht festgehalten.
2.Zur Frage, inwieweit ein negativer Bearbeitungsnachweis zu führen ist (ß 14 Abs. 4 Ziff. 3 UStDB 1951).
UStG § 4 Ziff. 4; UStDB 1951 §§ 12, 14.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 4; UStDB §§ 12, 14; 2-UStDV 2
Tatbestand
Streitig ist, ob Schrottlieferungen der Bfin. in den Veranlagungszeiträumen 1952 bis 1955 nach § 4 Ziff. 4 UStG steuerfrei sind oder ob sie, wie die Vorinstanzen angenommen haben, wegen Mängel im Buchnachweis dem Steuersatz des § 7 Abs. 1 UStG zu unterwerfen sind.
Die Bfin. betreibt den Großhandel mit Eisenschrott, Altmetallen, Textilabfällen und Altpapier. Sie nimmt für einen Teil der Schrottlieferungen Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 4 UStG und für - hier nicht streitige - Lieferungen von Textilabfällen und Altpapier die Vergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG in Anspruch. Die steuerbegünstigten Lieferungen werden auf folgende Weise ermittelt:
Die verkauften Mengen werden von den entsprechenden Lagerposten abgebucht. Soweit die Bestände zur Deckung der Verkäufe ausreichen, werden die Vergünstigungen nach § 4 Ziff. 4 UStG (bzw. ß 7 Abs. 3 UStG) in Anspruch genommen. Werden Mengen veräußert, die über den Bestand des entsprechenden Lagerpostens hinausgehen, so werden diese mit 4 v. H. versteuert, da sie sich nur durch Sortieren anderer Bestände oder auch durch zu geringe mengenmäßige Verbuchung des Einkaufes derselben Sorte haben ergeben können. Die Betriebsprüfung und das Finanzamt haben den auf diese Weise geführten Buchnachweis insoweit anerkannt, als er sich auf Warensorten beschränkte, die sortengetreu verkauft wurden, bei denen also die handelsübliche Bezeichnung der Ein- und Verkaufsbelege sowie die Buchungen übereinstimmten. Es handelt sich hierbei um die Positionen Guß, Späne, Bleche, Metalle und ähnliches. Ferner wurde der Buchnachweis allgemein für die sogenannten Streckengeschäfte anerkannt.
Dagegen erachteten Prüfer und Finanzamt den Buchnachweis für die Lieferungen von Eisen- und Stahlschrott als nicht erbracht. Hier erfolgte der Einkauf unter der Bezeichnung "Schrott und ungeschnittener Schrott, Stahlschrott, Eisen, Schmelzeisen, Motoren und Gemischtes, Maschinen (Eisen- und Gußgemisch)" usw. In den für den Buchnachweis geführten Unterlagen erscheinen diese einheitlich in der Spalte "Schrott". Der Verkauf erfolgte jedoch in genauer Sortenaufteilung. Vom Prüfer wurden neun verschiedene Sortenbezeichnungen bei der Bfin. festgestellt. Nach den Angaben der Bfin. wird bei An- und Verkäufen dieses Schrotts wie folgt verfahren:
Der Eisen- und Stahlschrott wird bei verschiedenen Lieferanten in größeren und kleineren Mengen aufgekauft und auf dem Lagerplatz der Bfin. auf einem Schrotthaufen gelagert. Die eingekauften Posten werden nicht schon bei der Anlieferung in eine bestimmte Sorte eingestuft. Es kommen deshalb beim Verladen der jeweils verkauften Schrottmenge Waren zur Verladung, die aus den verschiedensten Anlieferungen mit den verschiedensten Qualitäten stammen. Erst die sich beim Aufladen ergebende Mischung kann nach den Angaben der Bfin. nach dem in dieser Mischung überwiegend enthaltenen Material unter eine bestimmte Qualitätsangabe eingereiht werden. Die Bfin. hat bei Einkäufen eine solche Subsumierung nicht vorgenommen und auch nicht auf den Durchschlägen der Einkaufsbelege vermerkt, weil dies nach ihrer Auffassung eine überflüssige Arbeit wäre, da die angegebene Qualität nach der Vermischung mit besserem oder schlechterem Material im großen Schrotthaufen nicht mehr zutreffen würde. Nach ihrer Ansicht kann die Mischung vielmehr nur ohne Rücksicht auf die einzelnen Lieferungen qualitätsmäßig eingestuft werden. Es lasse sich praktisch nicht feststellen, wo die einzelnen angelieferten Warenmengen im Schrotthaufen verblieben seien.
Die Bfin. hat insbesondere vorgetragen, daß der Schrott bei ihr nicht sortiert werde; sie habe - ohne Rücksicht auf das ihr bekannte, mit Verfügung des Finanzamts vom 4. Dezember 1953 bewilligte sogenannte Düsseldorfer Verfahren (vgl. Deutsche Steuerzeitung Ausgabe B Eildienst 1953 S. 352) - den Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStDB voll entsprochen. Da sie nur eine einheitliche Warengruppe "Schrott" führe, brauche sie auch nur diese Warengruppe auszuweisen. Der Schrotthaufen auf ihrem Lagerplatz werde jeweils "angeschnitten" wie er liege. Zu einer Bearbeitung des Schrotts fehlten ihr auch die Geräte. Bei Verkäufen werde der Schrott nach der jeweils im Waggon befindlichen Hauptsorte lediglich umbenannt; diese Umbenennung sei nur ein Hilfsfaktor für die Preisschätzung, wobei sie, wie zahlreiche Beanstandungen erwiesen, ein erhebliches Risiko einginge.
Das Finanzgericht ist auf Grund dieses Sachverhalts zu der Auffassung gelangt, die Bfin. könne buchmäßig nicht nachweisen, daß es sich bei der Eingruppierung des Schrotts in verschiedene Sorten nicht nur um eine steuerlich unschädliche Umbenennung der Qualitätsgruppe handele. Da im Betrieb der Bfin. andere Altmaterialien nach ihren eigenen Angaben sortiert und zum Teil sonst bearbeitet würden, müsse für die Entscheidung davon ausgegangen werden, daß die Bfin. durch ihre Buchführung nicht den Nachweis erbringen könne, daß eine steuerlich schädliche Bearbeitung ausgeschlossen sei. Das Finanzamt hat unter Bezugnahme auf das Urteil des BundesfinanzhofsV 172/53 U vom 12. August 1954 (BStBl 1954 III S. 294, Slg. Bd. 59 S. 224) darauf hingewiesen, daß zwar die Einhaltung bestimmter Formen des Buchnachweises nicht vorgeschrieben sei, aber eine Abweichung von den im § 14 Abs. 4 UStDB aufgezählten Erfordernissen ausdrücklich vom Finanzamt nach § 14 Abs. 5 UStDB zugelassen sein müsse. Bei den Schrottmengen, die das Lager der Bfin. berührt hätten, wäre es, da der Buchnachweis für jeden einzelnen Umsatz zu führen sei, ein Mindesterfordernis gewesen, die einzelnen Warenposten, weil sie unter unzutreffender Bezeichnung eingekauft worden seien, jeweils schon beim Einkauf entsprechend ihrer tatsächlichen Marktgängigkeit einzustufen und nach den Sorten getrennt mengenmäßig zu verbuchen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Auffassung des Finanzamts, daß die im § 14 Abs. 4 UStDB genannten Merkmale in jedem Falle aufgezeichnet werden müssen, ist nicht zutreffend. In dem angeführten Falle des Urteils vom 12. August 1954 war der Abnehmer nicht aufgezeichnet. Dies ist immer dann erforderlich, wenn sonst nicht nachgeprüft werden kann, ob Großhandel vorliegt, d. h. ob an einen anderen Unternehmer zur Verwendung in dessen Unternehmen geliefert worden ist. Nach dem Wortlaut (vgl. "regelmäßig sollen" aufgezeichnet werden) handelt es sich bei § 14 Abs. 4 UStDB um eine Sollvorschrift. § 14 UStDB ist die allgemeine Grundvorschrift für den Buchnachweis. Welche Voraussetzungen im Einzelfalle nachzuweisen sind, ergibt sich aus der jeweils in Anspruch genommenen Vergünstigungsvorschrift (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 UStDB; z. B. § 7 Abs. 3 UStG in Verbindung mit ß 57 UStDB). Nur aus den jeweils in Betracht kommenden einzelnen Vergünstigungsvorschriften läßt sich ersehen, welche Merkmale aufgezeichnet werden müssen, damit die nachzuweisenden Voraussetzungen "eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen" sind. Dabei kann sich ergeben, daß Merkmale, die gemäß § 14 Abs. 4 UStDB aufgezeichnet werden "sollen", aufgezeichnet werden "müssen", weil anders die nachzuweisenden Voraussetzungen nicht eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sind. Es kann sogar erforderlich sein, daß der Unternehmer hierfür Aufzeichnungen machen muß, die im § 14 Abs. 4 UStDB nicht ausdrücklich erwähnt sind (vgl. Beck in Hübschmann-Grabower-Beck- v. Wallis, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 7 Abs. 3 Anmerkungen 28 und 73; ferner § 70 Abs. 2 Ziff. 1 und 3 UStDB). Es kann sich aber auch ergeben, daß die nachzuweisenden Voraussetzungen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sind, obwohl der Unternehmer nicht alle im § 14 Abs. 4 UStDB aufgezählten Merkmale aufgezeichnet hat. Es handelt sich insoweit um eine Beurteilung tatsächlicher Verhältnisse. Die im § 14 Abs. 4 UStDB enthaltenen Formvorschriften haben deshalb die Bedeutung von Richtlinien, so daß ein Abweichen von den dort genannten aufzuzeichnenden Merkmalen nicht in jedem Falle zum Verlust der Steuervergünstigung führen muß. Der Sinn der Neufassung des § 14 durch die UStDB 1938 bestand gerade darin, eine nur schematische Anwendung der Buchnachweisvorschriften zu verhindern; ihr Schwerpunkt liegt vielmehr im § 14 Abs. 3 UStDB. Soweit in dem oben angeführten Urteil vom 12. August 1954 eine andere Auffassung zum Ausdruck kommt, hält der Senat an ihr nicht mehr fest. Für den Streitfall bedeutet dies daß, sofern nicht alle im § 14 Abs. 4 UStDB angeführten Merkmale aufgezeichnet sind oder die Bfin. nicht alle Erfordernisse der ihr gewährten Erleichterung erfüllt hat, zunächst zu prüfen ist, ob der vorhandene Buchnachweis ausreicht, um die nachzuweisenden Voraussetzungen eindeutig und leicht nachprüfbar feststellen zu können.
Die Auffassung des Finanzamts ist hiernach nicht frei von Rechtsirrtum; aber auch die Vorentscheidung kann von Rechtsirrtum beeinflußt sein, soweit in ihr zum Ausdruck kommt, daß in jedem Falle ein sogenannter negativer Bearbeitungsnachweis zu führen ist. Diese Frage ist umstritten (vgl. Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Auflage, Textziffern 5043 ff.). Der Senat nimmt hierzu wie folgt Stellung:
Kommen in einem Unternehmen, aber auch in einem örtlich oder nach der Warenart klar abgrenzbaren Teil eines Unternehmens keinerlei Bearbeitungen vor, so erscheint die Angabe in den Büchern, daß die Ware nicht bearbeitet worden ist, in der Regel nicht sinnvoll. Dies ist auch in § 14 Abs. 4 Ziff. 3 UStDB zum Ausdruck gekommen, wenn dort gesagt wird, daß eine etwaige Bearbeitung aufgezeichnet werden soll. Ein entsprechender Vermerk der Nichtbearbeitung in einer Spalte des für den Buchnachweis geführten Buches böte auch kaum die Gewähr dafür, daß Bearbeitung tatsächlich nicht vorgenommen sind. Es wird also auf die Verhältnisse des Einzelfalles ankommen, ob nach der Buchführung ein Prüfer oder das Finanzamt zu der Überzeugung gelangen kann, daß eine Ware steuerlich schädlich nicht bearbeitet worden ist. Vor allem muß sich in Unternehmen oder Betriebszweigen, in denen überhaupt Bearbeitungen vorgenommen werden, durch Hinweise in den Verkaufsrechnungen auf die Einkaufsrechnungen der Nachweis der Nichtbearbeitung ergeben. Der Nachweis der Nichtbearbeitung wird sich demnach in der Regel am sichersten durch einen einwandfreien Nämlichkeitsnachweis führen lassen.
Die Bfin. hat ständig und schon dem Betriebsprüfer gegenüber den Standpunkt vertreten, daß sie nur unsortierten Schrott einkaufe und auch nur solchen verkaufe. Das Finanzgericht konnte deshalb nicht davon ausgehen, daß im Schrotthandel "üblicherweise", um ordnungsmäßige Ware zu liefern, der Schrott sortiert oder möglicherweise auch aus verschiedenen Sorten zusammengemischt werde. Dies mag für eine große Anzahl von Schrotthändlern zutreffen. Im Streitfalle, in dem die besondere Struktur des Betriebes in Abweichung von ähnlichen Betrieben stets herausgestellt wurde, ist diese Annahme des Finanzgerichts ohne Beweisaufnahme in dieser Richtung nicht gerechtfertigt.
Andererseits hat der Prüfer hervorgehoben, es könne von der Steuerpflichtigen nicht bestritten werden, wie auch bei der Besichtigung des Lagerplatzes beobachtet worden sei, daß bei Anlieferung von Maschinen, Motoren u. a. die Metallteile von den übrigen Teilen getrennt worden sind. Trifft dies zu, so wäre allerdings der Buchnachweis nicht erbracht und die Steuervergünstigung in dem von der Vorinstanz gebilligten Umfange zu versagen, wenn solchenfalls im großen Schrotthaufen auf dem Lagerplatz der Bfin. Partien vorhanden wären, die bearbeitet worden sind. Demgegenüber hat die Bfin. behauptet, daß Bearbeitungen lediglich bei den gebrauchten Kraftwagen vorgekommen seien, die zu Schrott ausgeschlachtet wurden. Kann nun festgestellt werden, daß der aus den Kraftwagen entfallende Schrott gleichfalls auf den Schrotthaufen des Lagerplatzes verbracht worden ist, so wäre die Steuervergünstigung gleichfalls zu versagen. Es würde dann auch nicht ein klar nach der Warenart abgrenzbarer Teil des Unternehmens vorliegen.
Das Finanzgericht, an das die nicht spruchreife Sache zurückverwiesen wird, wird also über die hiernach noch streitigen und erheblichen Fragen Beweis erheben müssen. Es käme die Vernehmung des mit der Sache befaßten Prüfers und der von der Bfin. benannten Zeugen in Betracht. Nur wenn festgestellt werden könnte, daß die Bfin. nur unsortierten Schrott eingekauft und auch nur solchen verkauft hat, ohne daß auf den Schrotthaufen durch Bearbeitung (Trennen, Zerschneiden, Zerkleinern, Sortieren) gewonnene Schrotteile gelangt sind, käme für die Bfin. die Steuervergünstigung aus den gleichen Gesichtspunkten in Betracht, aus denen ihr auch nach dem Bericht die Steuervergünstigung zugebilligt worden ist. Die Bezeichnungen in den Verkaufsrechnungen hätten dann nur die Bedeutung einer steuerlich unschädlichen Umbenennung. Als steuerlich schädliche Bearbeitung müßte es nach der in den streitigen Veranlagungszeiträumen noch geltenden Rechtslage auch angesehen werden, wenn bei Beladen der Waggons für die Abnehmer der Bfin. mit Bedacht bestimmte Sorten vorzugsweise aus dem Schrotthaufen ausgesucht worden wären, da hierin ein damals noch steuerlich schädliches Sortieren erblickt werden müßte (vgl. auch Bescheid und Urteil des BundesfinanzhofsV 105/52 S vom 22. März 1953 / 22. Juli 1954, BStBl 1954 III S. 274, Slg. Bd. 59 S. 173). Das Finanzgericht wird bei der gebotenen Zurückverweisung auch Gelegenheit haben, das beiderseitige Vorbringen in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu würdigen, und im Hinblick auf die nunmehrige Rechtsauffassung des Senats gegebenenfalls durch Einschaltung eines unbeteiligten Prüfers festzustellen haben, ob in den einzelnen Veranlagungszeiträumen der vorhandene Buchnachweis den Anforderungen des § 14 Abs. 3 UStDB, gegebenenfalls für die Veranlagungszeiträume 1954 und 1955 der vom Finanzamt gewährten Erleichterung entspricht.
Fundstellen
Haufe-Index 410339 |
BStBl III 1962, 209 |
BFHE 1962, 565 |
BFHE 74, 565 |