Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliches Entgelt für Umsätze durch Glücksspiel
Leitsatz (amtlich)
Entgelt für die von einem Veranstalter eines Glücksspiels an die Spieler erbrachten Leistungen sind nur die vereinnahmten "Anmeldegebühren", aber nicht die im vollem Umfang an die jeweiligen Gewinner ausschreibungsgemäß ausgeschütteten "Startgelder".
Orientierungssatz
Bei Auslegung des § 10 Abs.1 Satz 2 UStG 1980 ist die umzusetzende Regelung in Art.11 Teil A Abs.1 Buchst.a Richtlinie 77/388/EWG zu berücksichtigen. Besteuerungsgrundlage ist somit regelmäßig nur die tatsächlich erhaltene Gegenleistung für die erbrachte Leistung. Die vom EuGH für Umsätze mit Geldspielautomaten insoweit aufgestellten Grundsätze sind nicht auf reine Glücksspiele beschränkt; denn es bleibt im Sinne dieser Rechtsprechung auch dann bei einem Glücksspiel, wenn sein Verlauf nur zum Teil vom Zufall und im übrigen vom Geschick des Spielers abhängt (im Streitfall: Veranstaltung von Backgammon-Turnieren; erneute Vorlage zum EuGH nicht erforderlich).
Normenkette
EGVtr Art. 177 (jetzt Art. 234 EG); EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a; EWGVtr Art. 177; UStG 1980 § 10 Abs. 1 Sätze 1-2
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein nicht gemeinnütziger Verein, der die Förderung und Verbreitung des Backgammon-Spiels bezweckt. Er veranstaltete von 1983 bis 1988 23 Backgammon-Turniere im Inland und nahm neben einer Anmeldegebühr zur Abgeltung der Turnierkosten noch Startgelder zwischen 50 DM und 400 DM je Spieler ein. Die Startgelder wurden --wie in der Turnierausschreibung festgelegt-- in vollem Umfang als Siegprämien --ausschreibungsgemäß-- an die Spieler ausgezahlt.
Aufgrund der Feststellungen bei einer Steuerfahndungsprüfung beurteilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Startgelder als Entgelt für die Organisation des Turniers sowie für die Einräumung einer Gewinnchance und setzte in Umsatzsteuerbescheiden für 1983 bis 1987 vom 30. November 1989 Umsatzsteuer fest.
Das FA wies den Einspruch des Klägers zurück. Die Klage führte zur antragsgemäßen Änderung der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen. Das Finanzgericht (FG) sah als Bemessungsgrundlage für steuerpflichtige Umsätze durch Veranstaltung und Zulassung zu Backgammon-Turnieren nur die Nettoerlöse nach Auszahlung der Spielgewinne an die Spieler an. Dazu gelangte das FG durch Auslegung von § 10 Abs.1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 unter Berücksichtigung von Art.11 Teil A Abs.1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) und der Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in dem Urteil vom 5. Mai 1994 Rs.C-38/93 - Glawe (Sammlung --Slg.-- 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548). Danach sei, so führte das FG zur Begründung u.a. aus, nur der Teil der Spieleinsätze Entgelt für die Zulassung zum Spiel, über den der Veranstalter effektiv selbst verfügen könne. Die für Glücksspiele mittels Geldspielautomaten entwickelten Grundsätze seien ebenso für andere kommerzielle Glücks- und Geschicklichkeitsspiele anwendbar. Für die an dem Spiel beteiligten Spieler sei im Streitfall nach den Usancen und der Turnierausschreibung offenkundig gewesen, daß dem Kläger als dem Veranstalter nur ein Teil der von ihm für die Durchführung des Spiels vereinnahmten Gelder verbleibe. Zwar unterscheide sich das Backgammon- vom Glücksspiel mittels Geldspielautomaten dadurch, daß keine gesetzliche Vorschrift über die Mindesthöhe der an den Spieler als Gewinn auszuzahlenden Spieleinsätze und keine dementsprechende Vorsorge in den Spielvorrichtungen bestehe. Durch die Trennung von Registration Fee und Startgeld gemäß den Ausschreibungsunterlagen sei jedoch eine ebenso objektive Ermittlung der Nettoerlöse möglich. Für eine vollständige Ausschüttung der Startgelder, wie in der Turnierausschreibung versprochen, sorgten nicht zuletzt die Teilnehmer selbst. Sie könnten jederzeit rechnerisch überwachen, ob der eingelegte Betrag auch vollständig --wie in der Ausschreibung versprochen-- wieder an den Sieger ausgeschüttet werde.
Mit der (vom FG zugelassenen) Revision rügt das FA Verletzung von § 10 Abs.1 UStG 1980. Nach Auffassung des FA ist die Schlußfolgerung nicht gerechtfertigt, daß die Startgelder kein Entgelt seien, weil die Spieler das Startgeld an den Veranstalter entrichteten, das dieser als Siegprämie nach einem von ihm festgelegten Schlüssel wieder auszahle. Der Kläger habe, wie das FA weiter darlegt, als Veranstalter die Verfügungsmacht an den Startgeldern ebenso wie über die Anmeldegebühr erlangt. Das vom FG herangezogene Urteil des EuGH betreffe den nicht vergleichbaren Sachverhalt eines Umsatzes mit einem Geldspielautomaten, bei dem die Aufteilung und Trennung der Spieleinsätze in Gewinnausschüttung und verbleibenden Betreiberanteil "von vornherein zwingend" feststehe.
Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Der Kläger hat durch die Veranstaltung von Backgammon-Turnieren gegenüber den daran beteiligten Spielern steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistungen gegen Entgelt erbracht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. August 1993 V R 20/91, BFHE 172, 227, BStBl II 1994, 54 - Berufskartenspieler).
2. Der Umsatz wird bei sonstigen Leistungen (§ 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980) nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs.1 Satz 1 UStG 1980). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs.1 Satz 2 UStG 1980).Bei der Auslegung von § 10 Abs.1 Satz 2 UStG 1980 ist die umzusetzende Regelung in Art.11 Teil A Abs.1 Buchst.a Richtlinie 77/388/EWG zu berücksichtigen. Danach ist Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter den Buchstaben b), c) und d) genannt sind, alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll. Besteuerungsgrundlage ist somit regelmäßig nur die tatsächlich erhaltene Gegenleistung für die erbrachte Leistung (vgl. EuGH-Urteile vom 27. März 1990 Rs.C-126/88 - Boots Company, Slg. 1990, I-1235, Rdnr.19; vom 23. November 1988 Rs.230/87 - Naturally Yours Cosmetics, Slg. 1988, 6365, Rdnr.16; vgl. auch EuGH-Urteil vom 24. Oktober 1996 Rs.C-317/94 - Elida Gibbs Ltd., Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1996, 391, Rdnr.28-31). Im Zusammenhang mit Geldspielautomatenumsätzen hat der EuGH in dem bezeichneten Urteil in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 dargelegt, daß der Anteil der Spieleinsätze, der als Gewinn wieder ausgeschüttet werde, sofern dies von vornherein zwingend feststehe, weder als Bestandteil der Gegenleistung für die Bereitstellung der Automaten noch als Entgelt für eine andere den Spielern erbrachte Leistung, wie die Gewährung der Gewinnmöglichkeit oder die Auszahlung der Gewinne selbst, angesehen werden könne.Diese Grundsätze hat das FG im Streitfall zutreffend angewendet. Für die vom Kläger erbrachte Leistung durch Zulassung zum Spiel mit Gewinnchance stand nach den Feststellungen des FG von vornherein zwingend fest, daß das von den Spielern an den Kläger entrichtete Startgeld unter ihnen "ausgespielt" wird und dem Kläger nicht als Gegenleistung verbleibt. Zwar ist dies nicht gesetzlich festgelegt und wird nicht durch einen Mechanismus wie in einem Geldspielautomaten gewährleistet. Weil das Umsatzsteuerrecht in Art.11 Teil A Abs.1 Buchst.a Richtlinie 77/388/EWG ebenso wie in § 10 Abs.1 Satz 2 UStG 1980 aber auf verwirklichte Sachverhalte abstellt und die verpflichtenden Bestimmungen nur Beweisanzeichen für den wirklichen Geschehensablauf sind, ist im Streitfall unerheblich, ob der Unternehmer durch Gesetz oder durch Vertrag verpflichtet wird, einen Teil der von den Empfängern seiner Dienstleistung aufgewendeten Einnahmen diesen wieder zuzuwenden. Ebensowenig ist entscheidungserheblich, daß dies im Streitfall nicht durch mechanische Vorrichtungen sichergestellt wird, wenn --wie vom FG festgestellt-- eine gleichwertige anderweitige Kontrolle, nämlich hier durch die Leistungsempfänger, vorhanden ist.Somit hat das FG zutreffend unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts nur die dem Kläger verbleibende Gegenleistung der Spieler als Entgelt angesehen. Es brauchte folgerichtig nicht zu prüfen, ob die zurückgezahlten Startgelder als Entgeltsminderungen (in entsprechender Anwendung von Art.17 Abs.2 Buchst.a Richtlinie 77/388/EWG) oder als Preisnachlässe oder Rückvergütungen (Art.11 Teil A Abs.3 Buchst.b Richtlinie 77/388/EWG) zu beurteilen sind. Eine Beschränkung der vom EuGH für die Bestimmung der Besteuerungsgrundlage aufgestellten Grundsätze auf Umsätze mittels Geldspielautomaten ist nicht gerechtfertigt (vgl. auch Ruppe, --österreichisches-- Umsatzsteuergesetz, 1994, § 4 Rz.79).
Die Ausführungen des EuGH gehen über die Besonderheiten von Geldspielautomatenumsätzen hinaus; denn er hat sie aus einer in Art.11 Teil A Abs.1 Buchst.a Richtlinie 77/388/EWG enthaltenen allgemeinen Regel --unter Einbeziehung von Rabatten und Rückvergütungen nach Art.11 Teil A Abs.3 Buchst.b Richtlinie/77/388/EWG-- entwickelt (vgl. Generalanwalt Jacobs in den Schlußanträgen in der Rechtssache C-38/93, Umsatzsteuer-Rundschau 1994, 178, Rdnr.20 ff.). Sie sind auch nicht auf reine Glücksspiele beschränkt; denn es bleibt im Sinne der bezeichneten Rechtsprechung auch dann bei einem Glücksspiel, wenn sein Verlauf nur zum Teil vom Zufall und im übrigen vom Geschick des Spielers abhängt (Jacobs, a.a.O., Rdnr.12). Dementsprechend hat der Reichsfinanzhof (RFH) beim Roulette-Spiel als Bemessungsgrundlage nur die Summe der verlorenen Einsätze angesehen (RFH-Urteil vom 17. November 1933 V A 534/33, RStBl 1934, 174, m.w.N.; anders die Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil vom 29. Januar 1987 V R 53/76, BFHE 149, 295, BStBl II 1987, 516 zu II.c, m.w.N.).) Einer erneuten Vorlage an den EuGH bedarf es nicht, weil dieser die entscheidungserheblichen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsfragen beantwortet hat. Der Senat hält es auch nicht für angebracht, den Ausgang des vom FG Baden-Württemberg durch Beschluß vom 21. August 1995 2 K 400/94 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 948) für illegales Roulette-Spiel beim EuGH anhängig gemachten Vorabentscheidungsverfahren (Rs.C-283/95) abzuwarten, weil das bezeichnete Verfahren mit dem Streitfall nicht vergleichbar ist.
3. Der Kläger hat gegen die Festsetzung der Steuer durch das FG keine Einwendungen vorgetragen. Diesbezügliche Fehler sind auch sonst nicht ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 66198 |
BFH/NV 1997, 240 |
BFHE 182, 409 |
BFHE 1997, 409 |
BB 1997, 828 (Leitsatz) |
DB 1997, 1164 (Leitsatz) |
DStR 1997, 612-614 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 393 (Leitsatz) |
HFR 1997, 422-423 (Leitsatz) |
StE 1997, 241 (Kurzwiedergabe) |