Leitsatz (amtlich)
1. Feststellungsbescheide nach § 45 Abs.1 Satz 1 ZG wirken grundsätzlich auch gegenüber den Zollbeteiligten der folgenden Zollbehandlungen des Zollguts.
2. Ergeht ein Feststellungsbescheid nach § 45 Abs.1 Satz 1 ZG erst, nachdem eine neue Zollbehandlung des Zollguts durch einen anderen Zollbeteiligten beantragt worden war, oder wird der Feststellungsbescheid erst dann geändert, so wirkt er gegenüber dem neuen Zollbeteiligten nur, wenn er ihm auch bekanntgegeben worden ist.
3. Werden Feststellungsbescheid und Folgebescheid gleichzeitig erlassen, so können sie in einem Bescheid zusammengefaßt werden.
Normenkette
ZG § 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 6 S. 4; AO 1977 § 179 Abs. 1-2, § 182 Abs. 2, § 351 Abs. 2
Tatbestand
Die Firmen J und K beantragten am 6.April 1977, bestimmte Mengen einer zwischen dem 6. und 9.April 1977 aus dem Seeschiff "N" gelöschten Ware zu ihren offenen Zollagern abzufertigen. Sie meldeten die Waren als "Beet-Pulp- Pellets" der Tarifst. 23.07 C des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) an. Das Zollamt (ZA) B entsprach diesen Anträgen und erließ am 13.April 1977 und am 14.April 1977 Feststellungsbescheide, in denen es u.a. die Beschaffenheit der Ware wie angemeldet feststellte. Auf Antrag der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) fertigte das ZA zwischen dem 12.April und 18.Mai 1977 Teilmengen dieser Ware aus den genannten offenen Zollagern zum freien Verkehr ab und erhob die für Waren der Tarifst. 23.07 C GZT vorgesehenen Eingangsabgaben.
Nachdem die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) nach Untersuchung einer Probe zum Ergebnis gelangt war, es handle sich um Waren mit Stärkegehalt der Tarifst. 23.07 B I b 1 GZT, änderte das ZA mit Bescheiden vom 21.Juli 1977 die gegenüber den Lagerinhabern erlassenen Feststellungsbescheide. Es stellte in diesen Änderungsbescheiden fest, die Ware sei aufgrund ihrer Beschaffenheit der Tarifst. 23.07 B I b 1 GZT zuzuordnen, und wies darauf hin, daß es die aufgrund der Abfertigung zum freien Verkehr erlassenen Steuerbescheide entsprechend ändern werde. Ebenfalls unter dem 21.Juli 1977 änderte das ZA die Steuerbescheide gegenüber der Klägerin und forderte insgesamt 35 024,30 DM Eingangsabgaben nach. In den Änderungsbescheiden wies das ZA darauf hin, es habe die in Betracht kommenden Feststellungsbescheide gegenüber den Lagerinhabern bereits geändert; es bedürfe im Hinblick auf § 45 Abs.6 Satz 4 des Zollgesetzes (ZG) insoweit auch der Änderung der fraglichen Zollbescheide. Die Klägerin legte am 5.August 1977 gegen diese Bescheide Einspruch mit der Begründung ein, die Waren hätten keinen Stärkegehalt und gehörten zur Tarifst. 23.07 C GZT. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) wies durch Einspruchsentscheidung vom 22.Dezember 1978 den Einspruch als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) hob die Änderungsbescheide vom 21.Juli 1977 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.Dezember 1978 auf.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat der Klage im Ergebnis zutreffend stattgegeben. Zwar ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, daß Feststellungsbescheide i.S. des § 45 Abs.1 Satz 1 ZG keine rechtlichen Wirkungen gegenüber Dritten entfalten können. Der Klägerin ist aber dennoch nicht verwehrt, durch ihre Anfechtung der an sie gerichteten Änderungsbescheide vom 21.Juli 1977 die Fehlerhaftigkeit der Beschaffenheitsfeststellung geltend zu machen, weil diese Bescheide keine reinen Folgebescheide, sondern auch Feststellungsbescheide gegenüber der Klägerin sind.
1. Feststellungsbescheide i.S. des § 45 Abs.1 Satz 1 ZG wirken nicht nur gegenüber dem, der Zollbeteiligter am Zollagerverfahren ist, sondern auch gegenüber den Zollbeteiligten aller folgenden Zollbehandlungen des Zollguts.
Nach § 45 Abs.1 Satz 1 ZG werden bei der Abfertigung zur Zollgutlagerung Menge, Beschaffenheit und Zollwert des Zollguts durch Feststellungsbescheid festgestellt. Diese Vorschrift steht in engem Zusammenhang mit der Regelung des § 45 Abs.6 letzter Satz ZG. Danach ist abweichend von § 35 Abs.1 ZG bei der Abfertigung des Zollguts zum freien Verkehr für Menge, Beschaffenheit und Zollwert der Zeitpunkt des ersten Antrags auf Abfertigung zur Zollgutlagerung maßgebend. Diese Regelung geht zurück auf Art.10 der Richtlinie des Rates der EWG vom 4.März 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Zollager (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 58/7 vom 8.März 1969). Sie dient dazu, die Vorteile der offenen Zollager zu erhalten, d.h. insbesondere die Möglichkeit der jederzeitigen Auslagerung des Zollguts ohne Einschaltung der Zollstellen (vgl. Begründung des Zwölften Zolländerungsgesetzes, auf dem die derzeitige Lagerregelung des ZG im wesentlichen beruht, Bundeszollblatt --BZBl-- 1969, 835, 838, zu Nr.13 I Allgemeines). Um diese Freizügigkeit zu ermöglichen, war es erforderlich, für die Besteuerungsgrundlagen jenen Zeitpunkt für maßgebend zu erklären, in dem diese durch die Zollstellen ohne größeren Verwaltungsaufwand festgestellt werden können. Das ist der Zeitpunkt der Einlagerung. Aus Sinn und Zweck dieser Regelung ergibt sich dann aber auch folgerichtig, daß die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bei der Einlagerung nicht nur dem jeweiligen Lagerinhaber gegenüber Gültigkeit beanspruchen soll. Sonst müßten die Zollstellen bei jeder folgenden Zollbehandlung jedenfalls dann die Waren wenigstens stichprobenweise erneut beschauen, wenn ein anderer als der Lagerinhaber Zollbeteiligter ist. Die Regelung des § 45 Abs.1 Satz 1, Abs.6 letzter Satz ZG ist daher so zu verstehen, daß die Feststellungsbescheide gegenüber dem Lagerinhaber grundsätzlich auch gegenüber jedem "Rechtsnachfolger" dieses Lagerinhabers gelten, d.h. gegenüber jedem Zollbeteiligten einer folgenden Zollbehandlung des Zollguts.
Im Gegensatz zur Auffassung des FG entspricht also die Erstreckung der Bindungswirkung des Feststellungsbescheids des § 45 Abs.1 Satz 1 ZG auf dritte am Lagergut berechtigte Personen dem Zollrecht. Daß dies zur Wahrung der Rechtsschutzgarantie des Art.19 Abs.4 GG nur, wie das FG meint, "ausdrücklich" erfolgen darf, ist der letztgenannten Vorschrift nicht zu entnehmen. Aus § 182 Abs.2 AO 1977 ergibt sich auch, daß die Drittwirkung von Feststellungsbescheiden der Rechtsordnung nicht fremd ist. Die grundsätzliche Bindung des Rechtsnachfolgers an diese Feststellungen kann auch nicht als eine Verletzung seiner Rechte durch die öffentliche Gewalt i.S. des Art.19 Abs.4 GG angesehen werden; denn der Rechtsnachfolger übernimmt die Waren mit diesen Feststellungen "belastet".
2. Die im vorliegenden Fall gegenüber den Lagerinhabern erlassenen Feststellungsbescheide wirkten also grundsätzlich auch gegenüber der Klägerin. Die Besonderheit des Falles liegt aber darin, daß diese Feststellungsbescheide in einem Zeitpunkt geändert worden sind, als das Zollgut bereits einer weiteren Zollbehandlung unterzogen worden war, nämlich der Abfertigung zum freien Verkehr. Zollbeteiligte dieser Zollbehandlung waren nicht die Lagerinhaber, d.h. die Adressaten der ursprünglichen Feststellungsbescheide, sondern war die Klägerin. Es ist notwendig, auf diesen Fall die Regelung des § 182 Abs.2 Satz 2 AO 1977 entsprechend anzuwenden.
Nach § 182 Abs.2 Satz 1 AO 1977 wirkt ein Einheitswert-Feststellungsbescheid auch gegenüber dem Rechtsnachfolger. Gleiches gilt, wie ausgeführt, für den Feststellungsbescheid nach § 45 Abs.1 Satz 1 ZG gegenüber dem Zollbeteiligten der auf die Zollagerung folgenden Zollbehandlung des Zollguts. Dessen Rechtsstellung ist, wie sich aus den Besonderheiten des Zollverfahrensrechts ergibt, wie die eines Rechtsnachfolgers zu beurteilen, selbst wenn --wie hier-- eine eigentliche Rechtsnachfolge nicht vorliegt. Tritt die Rechtsnachfolge aber ein, bevor der (Einheitswert-)Feststellungsbescheid ergangen ist, so wirkt er nach § 182 Abs.2 Satz 2 AO 1977 gegenüber dem Rechtsnachfolger nur, wenn er diesem bekanntgegeben wird. Das gilt auch, wenn der vor Eintritt der Rechtsnachfolge ergangene Feststellungsbescheid danach noch geändert wird; denn auch dann "ergeht" i.S. des § 182 Abs.2 Satz 2 AO 1977 der Feststellungsbescheid nach Eintritt der Rechtsnachfolge, da der Änderungsbescheid den vollen Regelungsinhalt auch des geänderten Bescheids in sich aufnimmt (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25.Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231).
Da insoweit die Problematik bei Einheitswert-Feststellungsbescheiden die gleiche ist wie bei Zollager-Feststellungsbescheiden, erscheint die entsprechende Anwendung des § 182 Abs.2 Satz 2 AO 1977 auf die letzteren zwingend. Ändert also eine Zollstelle den ursprünglichen Feststellungsbescheid in einem Zeitpunkt, in dem das Zollagergut bereits einer neuen Zollbehandlung unterzogen worden ist, so wirkt die (geänderte) Feststellung gegenüber dem Zollbeteiligten der neuen Zollbehandlung nur, wenn sie auch diesem bekanntgegeben worden ist.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind die gegenüber der Klägerin erlassenen Änderungsbescheide vom 21.Juli 1977 zu werten und auszulegen. In diesen Bescheiden ist der Klägerin ausdrücklich die geänderte Beschaffenheitsfeststellung bekanntgegeben worden. Da das ZA dazu in entsprechender Anwendung des § 182 Abs.2 Satz 2 AO 1977 auch verpflichtet war, kann bei objektiver Auslegung der Bescheide nicht davon ausgegangen werden, diese hätten als reine Folgebescheide nur den Regelungsinhalt der gegen die Lagerinhaber ergangenen (geänderten) Feststellungsbescheide unselbständig übernommen. Vielmehr enthalten die Bescheide vom 21.Juli 1977 gegenüber der Klägerin auch jeweils entsprechende Feststellungsbescheide. Daß diese mit den Folgebescheiden (bzw. deren Änderung) verbunden worden sind, ist unschädlich. Es entspricht zwar der Regelung des § 179 Abs.1 AO 1977, daß Besteuerungsgrundlagen stets dann "gesondert" festgestellt werden müssen, wenn dies --wie in § 45 Abs.1 Satz 1 ZG geschehen-- gesetzlich bestimmt ist. Das bedeutet aber nicht, daß Feststellungsbescheid und Folgebescheid unbedingt auch äußerlich getrennt gehalten werden müßten. Das wäre eine leere Förmelei. Es ist vielmehr rechtlich zulässig, Feststellungsbescheid und Folgebescheid jedenfalls dann äußerlich zusammenzufassen, wenn diese wie im vorliegenden Fall gleichzeitig ergehen. Eine solche Zusammenfassung stellen die angefochtenen Bescheide dar. Die Anfechtung der Klägerin bezog sich, wie nach deren Begründung nicht zweifelhaft sein kann, in erster Linie auf den Feststellungsbescheid, also auf den Grundlagenbescheid. Eine Einschränkung der Anfechtbarkeit i.S. des § 351 Abs.2 AO 1977 trat also nicht ein.
3. Der danach zulässigen Klage hat das FG ohne Rechtsirrtum stattgegeben. Es hat festgestellt, daß die streitbefangene Ware die Beschaffenheit einer Ware der Tarifst. 23.07 GZT hatte. An diese Feststellung, die das HZA nicht angegriffen hat, ist der erkennende Senat gebunden (§ 118 Abs.2 FGO). Daraus hat das FG zu Recht gefolgert, daß die Steueränderungsbescheide vom 21.Juli 1977 gegenüber der Klägerin unrichtig und daher aufzuheben waren.
Fundstellen
Haufe-Index 61446 |
BFHE 146, 291 |
BFHE 1986, 291 |