Entscheidungsstichwort (Thema)

Kraftfahrzeugsteuerlich begünstigter Linienverkehr

 

Leitsatz (NV)

Kraftfahrzeugsteuerbegünstigt ist die Fahrzeugverwendung im Linienverkehr auch, wenn dieser nicht verkehrsrechtlich genehmigt worden ist.

 

Normenkette

KraftStG 1979 § 3 Nr. 6; PBefG § 2 Abs. 1; AO 1977 § 40

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die ein Busreiseunternehmen betreibt, ist Halterin eines Kraftomnibusses, den sie - ohne Gestellung eines Fahrers - an die US-Streitkräfte vermietet hatte. Diese führten damit selbständig, ohne Einflußmöglichkeit seitens der Klägerin, ausschließlich Schülertransporte - Beförderungen zwischen Wohnorten und Lehranstalt - durch. Eine verkehrsrechtliche Genehmigung war nicht erteilt worden. Das beklagte und revisionsklagende Finanzamt (FA) erkannte zunächst die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 6 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1979 - überwiegender Linienverkehr - an, setzte jedoch später für die Zeit . . . Kraftfahrzeugsteuer fest, nachdem es zu der Auffassung gelangt war, daß die Vermietung des Fahrzeugs im ganzen keine kraftfahrzeugsteuerrechtlich begünstigte Verwendung darstelle. Daß die Verwendung für Schülerfahrten insgesamt überwogen hatte (mehr als 50 v. H.), wurde nicht in Zweifel gezogen.

Die von der Klägerin angefochtene, durch Einspruchsentscheidung bestätigte Steuerfestsetzung wurde vom Finanzgericht (FG) aufgehoben. Der Steuerbefreiungstatbestand sei erfüllt, weil das Fahrzeug zwar nicht von der Klägerin, wohl aber durch die Streitkräfte im Linienverkehr (Schülerfahrten) verwendet worden sei. Mangels der erforderlichen verkehrsrechtlichen Genehmigung handele es sich allerdings nicht um Linienverkehr im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). § 3 Nr. 6 KraftStG 1979 mache die Steuerbefreiung indessen nicht von der Genehmigung abhängig, sondern stelle nur auf den Einsatz in irgendeinem Linienverkehr ab. Auf die Person des Fahrzeughalters komme es nicht an.

Die Revision des FA macht demgegenüber geltend, Voraussetzung für die in Betracht kommende Steuerbefreiung sei, daß grundsätzlich eine Genehmigung der zuständigen Behörde vorliege (§ 2 Abs. 1 PBefG). Eine Freistellung von der Genehmigungspflicht greife hier nicht ein. Es gebe keine Norm, die besage, daß diese Genehmigungspflicht kraftfahrzeugsteuerrechtlich keine Bedeutung haben könne. Vielmehr müsse nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung die Genehmigungsvorschrift auch in Verbindung mit der Steuerbefreiung beachtet werden. Im übrigen liege kein Linienverkehr vor, sondern steuerpflichtiger Gelegenheitsverkehr; § 46 Abs. 2 Nr. 3, § 49 Abs. 1 PBefG (Vermietung des Fahrzeugs im ganzen; Schülerbeförderung in eigener Regie des Mieters).Die Klägerin hält einen - Gelegenheitsverkehr ausschließenden - Linienverkehr für gegeben und das Fehlen der Genehmigung für unbeachtlich, wobei sie insbesondere darauf verweist, daß für Kraftfahrzeugsteuerbefreiungen maßgebende Genehmigungserfordernisse sonst ausdrücklich normiert seien (früherer § 3 Nr. 4 KraftStG 1979).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Klägerin für das Halten ihres Kraftomnibusses Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 KraftStG 1979 zusteht. Dieser ist nach der Feststellung des FG in den hier maßgebenden Entrichtungszeiträumen überwiegend im ,,Linienverkehr" in der Sonderform von Schülerfahrten (§ 43 Nr. 2 PBefG; Senat, Urteil vom 5. Februar 1985 VII R 181/82, BFHE 142, 515, 518, BStBl II 1985, 230) verwendet worden. Unschädlich ist, daß dieser Linienverkehr nicht vom Halter selbst - der Klägerin -, sondern von einem anderen ,,Unternehmer" (§ 2 Abs. 1 Satz 2 PBefG) - hier den US-Streitkräften als Mieter - betrieben worden ist (Egly / Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer, 3. Aufl. 1981, Abschn. 18 c = S. 185; Klein / Olbertz, Kraftfahrzeugsteuergesetz, 2. Aufl. 1987, § 3 Anm. 7). Da Linienverkehr vorliegt, ist ein nichtbegünstigter Gelegenheitsverkehr von vornherein auszuschließen (vgl. § 46 Abs. 1 PBefG).

Die verkehrs(wirtschafts-)rechtliche Begriffsbestimmung des Linienverkehrs einschließlich seiner Sonderformen - §§ 42 und 43 PBefG - ist auch kraftfahrzeugsteuerrechtlich zu beachten (§ 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG 1979). Nicht zu ihr gehört, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, das Genehmigungserfordernis (§ 2 Abs. 1 PBefG). Nichtgenehmigter Linienverkehr bleibt Linienverkehr, auch wenn er unerlaubt erfolgt (Ordnungswidrigkeit nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 PBrfG). Es kann mithin offenbleiben, ob es im Streitfall überhaupt einer Genehmigung oder einer Freistellung von einem an sich geltenden Genehmigungserfordernis bedurfte und ob ggf. ein Freistellungstatbestand (nach der Freistellungs-Verordnung vom 30. August 1962, BGBl I 1962, 601, hier insbesondere § 1 Nr. 4 Buchst. d bzw. Nr. 5) erfüllt war. War eine Genehmigung nicht erforderlich bzw. ein Freistellungstatbestand gegeben, so ist das Fehlen der Genehmigung unbeachtlich, denn die Steuerbefreiung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beförderung von den Vorschriften des PBefG ausgenommen ist (Egly / Mößlang, a. a. O., Abschn. 18 a = S. 183; Möllinger, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1986, 98, 101). Gleiches gilt im Falle der Genehmigungsbedürftigkeit. Die Steuerbefreiung hängt von der Freistellung bzw. Genehmigung nicht ab (Egly / Mößlang, a. a. O.; Möllinger, a. a. O., S. 102 f.). Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Befreiungsvorschrift, die - anders als für seinen Bereich der frühere § 3 Nr. 4 Satz 4 KraftStG 1979 (abfallrechtliche Einsammlungs- oder Beförderungsgenehmigung als Voraussetzung der Steuerbefreiung des Haltens von Fahrzeugen für die Abfallbeseitigung) - nicht auf eine Genehmigung des Linienverkehrs abstellt, sowie aus ihrem Zweck, der in der Begünstigung des Personennahverkehrs ,,im Linienverkehr" zu sehen ist (BFHE 142, 515, 517 f.), also dieser Verkehrsart als solcher (vgl. auch § 40 der Abgabenordnung). Der Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung vermag ein anderes Ergebnis nicht zu begründen (dazu Senat, Urteil vom 7. November 1989 VII R 115/87, BFHE 159, 238, 240, BStBl II 1990, 251). Ein Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift, wie er hier allenfalls vorliegen könnte, ist nicht geeignet, den durch die Steuerbefreiung verfolgten Zweck in Frage zu stellen (vgl. auch Fischer in Hübschmann / Hepp /Spitaler, Abgabenordnung, § 40 Rz. 43).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418183

BFH/NV 1992, 696

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