Leitsatz (amtlich)

Unterhält ein Steuerpflichtiger mehrere Gewerbebetriebe, so setzt die Gewährung einer Investitionszulage nach dem InvZulG 1969 voraus, daß die Buchführung in allen seinen Betrieben ordnungsmäßig ist (unter Übernahme der Rechtsprechung zu den einkommensteuerlichen Vergünstigungen).

 

Normenkette

InvZulG 1969 § 1 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Fremdenpension und ein Lebensmittelgeschäft. In den Jahren 1970 und 1971 erweiterte sie die Fremdenpension, indem sie noch zusätzlich ein Gästehaus errichtete. Sie wandte dafür einen Betrag von rd. 235 000 DM auf. Der Aufwand wurde vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft als förderungswürdige Investition i. S. des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) anerkannt. Durch Bescheid vom 8. Dezember 1971 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Investitonszulage für das Jahr 1970 auf 8 774,42 DM fest. Der Bescheid ist nach § 100 Abs. 2 AO für vorläufig erklärt, weil nach Lage der Akten nicht zu ersehen sei, daß für 1970 ordnungsmäßige Buchführung vorliege.

Bei einer Betriebsprüfung im August 1973 stellte das FA fest, daß zwar für die Fremdenpension eine ordnungsmäßige Buchführung vorliegt, daß der Gewinn aus dem Lebensmittelgeschäft aber frei geschätzt wurde. Das FA vertrat deshalb den Standpunkt, daß der gewerbliche Gewinn insgesamt nicht i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) ermittelt worden sei und forderte mit Bescheid vom 28. September 1973 die Investitionszulage zurück. Außerdem lehnte es mit Bescheid vom 3. Oktober 1973 aus den gleichen Gründen die von der Klägerin für das Jahr 1971 beantragte Investitionszulage in Höhe von 11 232 DM ab. Der gegen beide Bescheide erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage machte die Klägerin geltend: Das Erfordernis der ordnungsmäßigen Buchführung in § 1 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1969 könne nur für den Betrieb gelten, in dem die Investition getätigt worden sei. Das ergebe sich aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Denn damit habe der Gesetzgeber die Überwachung der Verwendung der Investitionszulage sicherstellen wollen. Es sei deshalb unerheblich, ob der Steuerpflichtige den Gewinn in einem anderen Betrieb ebenfalls aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittle. Mit dem Erfordernis einer ordnungsmäßigen Buchführung werde im Rahmen des Investitionszulagengesetzes ein anderer Zweck verfolgt als bei den entsprechenden Vergünstigungen nach dem EStG. Deshalb könnten die von der Rechtsprechung zu diesen Vorschriften herausgestellten Auslegungsgrundsätz auf das Investitionszulagengesetz 1969 nicht übertragen werden. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergebe sich auch aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 InvZulG 1973 (BGBl I 1973, 1494, BStBl I 1973, 645). In dieser Vorschrift werde klargestellt, daß der Gewinn nur des Gewerbebetriebs aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt sein müsse, zu dem die errichtete oder erweiterete Betriebstätte gehöre. Bei dieser Neuregelung handele es sich nicht um eine materielle Gesetzesänderung, sondern lediglich um eine Klarstellung oder Verbesserung redaktioneller Art. Sie müsse deshalb bei der Auslegung des Investitionszulagengesetzes 1969 berücksichtigt werden.

Die Klägerin vertrat weiter die Auffassung, daß ihr die Investitionszulagen für die Streitjahre auch dann zu gewähren seien, wenn man als Voraussetzung eine ordnungsmäßige Buchführung in beiden Betrieben verlange. Denn ihre Gewinne aus dem Lebensmittelgeschäft (1970 und 1971 It. Betriebsprüfung je 3 000 DM) fielen gegenüber den Betriebsergebnissen der Fremdenpension (Verlust It. Betriebsprüfung im Jahre 1971 20 252,84 DM) nicht ins Gewicht.

Mit der Rückforderung der Investitionszulage für das Jahr 1970 verstoße das FA schließlich gegen Treu und Glauben. Dem FA sei bekannt gewesen, daß sie (die Klägerin) den Gewinn aus dem Lebensmittelgeschäft seit Jahren nicht aufgrund einer ordnungsmäßigen Buchführung ermittle. Es habe deshalb im Zeitpunkt der Festsetzung und Auszahlung der Investitionszulage 1970 im Dezember 1971 nicht annehmen können, daß in der Art der Gewinnermittlung gegenüber den Vorjahren eine Änderung eingetreten sei. Durch die Gewährung der Investitionszulage habe das FA einen Vertrauenstatbestand geschaffen, den sie (die Klägerin) zur Grundlage ihrer wirtschaftlichen Dispositionen gemacht habe. Die Rückzahlung der Investitionszulage könne nur durch eine zusätzliche Verschuldung ermöglicht werden.

Die Klägerin beantragte, den Rückforderungsbescheid betreffend die Investitionszulage 1970 vom 28. September 1973 aufzuheben und außerdem das FA zu verpflichten, ihr für das Jahr 1971 eine Investitionszulage in Höhe von 11 232 DM zu gewähren.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG wandte die von der Rechtsprechung zur Frage der ordnungsmäßigen Buchführung im Zusammenhang mit Steuervergünstigungen entwickelten Grundsätze auch auf das Investitionszulagengesetz 1969 an. In der Neuregelung des Investitionszulagengesetzes 1973 sah es eine materielle Gesetzesänderung und keine bloße Richtigstellung. Schließlich hielt es einen Verstoß gegen Treu und Glauben angesichts der Vorläufigkeit des Investitionszulagenbescheides vom 8. Dezember 1971 nicht für gegeben. Seine Entscheidung ist in EFG 1975, 175, veröffentlicht.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht begründet.

1. Streitig ist allein die Frage, ob das Fehlen einer ordnungsmäßigen Buchführung in dem Lebensmittelgeschäft der Gewährung von Investitionszulagen für die Fremdenpension, für welche diese Voraussetzungen unstreitig vorliegen, entgegensteht.

Der BFH vertritt für den Bereich der Steuervergünstigungen nach dem Einkommensteuergesetz (vgl. z. B. §§ 6 Abs. 2, 6 b, 7e, 10a, 10d, 34 b EStG, §§ 76, 79, 82, 82d und 82e EStDV) in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß beim Vorliegen mehrerer Betriebe sich das Erfordernis der ordnungsmäßigen Buchführung auf alle Betriebe der gleichen Einkunftsart erstrecken muß. Das liegt in der Systematik des EStG (§ 2 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 3 Nr. 1-3) begründet, wonach ein Steuerpflichtiger auch beim Vorliegen mehrerer Betriebe jeweils nur einen Gewinn (Verlust) aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit haben kann. Gewinn (Verlust) in diesem Sinne ist die Summe bzw. der Saldo der Betriebsergebnisse aus seinen sämtlichen Betrieben der gleichen Einkunftsart. Auch aus § 2 Abs. 2 EStG ergibt sich, daß ein Ausgleich mit Verlusten nur mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten, nicht aber innerhalb ein und derselben Einkunftsart möglich ist. An dieser Auffassung hat der BFH bis zuletzt festgehalten (vgl. Urteile vom 5. August 1966 VI 108/65, BFHE 86, 751, BStBl III 1966, 671, vom 28. November 1972 VIII R 40/68, BFHE 108, 308, BStBl II 1973, 385, und vom 12. Dezember 1972 VIII R 48/68, BFHE 108, 312, BStBl II 1973, 386). Dabei gilt die Regel, daß die Buchführung in allen Betrieben der gleichen Einkunftsart ordnungsmäßig sein muß. Dabei ist es gleichgültig, ob die Steuervergünstigung an das Gesamtergebnis der wirtschaftlichen Betätigung anknüpft, wie beispielsweise beim nichtentnommenen Gewinn nach § 10 a EStG, oder ob nur eine einzelne betriebliche Maßnahme (wie beispielsweise bei den geringwertigen Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 2 EStG oder der Übertragung stiller Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut nach § 6 b EStG) begünstigt sein soll. Eine Ausnahme von dieser Regel gilt nur dann, wenn ein Steuerpflichtiger Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten (etwa aus Land- und Forstwirtschaft und aus Gewerbebetrieb) bezieht. Diese vom Sachverhalt her unterschiedlichen Fälle können aber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der steuerlichen Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), miteinander verglichen werden.

2. Angesichts der nachfolgenden Ausführungen sieht der Senat keine Möglichkeit, für den Bereich des Investitionszulagengesetzes 1969 eine von der einkommensteuerlichen Regelung abzeichnende Auffassung zu vertreten.

a) Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Notwendigkeit der ordnungsmäßigen Buchführung wörtlich die Terminologie aus dem Einkommensteuergesetz übernommen. Auch besteht zwischen den Steuervergünstigungen nach dem Einkommensteuergesetz und den Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz im wirtschaftlichen Ergebnis kein Unterschied, so daß es auch von der Sache her gerechtfertigt ist, beide von der gleichen formellen Voraussetzung abhängig zu machen. Die Auffassung der Klägerin, daß die ordnungsmäßige Buchführung nach dem Investitionszulagengesetz einen anderen Sinn und Zweck hätte als nach dem Einkommensteuergesetz, trifft nicht zu. Es besteht in gleichem Maße für die Investitionszulagen wie für die Steuervergünstigungen die Notwendigkeit, Eintritt und Fortbestand ihrer Voraussetzungen aus der Buchführung zu ersehen.

b) Während der parlamentarischen Beratungen des Investitionszulagengesetzes 1969 war das Erfordernis der ordnungsmäßigen Buchführung Gegenstand einer ausführlichen Aussprache. Es wurde der Antrag gestellt, auf dieses Erfordernis zu verzichten, weil zwischen einer wirtschaftspolitischen Förderungsmaßnahme wie den Investitionszulagen und der ordnungsmäßigen Buchführung kein notwendiger Zusammenhang bestehe. Diesem Antrag wurde jedoch seitens der Bundesregierung widersprochen mit dem Hinweis, daß es nicht gerechtfertigt sei, die Steuervergünstigungen nach dem Einkommensteuergesetz und die Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz in dieser Hinsicht unterschiedlich zu behandeln (vgl. Protokolle des Deutschen Bundestages, 5. Wahlperiode, 240. Sitzung, Nr. 13 363 ff.). Daraus ist zu ersehen, daß man den Begriff der ordnungsmäßigen Buchführung so, wie er für das Einkommensteuerrecht entwickelt worden ist, auf das Investitionszulagengesetz 1969 übertragen wollte. Dazu gehört aber auch beim Bestehen mehrerer Betriebe der gleichen Einkunftsart, daß die Buchführung in allen Betrieben ordnungsmäßig sein muß.

c) Die Rechtslage hat sich erst im Investitionszulagengesetz 1973 geändert. Hier ist in § 1 Abs. 1 Nr. 2 das Erfordernis der ordnungsmäßigen Buchführung nunmehr ausdrücklich auf den Betrieb beschränkt worden, zu dem die errichtete oder erweiterte Betriebstätte gehört. Angesichts der bisherigen Darlegungen kann es sich nach Auffassung des Senats bei dieser Neuregelung aber nur um eine materielle Änderungsvorschrift handeln. Dafür, daß sie lediglich eine redaktionelle Klarstellung beinhalte, ergeben die Gesetzesmaterialien entgegen der Auffassung der Klägerin keine Anhaltspunkte. Auch die klare Abgrenzung in der zeitlichen Anwendbarkeit der Neufassung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 InvZulG 1973 (vgl. § 8 des Gesetzes) spricht gegen diese Auffassung.

Eine weitere Erleichterung haben dann das Einkommensteuergesetz 1975 und das Investitionszulagengesetz 1975 (BGBl I 1975, 528, BStBl I 1975, 205) gebracht. Auf das Erfordernis der ordnungsmäßigen Buchführung wurde nunmehr generell sowohl für die Steuervergünstigungen als auch für die Investitionszulagen verzichtet. Es genügt statt dessen ein Sondernachweis, der auf die Kontrollbedürfnisse für die jeweilige Vergünstigung zugeschnitten ist (vgl. z. B. § 1 Abs. 3 InvZulG 1975).

Die vorgenannten Erleichterungen sind jedoch auf die Streitjahre 1970 und 1971 noch nicht anwendbar (vgl. § 8 InvZulG 1973 und § 8 InvZulG 1975).

3. Der Senat folgt auch der Vorinstanz darin, daß die in dem Lebensmittelgeschäft erzielten Gewinne von jährlich 3 000 DM nicht als geringfügig im Verhältnis zu dem in der Fremdenpension im Jahre 1971 erzielten Verlust von rd. 20 000 DM (Verlust 1970 It. Erklärung 10 300 DM) angesehen werden können, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt auf die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung in dem Lebensmittelgeschäft nicht verzichtet werden kann.

4. Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand und damit auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen. Denn das FA hatte seinen Bescheid vom 8. Dezember 1971 gemäß § 100 Abs. 2 AO i. V. m. § 3 Abs. 6 InvZulG 1969 ausdrücklich für vorläufig erklärt und sich damit noch eine Nachprüfung im einzelnen vorbehalten. Aus der Tatsache, daß der Gewinn aus dem Lebensmittelgeschäft in den Vorjahren von der Klägerin geschätzt worden war, brauchte das FA nicht den Schluß zu ziehen, daß es auch für das Jahr 1970 an der notwendigen ordnungsmäßigen Buchführung fehlen würde.

 

Fundstellen

BStBl II 1976, 132

BFHE 1976, 323

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