Leitsatz (amtlich)

Bei der Ermittlung der maßgebenden Jahresrohmiete führt die vertraglich vereinbarte Übernahme der Kosten für die Schönheitsreparaturen durch die Mieter in der Regel auch dann zu einem Zuschlag zur Barmiete, wenn der Eigentümer Schönheitsreparaturen auf seine Kosten hat durchführen lassen, weil die Mieter ihre vertragliche Verpflichtung nicht erfüllt haben.

 

Normenkette

BewG 1965 § 79 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer eines Mietwohngrundstücks. Nach den Mietverträgen hatten die Mieter die Kosten der Schönheitsreparaturen zu tragen. Bis 1968/69 hat der Kläger die Schönheitsreparaturen - abweichend von den Mietverträgen - zu einem erheblichen Teil auf eigene Kosten durchführen lassen. Gegen einen Mieter hat der Kläger einen größeren Teil seiner Aufwendungen für Schönheitsreparaturen im Prozeßweg erstritten.

Das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) hat für das Grundstück des Klägers im Wege der Hauptfeststellung zum 1. Januar 1964 einen Einheitswert von 189 800 DM festgestellt. Dabei hat es die Jahresrohmiete wegen der vertraglich vereinbarten Übernahme der Schönheitsreparaturen durch die Mieter um 5 v. H. erhöht.

Einspruch und Klage, die sich gegen den Zuschlag für Schönheitsreparaturen richteten, blieben erfolglos.

Die Revision des Klägers rügt fehlerhafte Auslegung des § 79 BewG 1965 (im folgenden: BewG). Das BewG 1965 habe alle Tatbestände erschöpfend geregelt. Bei diesem Gesetz handle es sich nicht um ein "Rahmengesetz", das noch weiterer Einzelregelungen bedürfe. Insbesondere sei es nicht zulässig, das Gesetz durch verwaltungsinterne Richtlinien auszufüllen. Unter die Leistungen des Mieters im Sinne des § 79 BewG fielen nur eindeutig betragsmäßig festliegende Leistungen, die der Mieter entweder unmittelbar oder mittelbar für die Mietsache erbringe und die deren Wert erhöhten. Dies sei bei der Zahlung von Baukostenzuschüssen oder der Wiederherstellung von zerstörten Gebäuden auf Kosten des Mieters der Fall. Nur vage schätzbare Leistungen habe der Gesetzgeber nicht als Leistungen in das Mietentgelt einbeziehen wollen. Der für ihren Ansatz festgelegte Satz von 5 v. H. sei willkürlich. Ein einheitlicher Satz berücksichtige nicht die unterschiedlich starke Abnutzung bei Groß- und Kleinwohnungen und verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Möglicherweise hätten früher Schönheitsreparaturen eine echte Belastung für das Grundeigentum dargestellt. In Zeiten der Wohnraumnot werde eine Wohnung nicht vermietet, wenn der Mieter die Schönheitsreparaturen nicht übernehme.

Der Kläger beantragt, den Einheitswert auf 180 800 DM herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Der Einheitswert von Mietwohngrundstücken ist nach § 76 Abs. 1 BewG regelmäßig im Ertragswertverfahren zu ermitteln. Dieses Bewertungsverfahren ist auch für das Mietwohngrundstück des Klägers anzuwenden, da ein Ausnahmefall des § 76 Abs. 3 Nr. 3 BewG vom FG nicht festgestellt worden ist. Nach § 78 BewG ergibt sich der Grundstückswert im Ertragswertverfahren regelmäßig durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete. Die für die Einheitsbewertung maßgebende Jahresrohmiete ist das Gesamtentgelt, das der Mieter für die Benutzung des Grundstücks auf Grund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für ein Jahr zu entrichten hat. Dabei sind Umlagen und alle sonstigen vertraglich vereinbarten Leistungen des Mieters in das Gesamtentgelt einzubeziehen (§ 79 Abs. 1 Satz 1 und 2 BewG). Durch Urteil III R 105/70 vom 2. Juni 1971 (BFH 102, 563, BStBl II 1971, 675) hat der Senat bereits entschieden, daß der Einheitswert im Ertragswertverfahren auf der Grundlage des Reinertrages ermittelt wird und daß die Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter bei der Ermittlung der maßgebenden Jahresrohmiete zu berücksichtigen sei. In dieser Entscheidung, an der der Senat festhält, hat er auch die Gründe für diese Rechtsauffassung im einzelnen dargelegt (vgl. I 3,4 der Entscheidungsgründe). Diese Auslegung des § 79 BewG führt auch zu einem wirtschaftlich vernünftigen Ergebnis. Übernimmt nämlich der Mieter die Kosten für Schönheitsreparaturen, so trägt er damit Kosten, die nach § 536 BGB der Vermieter zu erbringen hat. Diese Tatsache wird in der Regel bei der Festsetzung der Höhe der Miete berücksichtigt werden.

Daß der Kläger bis 1968/69 die Schönheitsreparaturen weitgehend auf eigene Kosten hat durchführen lassen, steht, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, der Erhöhung der Jahresrohmiete im Streitfall nicht entgegen. § 79 Abs. 1 BewG geht von den vertraglich vereinbarten Leistungen der Mieter aus. Danach kommt es in der Regel nicht darauf an, ob der Mieter die vertraglich vereinbarten Leistungen auch tatsächlich in vollem Umfang erbracht hat. Diese Auslegung nach dem Wortlaut entspricht auch dem Sinnzusammenhang, in den die Vorschrift hineingestellt ist. Mögliche Einbußen des Vermieters an der Jahresrohmiete, zu der als sonstige Leistung auch die Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter gehört, sind bei der Berechnung der Vervielfältiger pauschal berücksichtigt (vgl. Bundestags-Drucksache IV/1488 S. 60). Der pauschale Abzug des Mietausfallwagnisses bei der Bildung der Vervielfältiger schließt eine nochmalige Berücksichtigung von Mietausfällen im Einzelfall aus. Nach den unangefochtenen Feststellungen des FG waren die Mieter im Streitfall vertraglich verpflichtet, die Schönheitsreparaturen durchführen zu lassen. Daß diese vertragliche Vereinbarung nicht stillschweigend geändert wurde, beweist die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs auf Ersatz der für Schönheitsreparaturen entstandenen Unkosten.

Das FA hat die zu entrichtende Barmiete zu Recht um 5 v. H. der Jahresrohmiete erhöht. Bei diesem Satz handelt es sich nicht um eine willkürliche Erhöhung. Wie der Senat in der Entscheidung III R 105/70 (a. a. O.) ausgeführt hat, entspricht dieser Satz einem Erfahrungswert, der bei der Berechnung der Vervielfältiger berücksichtigt wurde (vgl. Bundestags-Drucksache IV/1488 S. 60, 127; Bundestags-Drucksache II/2544 S. 15, § 52g Abs. 9 des Entwurfs). Der Senat verkennt nicht, daß die Anwendung eines einheitlichen Satzes für sämtliche Mietwohngrundstücke die unterschiedlich starke Abnutzung der einzelnen Wohnungen nicht ganz genau berücksichtigt. Das Ertragswertverfahren des BewG ist eine Methode zur Bewertung einer großen Zahl wirtschaftlicher Einheiten des Grundbesitzes innerhalb kurzer Zeit. Mit diesem Ziel wäre es nicht zu vereinbaren, wollte man in jedem Einzelfall die Kosten für Schönheitsreparaturen entsprechend ihrem tatsächlichen Anfall ermitteln und gesondert berücksichtigen. Deshalb sind die Unkosten für Schönheitsreparaturen bereits bei Bildung der Vervielfältiger pauschal - bei Mietwohngrundstücken in Höhe von 5 v. H. der Jahresrohmiete - berücksichtigt worden. Dem entspricht, daß die Jahresrohmiete pauschal um diesen Satz erhöht wird, wenn nach dem Mietvertrag die Mieter die Schönheitsreparaturen zu tragen haben.

 

Fundstellen

BStBl II 1972, 376

BFHE 1972, 469

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