Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer GmbH entsteht durch die Umstellung der Forderung auf Einzahlung rückständiger Gesellschafteranteile von RM auf DM ein Gläubigerverlust im Sinn des § 164 LAG, auch wenn die rückständigen Einlagen Nicht eingefordert worden sind.

Die für die Ermittlung des bei der Kreditgewinnabgabe maßgeblichen Gewinnsaldos zu vergleichenden Bilanzen sind Erfolgsbilanzen.

Der Steuerpflichtige ist für Steuerzwecke an die Handelsbilanz gebunden, wenn das Steuerrecht keine abweichende Bilanzierung vorschreibt.

 

Normenkette

LAG §§ 161-162, 164

 

Tatbestand

Es ist streitig, ob bei der GmbH (Beschwerdegegnerin - Bgin.) durch die Umstellung der Forderung auf Einzahlung rückständiger Gesellschafteranteile von RM auf DM ein Gläubigerverlust im Sinne des § 164 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) entstanden ist. Am 24. November 1947 erhöhte die Bgin. ihr Stammkapital von 20 000 auf 100 000 RM. Die Bgin. hat ihren Betrieb von der X AG gepachtet. Der alte Geschäftsanteil von 20 000 RM befand sich in den Händen eines Herrn A., der ihn später an Herrn B., Kaufmann in W., abtrat. Die neue Stammeinlage übernahm Herr C. und zahlte 20 000 RM sofort in bar ein. Der Rest von 60 000 RM sollte je nach Bedarf von der Geschäftsführung eingefordert werden. Hierfür wies die Bgin. in ihrer RM-Schlußbilanz unter den Aktiven eine Resteinzahlungsforderung von 60 000 RM aus. In der DM-Eröffnungsbilanz wurde das Stammkapital auf 20 000 DM neu festgesetzt, wobei auf Herrn C. 16 000 DM, auf den Gesellschafter B. 4 000 DM entfielen. Dabei wurde das Resteinzahlungskonto gemäß § 42 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) im Verhältnis 10 : 1 umgestellt und mit 6 000 DM unter den Aktiven ausgewiesen. Auch bei der Bewertung des Betriebsvermögens wurde der Einzahlungsanspruch als Vermögenswert angesetzt.

Bei der Berechnung der Kreditgewinnabgabe hat das Finanzamt die Umstellung der Resteinzahlungsforderung nicht als Gläubigerverlust anerkannt, wobei es sich insbesondere auf Tz. 88 des Zweiten Kreditgewinnabgabe-Sammelerlasses (LA-Kartei, Karte 5 zu § 164) stützte. Die Umstellung des nichteingezahlten Stammkapitals bedeute in Wirklichkeit keinen Verlust, da die Stammeinlage nicht mehr eingefordert und die Einforderung auch nicht ernstlich erwogen worden sei. Die Finanzierung sei tatsächlich durch Kredite erfolgt; die Forderung stelle darum lediglich einen Berichtigungsposten zum Stammkapital dar.

In der Berufung wurden der Bescheid und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts aufgehoben und die Kreditgewinnabgabe unter Anerkennung des Gläubigerverlustes neu festgesetzt. Das Finanzgericht begründet sein Urteil wie folgt:

Da die Kapitalgesellschaft anerkannt sei, müßten für die steuerliche Beurteilung die Folgen gezogen werden. Die GmbH werde als kreditgewinnabgabepflichtig angesehen, müsse also auch alle Gläubigerverluste geltend machen können. Wenn die Gesellschaft den Einzahlungsanspruch bewerte, so gebe sie zu erkennen, daß sie mit der Einforderung ernstlich rechne. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteile III A 63/29 vom 30. Januar 1930, Reichssteuerblatt - RStBl - 1930 S. 137 und III A 103/29 vom 22. Mai 1930, RStBl 1930 S. 520), die zum Ansatz des Einzahlungsanspruchs das Rechnen mit der Einforderung verlangt, sei nicht haltbar. Der Resteinzahlungsanspruch sei als Vermögenswert anzusetzen; er sei auch ein umgestellter RM-Anspruch, der damit einen Gläubigerverlust begründe.

Gegen dieses Urteil hat der Vorsteher des Finanzamts Rechtsbeschwerde eingelegt und beantragt, die Einspruchsentscheidung des Finanzamts zu bestätigen. Die Resteinzahlungsverpflichtung gehöre zwar handelsrechtlich zum Gesellschaftsvermögen, § 164 LAG gehe aber von der Steuerbilanz aus, für die die Forderung nach steuerlichen Grundsätzen zu bewerten sei. Im Falle der Uneinbringlichkeit entstehe der Gesellschaft durch die Umstellung kein Verlust, weil dieser bereits vor der Währungsumstellung, nicht aber durch sie eingetreten sei. Die Schuldnergewinne könnten durch rein rechnerische Gläubigerverluste nicht gemindert werden. Das müsse auch für die Fälle gelten, in denen das Restkapital am 20. Juni 1948 noch nicht eingefordert war und nach dem Willen der Beteiligten auch nicht mehr eingefordert werden sollte, weil zum Beispiel der Kapitalbedarf auf andere Weise gedeckt sei. Dies sei hier der Fall. Der Gesellschafter C. sei aber auch in der Lage gewesen, den Einforderungsbeschluß zu verhindern; die Aufrechterhaltung des Betriebes habe im Interesse der Verpächterin, der X AG, gelegen. Diese habe auch das erforderliche Kapital zur Verfügung gestellt, bzw. für Fremdkapital gesorgt. Das "Resteinzahlungskonto 60 000 RM" stelle wirtschaftlich nur Haftungskapital, keinesfalls eine echte Forderung dar. In der Bilanz zum 31. Dezember 1947 sei auch die Resteinzahlungsforderung nicht ausgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts kann keinen Erfolg haben. Gläubigerverlust ist nach § 164 LAG der Betrag, um den der in der steuerlichen RM-Schlußbilanz ausgewiesene Wert für Forderungen den entsprechenden Ansatz in der steuerlichen DM-Eröffnungsbilanz übersteigt. Da die Resteinzahlungsforderung in diesen Bilanzen enthalten und vorschriftsmäßig umgestellt worden ist, ist zu entscheiden, ob sie eine echte Forderung darstellt, auch wenn sie von der Gesellschaft noch nicht eingefordert ist, oder ob sie nur als Berichtigungsposten zum Kapitalkonto angesehen werden muß - wie dies Tz. 88 des Zweiten Kreditgewinnabgabe-Sammelerlasses sagt -.

Die für die Ermittlung des bei der Kreditgewinnabgabe nach § 162 LAG maßgeblichen Gewinnsaldos zu vergleichenden Bilanzen sind Erfolgsbilanzen, denn die Aufstellung einer RM-Schlußbilanz wurde durch das Gesetz der Militärregierung Nr. 64 vom 22. Juni 1948 angeordnet, und der § 2 des Art. X a. a. O. bezieht sich dem Wortlaut nach auf die Gewinnermittlung und das Einkommensteuergesetz (EStG). Auch die DM-Eröffnungsbilanz ist steuerlich in erster Linie eine für die Gewinnermittlung aufzustellende Bilanz. In der steuerlichen Erfolgsbilanz muß die Resteinzahlungsforderung aktiviert werden. Handelsrechtlich gehört das ganze Stammkapital, auch wenn es teilweise noch nicht eingezahlt ist, als Passivposten in die Bilanz. Dementsprechend müssen die noch ausstehenden Raten der Stammeinlagen auf der Aktivseite erscheinen (vgl. Brodmann, GmbH-Gesetz § 42 Anm. 5b). Ob diese Einlagen eingefordert sind oder nicht, macht keinen Unterschied. Entspricht der noch ausstehende Betrag der Einlagen nicht ihrem wirklichen Wert, so muß dies in Erscheinung treten (vgl. Gadow-Heinichen-Schmidt-Weipert, Aktiengesetz, Berlin 1939 § 131 Anm. 5). Das Finanzgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß nach § 19 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) die Stammeinlagen den Gesellschaften nicht erlassen werden können. Dies ergibt sich aus dem Zweck und der Bedeutung der Erfolgsbilanz. Wenn nämlich auf der Passivseite die Stammeinlage voll in Erscheinung tritt, muß auf der Aktivseite ein Gegenposten gebildet werden, der den Ausweis eines sonst dadurch eintretenden Verlustes in dem betreffenden Geschäftsjahr vermeidet.

Wenn aber die Aktivierung der noch ausstehenden Einlagen in der Handelsbilanz erforderlich ist, trifft dies auch für die steuerliche Erfolgsbilanz zu. Der Reichsfinanzhof hat diese Abhängigkeit der Steuerbilanz von der Handelsbilanz stets und besonders in dem Urteil I A 110/33 vom 23. Mai 1935, RStBl 1935 S. 1467 betont. Nach diesem Grundsatz ist der Steuerpflichtige für Steuerzwecke an die Handelsbilanz gebunden, wenn das Steuerrecht keine abweichende Bilanzierung vorschreibt. Aus den steuerlichen Vorschriften ergibt sich aber kein Erfordernis, bei Aktivierung der ausstehenden Einlagen von der Regelung des Handelsrechts abzuweichen. Dies bestätigt der Kommentar von Evers, Körperschaftsteuergesetz 1925, 2. Auflage S. 545, wonach das auf Zahlung einer Geldsumme gerichtete Forderungsrecht auf Einzahlung der Stammeinlage zum Vermögen der Gesellschaft gehört und unter den Aktiven zu buchen ist. Der Resteinzahlungsanspruch steht darum zu Recht sowohl in der RM-Schlußbilanz wie auch in der DM-Eröffnungsbilanz, obgleich der Einlagerest nicht eingefordert worden ist. Diese Ansicht wird durch § 42 DMBG gestützt, der ausdrücklich und ohne Rücksicht auf die Einforderung die Umstellung nicht volleingezahlter Anteile vorschreibt. Ferner schreibt § 164 Abs. 3 Ziff. 2 LAG vor, daß bei einer Personengesellschaft Gläubigerverluste aus der Umstellung von Forderungen der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern außer Betracht zu lassen sind; das läßt umgekehrt darauf schließen, daß bei Körperschaften eine gleiche Regelung nicht beabsichtigt war. Es ist auch die überlegung gerechtfertigt, daß im Falle der Einzahlung Kredite hätten abgedeckt werden können, deren Umstellung einen Schuldnergewinn bewirkt. Daß der Betrieb der Bgin. erhebliche Geldmittel erforderte, hat das Finanzamt in seinem Schriftsatz vom 5. Juli 1955 ausgeführt. Diese Mittel konnten entweder aus fremden oder aus eigenem Geld stammen. Die Einzahlung hätte also durch Tilgung von Fremdschulden zu einem geringeren Schuldnergewinn geführt; es ist darum auch wirtschaftlich gerechtfertigt, den Gläubigerverlust bei der Kreditgewinnabgabe zu berücksichtigen. Daher kann den Ausführungen in Ziff. 88 des Zweiten Kreditgewinnabgabe-Sammelerlasses nicht gefolgt werden.

Auch der Hinweis des Finanzamts auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs in den Urteilen III A 63/29 und III A 103/29 a. a. O. kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Die Urteile sind zum Reichsbewertungsgesetz ergangen und für die steuerliche Vermögensaufstellung gedacht. Das ergibt sich auch aus dem den Entscheidungen zugrunde liegenden Gutachten I D 1/28 vom 13. April 1928, RStBl 1928 S. 171. Bei der Aktivierung von Resteinzahlungsforderungen auf das Stammkapital müssen die Steuerbilanz und die Vermögensaufstellung unter verschiedenen Gesichtspunkten gesehen werden, weil die Vermögensaufstellung die Wirkung eines Aktivpostens und seiner Veränderung auf den Gewinn unberücksichtigt lassen kann.

Es ist auch vom Finanzamt nichts dafür vorgetragen, was darauf schließen läßt, daß am Währungsstichtag die Forderung der Gesellschaft gegen ihren Gesellschafter uneinbringlich oder wertlos war. Auch die Tatsache, daß die Resteinzahlungsforderung zum ersten Male in der RM-Schlußbilanz erscheint, kann keine andere Beurteilung rechtfertigen, weil es für die Kreditgewinnabgabe auf diese Bilanz ankommt und nicht auf eine frühere Bilanz der RM-Zeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 309 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 376

BFHE 1958, 377

BFHE 65, 377

BB 1957, 1031

StRK, LAG:161 R 2

FR 1957, 520

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