Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 32 Abs. 3 Ziff. 1 Buchst. a EStG 1958, nach der der Freibetrag von 840 DM den unter die Regelung des § 26 EStG 1958 fallenden Ehegatten nicht zusteht, ist nicht verfassungswidrig.

 

Normenkette

EStG § 32/3/1/a; GG Art. 6/1

 

Tatbestand

Die beschwerdeführenden Ehegatten wurden ihrem Antrag entsprechend zur Einkommensteuer für das Jahr 1958 getrennt veranlagt. Ihre Steuer wäre auch im Fall der Zusammenveranlagung dieselbe gewesen. Bei der getrennten Veranlagung wurden die Sonderausgaben der Ehegatten, soweit sie die Summe der bei jedem Ehegatten anzusetzenden Pauschbeträge überstiegen, antragsgemäß bei der Veranlagung der Ehefrau berücksichtigt. Entgegen dem Antrag der Ehegatten setzte das Finanzamt jedoch bei keiner Veranlagung den Freibetrag von 840 DM ab, weil dieser nach § 32 Abs. 3 Ziff. 1 Buchst. a EStG 1958 für die Fälle der Ehegattenbesteuerung, möge es sich um getrennte Veranlagungen oder um Zusammenveranlagungen handeln, nicht in Betracht komme. Die Sprungberufungen blieben ohne Erfolg. Mit dem Finanzamt ist auch das Finanzgericht der Auffassung, daß die Bf. den Freibetrag nicht beanspruchen könnten, weil sie als Ehegatten besteuert würden. Die Vorschrift des § 32 Abs. 3 Ziff. 1 Buchst. a EStG 1958 sei, so führt das Urteil des Finanzgerichts aus, auch nicht verfassungswidrig. Es sei zwar dem Gesetzgeber verboten, Ehegatten gegenüber unverheirateten Personen zu benachteiligen. Das schließe jedoch nicht aus, daß die Ehe Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen sein könne, soweit sie der Natur des geregelten Lebensverhältnisses angemessen seien (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957, BStBl 1957 I S. 193). Daraus folge, daß der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, insbesondere auch nicht auf Grund von Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), solche tariflichen Sondervergünstigungen von nicht erheblicher Tragweite, die unverheirateten Personen wegen der sich aus ihren besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen ergebenden verminderten steuerlichen Leistungsfähigkeit zugestanden worden seien, auch Ehegatten zuzubilligen. Denn nach der Lebenserfahrung lägen solche besonderen Umstände, die durch den Freibetrag von 840 DM bei unverheirateten Personen berücksichtigt werden sollten, bei Ehegatten gewöhnlich nicht vor (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 289 - 290/58 U vom 21. August 1959, BStBl 1959 III S. 409, Slg. Bd. 69 S. 398; Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., Anm. 7 b zu § 32 EStG 1958). Die Anpassung der Steuerschuld an die Leistungsfähigkeit der in § 32 Abs. 3 Ziff. 1 EStG 1958 bezeichneten Steuerpflichtigen durch Gewährung eines Freibetrages von 840 DM sei um so weniger zu beanstanden, als die Einführung des Splitting-Verfahrens den zwischen Unverheirateten und Ehegatten bestehenden Belastungsunterschied zwangsläufig noch erhöht habe (vgl. Blümich-Falk, a. a. O., Anm. 7 a zu § 32 EStG).

Mit ihrer Rb. wehren sich die Bf. gegen die Versagung des Freibetrags. Die Regelung des § 32 Abs. 3 Ziff. 1 Buchst. a EStG 1958 sei, so machen sie geltend, verfassungswidrig. In dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 sei festgestellt, daß Ehe und Familie nach Art. 6 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stünden und daß das Einkommensteuerrecht deshalb an die Eheschließung nicht die nachteilige Folge knüpfen dürfe, daß Ehegatten dann, wenn sie beide Einkünfte bezögen, infolge des Steuertarifs höhere Steuern als vor der Verheiratung zahlen müßten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Daß die Vorinstanzen bei den Veranlagungen der Bf. jeweils den Freibetrag von 840 DM nicht berücksichtigt haben, ist nicht zu beanstanden. Nach § 32 Abs. 3 Ziff. 1 a EStG 1958 steht der Freibetrag nur solchen Steuerpflichtigen zu, "auf die § 32 a Abs. 2 und 3 keine Anwendung findet und die nicht nach §§ 26, 26 a getrennt veranlagt werden". Die Bf. sind aber für das hier in Betracht kommende Jahr ihrem Antrag entsprechend nach §§ 26, 26 a EStG 1958 getrennt veranlagt worden.

Die Rüge der Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 32 Abs. 3 Ziff. 1 Buchst. a EStG 1958 hat das Finanzgericht mit Recht zurückgewiesen. Auch wenn man mit den Bf. davon ausgeht, daß der in Art. 6 GG garantierte besondere Schutz von Ehe und Familie eine höhere Belastung von Verheirateten verbietet, schließt dies doch, wie das Finanzgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, nicht schlechthin aus, daß der Verschiedenheit der wirtschaftlichen Situation, in der sich unverheiratete Personen als einzeln lebende Personen und Verheiratete als zusammenlebende Personen befinden, durch Gewährung eines Freibetrags Rechnung getragen wird. Es kommt hinzu, daß diese Regelung nicht für sich, sondern nur im Zusammenhang mit den übrigen die Besteuerung von Ehegatten regelnden Vorschriften gesehen und verstanden werden kann. Die Regelung der Ehegattenbesteuerung bringt aber für die Ehegatten im großen und ganzen nur Vorteile (vgl. hierzu auch das Urteil des erkennenden Senats VI 168/59 U vom 29. Januar 1960, BStBl 1960 III S. 103, Slg. Bd. 70 S. 277). Auch die Bf. haben von ihr Gebrauch gemacht, indem sie - was der Ehegattenbesteuerung nicht unterliegende Personen nicht können - die Verteilung der Sonderausgaben ohne Rücksicht darauf beantragt haben, in wessen Person die Sonderausgaben angefallen sind. Es geht nicht an, jeweils einzelne Punkte aus einer Regelung herauszugreifen, um diese als ungünstig zu bezeichnen, die günstigen aber zu übersehen.

Die Bf. haben Antrag auf Aussetzung der Entscheidung gestellt, weil ein ähnlicher Fall beim Bundesverfassungsgericht anhängig sei. Der Senat sieht keine Veranlassung, dem Antrag stattzugeben (vgl. hierzu auch das Urteil des erkennenden Senats VI 147/58 U vom 20. Februar 1959, BStBl 1959 III S. 172, Slg. Bd. 68 S. 451).

 

Fundstellen

Haufe-Index 410243

BStBl III 1961, 548

BFHE 1962, 775

BFHE 73, 775

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