Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung und Zollgewicht von gefrorenem Rindfleisch

 

Leitsatz (NV)

Eingefrorenes vakuumverpacktes Rindfleisch bildet zusammen mit dem ausgetretenen und ebenfalls miteingefrorenem Fleischwasser eine einheitliche Ware, die nur einer einheitlichen Tarifierung zugänglich ist (Tarifst. 02.01 A II b GZT). Das Gewicht des miteingefrorenen Wassers gehört zum Zollgewicht des Fleischs.

 

Normenkette

GZT Teil I Titel I Abschn. C Nr. 2 Buchst. b; Titel II Abschn. D Nr. 2; Tarifst. 02.01 A II b

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ 1983 gefrorenes Rindfleisch ohne Knochen der Tarifst. 02.01 A II b 4 dd 33 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zum freien Verkehr abfertigen. Es handelte sich um vakuumverpackte Ware, die zusammen mit dem infolge Nachreifung ausgetretenen Blutwasser in der Folie eingefroren worden war. Die in den Zollanmeldungen angegebenen Eigengewichte hatte die Klägerin jeweils unter Berücksichtigung eines Abschlags von 3 v. H. vom Nettogewicht für das Blutwasser ermittelt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA -) folgte dieser Berechnung zunächst und erteilte entsprechende Steuerbescheide. Nach Überprüfung stellte sich das HZA jedoch auf den Standpunkt, das Blutwasser sei nicht gewichtsmindernd zu berücksichtigen, und forderte mit Änderungsbescheiden . . . die darauf entfallenden Währungsausgleichsbeträge (WAB) sowie die Abschöpfung nach. Die Einsprüche der Klägerin blieben - mit einer geringfügigen Änderung zu Lasten der Klägerin - ohne Erfolg.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin, die Änderungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab:

Bemessungsgrundlage für die auf das Rindfleisch entfallenden Eingangsabgaben sei grundsätzlich das Eigengewicht in Kilogramm. Der GZT definiere das Eigengewicht in Teil I Titel I Abschn. C Nr. 2 Buchst. b als das Gewicht der Ware ohne alle Umschließungen. Würden Umschließungen mit mehreren Waren verschiedener Gattung gefüllt eingeführt, so werde zur Bestimmung des Zollgewichts das Gewicht der Umschließungen anteilig auf das Gewicht der in ihnen verpackten Waren aufgeteilt (Teil I Titel II Abschn. D Nr. 2 GZT). Lägen diese Voraussetzungen nicht vor, so ändere sich die Tarifierung durch die Umschließung grundsätzlich nicht.

Der GZT unterscheide in der Tarifst. 02.01 A II frisches oder gekühltes Rindfleisch (Buchst. a) von gefrorenem Rindfleisch (Buchst. b). Eine sonstige Differenzierung sehe der GZT innerhalb der Tarifstelle für Rindfleisch nicht vor. Davon abweichende Waren aus Rindfleisch würden in Kapitel 16 GZT erfaßt; das sei entweder Fleisch, das eine andere Verarbeitungsstufe erreicht habe als frisches, gekühltes oder gefrorenes Rindfleisch oder auf andere Weise als durch Kühlung oder Einfrostung haltbar gemacht worden sei. Fleischextrakte und Fleischsäfte gehörten zu Kapitel 16 GZT; dabei handele es sich aber nicht um Blutwassser, das während des Transportes oder während der Lagerung ausgetreten sei und infolge der Verpackung nicht abfließen könne, sondern um Fleischprodukte, die durch eine gezielte Behandlung gewonnen worden seien.

Daraus ergebe sich, daß das HZA das Rindfleisch zu Recht mit dem vollen Eigengewicht ohne Abschlag für das eventuell nutzlose Blutwasser angesetzt und darauf die Eingangsabgaben berechnet habe. Zum maßgebenden Zeitpunkt habe es sich nämlich bei der Ware um gefrorenes Rindfleisch als eine einheitliche Ware, in Folie verpackt, gehandelt. Nach den Vorschriften des GZT sei lediglich die Umschließung bei der Gewichtsfeststellung zu berücksichtigen gewesen. Darüber hinaus sehe der GZT im Rahmen dieser Tarifstelle eine Berücksichtigung von später in verändertem Aggregatzustand nicht selbständig verwertbaren Bestandteilen des Gefrierguts nicht vor. Da es sich bei dem Blutwasser auch nicht um eine ,,Zubereitung" i. S. der Tarifnr. 16.03 GZT handele, liege auch keine zusammengesetzte Ware vor, bei der eine anteilige Berechnung des Eigengewichts vorgenommen werden müßte. Wenn die Finanzverwaltung aufgrund eines nicht veröffentlichten Erlasses des Bundesministers der Finanzen (BMF) bei frischem oder gekühltem vakuumverpackten Rindfleisch das Blutwasser, das während des Transportes ausgetreten sei, nicht dem Eigengewicht des Fleisches zurechne, so sei dies eine Vergünstigung, die auf praktischen Erwägungen beruhen möge; denn bei der Feststellung des Eigengewichts durch Verwiegen liefe das Blutwasser sofort ab. Für gefrorenes Rindfleisch gelte diese Überlegung nicht. Es könne offenbleiben, ob die von der Verwaltung bei Frischfleisch praktizierte Regelung vom GZT gestützt werde.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend:

Bei dem in Rede stehenden Blutwasser handele es sich um Tierblut, das nach Vorschrift 1 a zu Kapitel 5 GZT der Tarifnr. 05.15 GZT zuzuordnen sei. Das Blutwasser, das vor dem Einfriervorgang ausgetreten sei, sammle sich - je nach Gestaltung der beutelförmigen Folienvakuumverpackung - in einer Beutelseite oder Beutelecke an oder aber setze sich wie eine weitere Umhüllung zwischen Rindfleisch und Folie ab. Es handle sich also bei dem streitbefangenen Blutwasser um eine zu tarifierende Ware, die gemeinsam mit dem in Rede stehenden Rindfleisch eine zusammengesetzte Ware bilde und daher einer anteiligen Eigengewichtsberechnung zu unterliegen habe. Die Feststellung des FG, daß es sich bei in Folie vakuumverpackter Ware um einen einheitlichen Gefrierblock handle, gehe fehl, da gefrorenes Rindfleisch und anhaftendes Blutwasser ohne Aufwand mit Leichtigkeit voneinander getrennt werden könnten. Eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung habe am 27. Mai 1986 in den Räumen des BMF in Bonn stattgefunden. Das Urteil könne daher keinen Bestand haben. Andernfalls würde eine nicht nur wirtschaftlich unzumutbare, sondern auch jeder Logik widersprechende und paradoxe Entscheidung statuiert werden, wonach völlig nutz- und wertloses und nach Auftauen und Öffnen des Beutels nur noch in die Wasserentsorgung ablaufendes Blutwasser zollrechtlich in einem Fall, nämlich bei gekühltem Rindfleisch, völlig ohne Berechnung bleibe, im anderen Fall aber wie hochwertiges Rindfleisch behandelt werde und insoweit den diesbezüglich geltenden erheblichen Zollsätzen und Abschöpfungen voll unterläge. Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und entsprechend ihren Anträgen in der Vorinstanz zu entscheiden.

Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist zulässig. Die Vorentscheidung ist ein Urteil in Zolltarifssachen, gegen das die Revision ohne Zulassung statthaft ist (§ 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; vgl. Beschluß des Senats vom 14. Mai 1986 VII B 25/86, BFHE 146, 312). Eine Zolltarifssache liegt vor, wenn das FG durch sein Urteil über eine zolltarifrechtliche Frage entschieden hat. Zolltarifrecht ist insbesondere das Recht des GZT. Die hier zu entscheidenden Fragen einschließlich der Frage des maßgebenden Zollgewichts sind im GZT geregelt. Daß im vorliegenden Fall nicht die tarifliche Einordnung einer Ware im engeren Sinne streitig ist, ist für die Frage, ob eine Zolltarifssache gegeben ist, ohne Bedeutung (vgl. die zitierte Senatsentscheidung).

2. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die angefochtenen Bescheide bestätigt. Das HZA hat ohne Rechtsirrtum das Gewicht des Blutwassers in das maßgebende Zollgewicht der eingeführten Waren einbezogen (vgl. Teil I Titel I Abschn. C Nr. 2 Buchst. b, Titel II Abschn. D Nr. 2 GZT).

Die Klägerin könnte mit ihrem Begehren allenfalls dann Erfolg haben, wenn ihre Auffassung zuträfe, daß es sich bei der eingeführten Ware in Wahrheit um zwei Waren verschiedener Beschaffenheit (gefrorenes Rindfleisch einerseits, gefrorenes Tierblut andererseits) gehandelt hat. Nach Auffassung des FG war die abgefertigte Ware gefrorenes Rindfleisch als einheitliche Ware, in Folie verpackt, so daß bei der Gewichtsfeststellung nur das Gewicht der Folie wie geschehen unberücksichtigt bleiben konnte. Diese Auffassung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit sie auf tatsächlichen Feststellungen beruht, sind diese für den Senat bindend, da die Klägerin zulässige Revisionsgründe nicht vorgetragen hat (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Rüge der Klägerin, die Feststellung des FG, es liege ein einheitlicher Gefrierblock vor, sei ,,ohne weitere Sachaufklärung" getroffen worden und gehe fehl, entspricht - falls die überhaupt als Rüge eines Verfahrensmangels anzusehen ist - jedenfalls nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO.

Ein und dieselbe Ware kann nicht unter zwei verschiedene Tarifnummern fallen (vgl. z. B. Allgemeine Tarifierungs-Vorschrift - ATV - 2 b letzter Satz und 3 b). Ist also das eingeführte gefrorene Rindfleisch zusammen mit dem ausgetretenen und ebenfalls gefrorenen Blutwasser eine Ware, so kann entgegen der Auffassung der Klägerin das Blutwasser nicht unter eine andere Tarifstelle als das gefrorene Rindfleisch eingeordnet werden (vgl. auch Senatsurteil vom 6. Mai 1982 VII K 17/81, BFHE 136, 22, zur Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer Ware die Rede sein kann). Zolltariflich gesehen bildet jeder eingeführte Gefrierblock einschließlich des miteingefrorenen Wassers eine Ganzheit. Diese eine Ware ist nur einer einheitlichen Tarifierung zugänglich. Sie fällt unter die Tarifst. 02.01 A II b GZT (,,Fleisch . . . von Rindern . . . gefroren").

Das ergibt sich durch Auslegung dieser Tarifstelle. Rindfleisch enthält natürlicherweise Wasser und ist zusammen mit diesem eine einheitliche Ware. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn dieses Wasser - wie bei den streitigen Waren - mit Blut vermischt bei der ,,Reifung" austritt, aber mit dem Fleisch verbunden bleibt und zusammen mit ihm eingefroren wird. Im Sinne des Zolltarifs ist diese Ware in ihrer Gesamtheit als ,,Fleisch von Rindern, gefroren" im Sinne der Tarifnr. 02.01 GZT anzusehen.

Zu einer anderen Beurteilung vermag auch der Hinweis der Klägerin nicht zu führen, diese Rechtsauffassung führe dazu, daß bei gekühltem Rindfleisch das (in die Wasserentsorgung ablaufende) Blutwasser bei der Verzollung nicht berücksichtigt werde, während es bei gefrorenem Rindfleisch wie hochwertiges Fleisch behandelt und den Abgabensätzen für Fleisch unterworfen werde. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Ausgangspunkt dieses Einwandes, bei gekühltem Rindfleisch seien die Eingangsabgaben ohne Berücksichtigung des Blutwassers zu erheben, richtig ist. Denn für die Tarifierung und die Bemessung des Zollgewichts ist jedenfalls die objektive Beschaffenheit der Ware im maßgebenden Zeitpunkt zugrunde zu legen. Im vorliegenden Fall handelte es sich im maßgebenden Zeitpunkt um gefrorenes Rindfleisch (mit gefrorenem ausgetretenen Blutwasser), das sich in tariflich relevanter Weise von nur gekühltem Rindfleisch unterschied.

Der erkennende Senat hält im vorliegenden Fall die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts für derart offenkundig, daß keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt. Er ist daher nicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verpflichtet (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415).

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 404

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