Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine grundsätzliche Bedeutung mangels weiteren Klärungsbedarfs; Anschlussprüfungen auch bei Kleinbetrieben zulässig; keine Akteneinsicht bei unzulässigem Rechtsmittel
Leitsatz (NV)
1. Bereits unter der Geltung des § 4 BpO (St) war hinreichend in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass die Finanzverwaltung weder an einen bestimmten Prüfungsturnus noch an einen Prüfungsrhythmus gebunden ist.
2. § 4 Abs. 2 BpO 2000 enthält lediglich eine Zielvorgabe, wonach Großbetriebe lückenlos geprüft werden sollen, jedoch hinsichtlich des Prüfungsturnus bei Mittel- und Kleinbetrieben keine ‐ einschränkende ‐ Regelung.
3. § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 lässt ausdrücklich auch bei “anderen Betrieben” Anschlussprüfungen zu. Dieser Regelung kommt schon deshalb keine unzulässige Rückwirkung zu, weil eine Prüfungsanordnung dem Steuerpflichtigen eine Pflicht zur Duldung oder zur Mitwirkung bei der Außenprüfung erst für einen Zeitraum nach Inkrafttreten der BpO auferlegt.
4. Bereits aus § 4 BpO (St) ergab sich keine dahingehende Selbstbindung der Verwaltung, eine Außenprüfung nicht in kürzeren Abständen als dem statistisch ermittelten durchschnittlichen Turnus durchzuführen. Eine Selbstbindung widerspräche zudem dem mit der Außenprüfung verfolgten Ziel.
5. In einem unzulässigen Rechtsmittelverfahren besteht kein Anspruch auf Akteneinsicht; denn die Akten sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geeignet, der Rechtsschutzgewährung des Antragstellers zu dienen.
Normenkette
AO §§ 193-194; BpO (St) § 4; BpO 2000 § 4 Abs. 2-3; FGO § 78 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Soweit der Kläger Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
2. a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen insbesondere zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfalle voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen.
Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2006 VIII B 114/05, BFH/NV 2006, 709, m.w.N.).
b) Der Kläger macht geltend, im Gegensatz zu § 4 Abs. 3 der im März 2000 in Kraft getretenen "Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung (BpO) 2000" (BStBl I 2000, 368) habe die Verwaltung in § 4 Abs. 2 BpO (St) 1987 (BStBl I 1987, 802) im Wege einer Selbstbeschränkung ihres Ermessens, für andere Betriebe als Großbetriebe Anschlussprüfungen ausgeschlossen. Für die im Streitfall geprüften (Alt-)Prüfungszeiträume 1998 bis 2000 dürfe diese Regelung nicht rückwirkend aufgehoben werden.
Der Kläger hat es indes unterlassen, sich mit der zu dieser Rechtsfrage bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie mit dem auch vom Finanzgericht (FG) zitierten Schrifttum inhaltlich auseinanderzusetzen, um einen Meinungsstreit herauszustellen, der eine weitere bzw. erneute, im Allgemeininteresse liegende Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage erforderlich machte.
§ 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 lässt nunmehr ausdrücklich auch bei "anderen Betrieben" Anschlussprüfungen zu. Der BFH hat indes im Beschluss vom 1. April 2004 X B 119/03 (juris) ausgeführt, dieser Regelung, in welcher die Verwaltung das ihr hinsichtlich des Prüfungszeitraums vom Gesetz eingeräumte Auswahlermessen regele und begrenze, komme eine (unzulässige) Rückwirkung eindeutig schon deshalb nicht zu, weil die Prüfungsanordnung dem Steuerpflichtigen eine Pflicht zur Duldung oder zur Mitwirkung bei der Außenprüfung lediglich für einen Zeitraum nach Inkrafttreten der BpO 2000 (hier: mit Veröffentlichung dieser Verwaltungsvorschrift im Bundesanzeiger am 24. März 2000) auferlege. Selbst wenn man aber mit dem Kläger von einem Rückwirkungseffekt des § 4 Abs. 3 BpO 2000 auszugehen hätte, wäre die dann allenfalls in Betracht zu ziehende "unechte Rückwirkung" verfassungsrechtlich unbedenklich; denn weder § 4 Abs. 3 BpO (St) 1987 noch die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen der §§ 193 ff. der Abgabenordnung (AO) vermittelten dem Kläger eine schutzwürdige Vertrauensposition dahin gehend, auch nach Inkrafttreten des § 4 Abs. 3 BpO 2000 hinsichtlich der vorhergehenden Besteuerungszeiträume nicht mehr einer Außenprüfung unterzogen zu werden, zumal insoweit schützenswerte Vermögensdispositionen des Klägers auch nicht in Rede stünden (ferner Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 193 AO Rz 35 und 38, § 194 AO Rz 26; Eckhoff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 193 AO Rz 101).
Insbesondere ist aber bereits in der Rechtsprechung unter der Geltung des § 4 BpO (St) 1987 hinreichend geklärt, dass die Finanzverwaltung weder an einen bestimmten Prüfungsturnus noch einen Prüfungsrhythmus gebunden ist (vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1991 X R 1/88, BFHE 166, 414, BStBl II 1992, 274).
§ 4 Abs. 2 BpO 2000 enthält im Übrigen lediglich eine Zielvorstellung, wonach Großbetriebe lückenlos geprüft werden sollten. Über den Prüfungsturnus bei Mittel- und Kleinbetrieben enthält die BpO 2000 indes keine Regelung (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Juni 2003 X B 165/02, BFH/NV 2003, 1147). Jedoch hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sich aus § 4 BpO (St) 1987 keinerlei Selbstbindung der Verwaltung ergibt, die eine Außenprüfung in kürzeren Abständen als dem statistisch ermittelten durchschnittlichen Turnus ausschließt (vgl. BFH-Urteile vom 30. Juni 1989 III R 8/88, BFH/NV 1990, 273; in BFHE 166, 414, BStBl II 1992, 274, m.w.N.; vom 8. April 1992 I R 85/89, BFH/NV 1993, 73; BFH-Beschlüsse vom 20. Oktober 2003 IV B 67/02, BFH/NV 2004, 311; vom 30. Juni 2005 IV B 131/03, BFH/NV 2005, 1966; vom 14. März 2006 IV B 14/05, BFH/NV 2006, 1253). Eine derartige Selbstbindung widerspräche auch dem mit der Außenprüfung verfolgten Ziel (vgl. dazu BFH-Urteil vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4).
3. Bei einer unzulässigen Beschwerde besteht auch kein Anspruch auf Akteneinsicht, da die Akten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geeignet sind, der Rechtsschutzgewährung des Klägers zu dienen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. September 2003 VII B 171/03, BFH/NV 2004, 72; vom 16. September 2002 IX B 20/02, BFH/NV 2003, 186).
Fundstellen
Haufe-Index 1779194 |
BFH/NV 2007, 1804 |