OFD Berlin, 19.7.2002, St 122 - S 2241 - 2/02

In den Fällen der Anwachsung stellt sich die Frage, ob die steuerbilanziellen Buchwerte fortgeführt werden können oder ob die Anwachsung die Aufdeckung der stillen Reserven zur Folge hat. Im Gegensatz zum Handelsrecht (vgl. § 738 BGB, § 142 HGB) fehlen ausdrückliche gesetzliche Regelungen für die ertragsteuerliche Behandlung der Anwachsung.

Bei der ertragsteuerlichen Beurteilung der Anwachsung sind zwei Fallgruppen voneinander zu unterscheiden.

Fallgruppe 1:

Der austretende Gesellschafter ist am Vermögen einer zweigliedrigen Personengesellschaft kapitalmäßig nicht beteiligt.

§ 6 Abs. 3 EStG (§ 7 Abs. 1 EStDV a. F.) ist nicht anwendbar. Diese Vorschrift setzt einen Übertragungsvorgang voraus. Hieran fehlt es, weil der austretende Gesellschafter am Vermögen der Gesellschaft nicht beteiligt ist. Steuerlich gesehen sind dem verbleibenden Gesellschafter die seiner Beteiligung entsprechenden Wirtschaftsgüter schon vor der Anwachsung zuzurechnen, sodass sie ihm durch die Anwachsung nicht mehr übertragen werden können. Die Buchwerte sind daher nicht nach § 6 Abs. 3 EStG, sondern mangels eines Anschaffungsvorgangs fortzuführen.

Fallgruppe 2:

Der austretende Gesellschafter ist kapitalmäßig am Vermögen einer zweigliedrigen Personengeselischaft beteiligt.

Im Fall der Anwachsung liegt weder eine Betriebsaufgabe auf der Ebene der Personengesellschaft noch eine Aufgabe des Mitunternehmeranteils auf der Ebene des ausscheidenden Gesellschafters vor. Die gesetzliche Rechtsfolge des Erlöschens des Gesellschaftsanteils sagt, wie die Anwachsung beim verbleibenden Gesellschafter, nichts über den Rechtsgrund des Ausscheidens aus. Die Anwachsung ist steuerlich – entsprechend dem jeweils zu Grunde liegenden Rechtsgrund der Übertragung – entweder als entgeltliche oder als unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils zu behandeln.

Bei einer entgeltlichen Übertragung liegt eine Anteilsveräußerung i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG vor.

Bei einer unentgeltlichen Übertragung handelt es sich um einen Fall des § 6 Abs. 3 EStG (§ 7 Abs. 1 EStDV a.F.). Der Erwerber, der verbleibende Gesellschafter, führt die Buchwerte fort; der Vorgang ist erfolgsneutral.

Der BFH hat in seinem Urteil vom 10.3.1998 (BStBl 1999 II S. 269) im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters, der auch kapitalmäßig an der Personengesellschaft beteiligt war, entsprechend entschieden.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2

EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2

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