Leitsatz

Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten und zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

1. Sind die Grundsätze der Betriebsaufspaltung in grenzüberschreitenden Sachverhalten nur dann anzuwenden, wenn es zu einer Schmälerung des inländischen Steueraufkommens kommt?

2. Welche Folgerungen ergeben sich hieraus für Sachverhalte, in denen kein Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung besteht (Nicht-DBA-Fälle) sowie dann, wenn ein solches Ab­kommen besteht (DBA-Fälle)? Welche weiteren Folgerungen sind in den vorstehend bezeichneten Varianten jeweils für Inbound‐ bzw. Outbound-Konstellationen und nach Art und Belegenheit der jeweils überlassenen Wirtschaftsgüter zu ziehen?

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1 Nr. 9, § 8b Abs. 5 KStG, § 14 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine inländische gemeinnützige Stiftung. Sie war im Streitjahr Alleingesellschafterin einer niederländischen Kapitalgesellschaft, welche einer gewerblichen Tätigkeit nachging. Die Kapitalgesellschaft nutzte für ihre unternehmerische Tätigkeit ein niederländisches Betriebsgrundstück. Dieses gehörte der Klägerin, die es an die Kapitalgesellschaft verpachtet hatte.

Die niederländische Kapitalgesellschaft schüttete eine Dividende an die Klägerin aus. Das FA stellte die Dividendenzahlung zwar nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei, behandelte allerdings 5 % der Bezüge gemäß § 8b Abs. 5 KStG als nicht abziehbare Betriebsausgaben. Dagegen wandte sich die Klägerin unter Hinweis auf ihre Steuerbefreiung. Die Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs unter Anwendung von Betriebsaufspaltungsgrundsätzen verbiete sich, weil dies im grenzüberschreitenden Fall zu einer unzulässigen Ausweitung der Gewerbesteuer führen würde.

Das FG (FG Köln, Urteil vom 31.8.2016, 10 K 3550/14, Haufe-Index 9884562, EFG 2016, 1997) folgte dem nicht. Betriebsaufspaltungsgrundsätze seien auch grenzüberschreitend anzuwenden.

 

Entscheidung

Der BFH hat noch keine Entscheidung in der Sache getroffen, sondern das BMF aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten und sich zur Grundsatzfrage der grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung zu äußern.

 

Hinweis

1. Dass die Frage der grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung erst jetzt in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ankommt, dürfte einigermaßen überraschen. Denn mutmaßlich kommen diese Fälle in der Praxis gar nicht so selten vor und das "Rechtsinstitut" der Betriebsaufspaltung gibt es immerhin auch schon seit rund einem dreiviertel Jahrhundert. Mit dem vorliegenden Beschluss möchte der BFH dem BMF jetzt die Gelegenheit geben, sich zu dieser Grundsatzfrage zu äußern.

2. Im Streitfall wird die Frage der grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung deshalb virulent, weil eine "an sich" steuerbefreite Stiftung bei Annah­me einer Betriebsaufspaltung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO begründen und insoweit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. Satz 2 KStG steuerpflichtig würde. Und – wiederum – "an sich" lagen auch die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung vor: Denn die Stiftung hielt 100 % der Anteile an einer (niederländischen) Kapitalgesellschaft und stellte dieser im Wege der Verpachtung des stiftungseigenen niederländischen Betriebsgrundstücks auch eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Verfügung – eine personelle und sachliche Verflechtung zwischen der Stiftung als Besitz­unternehmen und der niederländischen (Betriebs-)Kapitalgesellschaft waren damit eigentlich gegeben.

3. Der dem Beschluss des BFH zugrunde liegende Sachverhalt beschreibt eine denkbare Konstellation der grenzüberschreitenden Betriebsauf­spaltung (inländisches Besitzunternehmen, ausländische Betriebskapitalgesellschaft, ausländisches Grundstück als wesentliche Betriebsgrundlage). Es ist allerdings festzustellen, dass mit der Kurzbezeichnung "grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung" auch eine Vielzahl anderer Sachverhaltsgestaltungen erfasst werden können. Diese verschiedenen Konstellationen hat der BFH in seiner Beitrittsaufforderung an den BMF grob nach zwei Ordnungsmerkmalen gegliedert: Zum einen geht es um DBA-Fälle und um Nicht-DBA-Fälle, zum anderen um Outbound-Varianten, wie im Streitfall, und um Inbound-Varianten (ausländisches Besitzunternehmen, inländisches Betriebsunternehmen).

4. Die rechtlichen Zweifel des BFH und sein Wunsch, eine diesbezügliche Äußerung des BMF zu erhalten, rühren daher, dass die Betriebsaufspaltung "historisch betrachtet" vom RFH deshalb ­entwickelt wurde, um einer Schmälerung des inländischen (insbesondere Gewerbe-)Steueraufkommens vorzubeugen. Im Grundfall der echten Betriebsaufspaltung (ein bisher als Einzelunternehmer tätiger Steuerpflichtiger gründet eine GmbH, die das Gewerbe fortführt, während der Steuerpflichtige das Betriebsgrundstück in seinem Eigentum behält und es der GmbH pachtweise überlässt) hatte die Aufspaltung des Betriebs – ohne Anwendung von Betriebsaufspaltungsgrundsätzen – nämlich u.a. zur Folge, dass ­die Betriebskapitalgesellschaft die Pachtzahlungen ­gewerbesteuermindernd abziehen konnte und diese beim Besitzunte...

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