Leitsatz

Der Vorsteuerabzug kann einem Unternehmer aus Lieferungen eines Scheinunternehmens verweigert werden, wenn er von "seiner Beteiligung" an einem Umsatzsteuerkarussell wusste oder dies hätte wissen müssen.

 

Sachverhalt

Der Kläger handelte im Streitjahr 1996 mit Computerteilen. Er stand im geschäftlichen Verkehr mit Unternehmen, die an einem der Hinterziehung von Umsatzsteuer dienenden "Karussell" beteiligt waren. Er wickelte einen nicht unerheblichen Teil seiner Geschäfte in bar ab, u. a. direkt mit einem wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilten Geschäftsführer einer Firma, die über keinen Sitz verfügt. Zudem hatte er häufig Kontakt zu den zwischenzeitlich inhaftierten oder sich einer Verhaftung durch Flucht ins Ausland entziehenden Tätern - auch noch nach deren Flucht. Nach umfangreichen Feststellungen der Steuerfahndung, Staatsanwaltschaft etc. war es anscheinend offenkundig, dass der Kläger selbst als letztes Glied in ein Umsatzsteuerkarussell eingeschaltet war. Den Vorsteuerabzug aus den entsprechenden Eingangsrechnungen verweigerte das Finanzamt deshalb.

 

Entscheidung

Nach Ansicht des Finanzgerichts konnte der Computerteile-Händler keinen Vorsteuerabzug geltend machen, weil er nach Ermittlungen der Kriminalpolizei offenbar in einen international agierenden Ring von Händlern, die mit Computerteilen (Prozessoren/CPU) handelten und Umsatzsteuerkarusselle aufgebaut hatten, eigeschaltet war. Die Beweislast für die für den Vorsteuerabzug eines an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligten Unternehmers erforderliche "Gutgläubigkeit" trägt der Unternehmer selbst. Das gilt auch für den Negativbeweis, dass er nichts vom Tatplan bzw. der Tatbeteiligung eines Vorlieferanten wissen konnte. Hinweise auf fehlende Gutgläubigkeit können die rechtlichen, wirtschaftlichen und personellen Verbindungen zwischen den "Akteuren" liefern. Je näher die Verbindung zu den bei dem Karussell Handelnden ist, desto wahrscheinlicher ist die Kenntnis von der Einbindung in eine Mehrwertsteuerhinterziehung.

 

Hinweis

Nach den EuGH-Urteilen vom 6.7.2006 (C - 439/04 und C - 440/04) müssen solche Wirtschaftsteilnehmer vor Umsatzsteuerbetrügereien geschützt werden, die selbst alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug verwickelt sind. Haben sie dies getan, sind sie gutgläubig. In solchen Fällen sind ihnen auch falsche Angaben des Rechnungsausstellers nicht bei der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs zum Nachteil auszulegen. Im hier vorliegenden Streitfall waren die Feststellungen der Steuerfahndung sowie der Kriminalpolizei allerdings offenbar eindeutig, wonach der Kläger an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt war, zumindest aber hätte wissen müssen, dass es sich bei seinen Lieferanten um Teilnehmer eines solchen Karussells gehandelt hat. Gegen die Entscheidung des Finanzgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. des BFH u.a. XI B 90/08). Für die Praxis ist bis auf Weiteres zu beachten, dass der BFH noch entscheiden muss, ob der Vorsteuerabzug versagt werden kann, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz des Lieferanten als Scheinsitz anzusehen ist (anhängiges Verfahren: V R 19/07). Ebenso sind die Revisionsverfahren XI R 51/07 und V R 15/07 von Interesse, wenn einem Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug wegen angeblicher Beteiligung an einem Umsatzsteuerbetrug versagt worden ist.

 

Link zur Entscheidung

FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.07.2008, 1 K 346/03

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