0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die ursprüngliche Fassung der Vorschrift trat am 1.1.1995 durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung der Sozialen Pflegeversicherung (PflegeVG) v. 26.5.1994 (BGBl. I S. 1014) in Kraft.
Nachdem diese Fassung zunächst durch das Erste SGB XI-Änderungsgesetz (SGB XI-ÄndG) v. 14.6.1996 (BGBl. I S. 830) – in diesem Rahmen wurden Abs. 1 Satz 2 eingefügt und Abs. 3 neu gefasst, um die zeitlichen Mindestvoraussetzungen der Pflegestufeneinteilung gesetzlich festzulegen und so ein zuvor bestehendes Regelungsdefizit auszufüllen (BSG, Urteil v. 19.2.1998, B 3 P 7/97 R) – und sodann mit Wirkung zum 1.4.2007 durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) v. 26.3.2007 (BGBl. I S. 378) – hier wurden Abs. 3 Satz 2 und 3 angefügt, um die Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung verrichtungsbezogener krankheitsspezifischer Pflegemaßnahmen umzusetzen – modifiziert wurden, hat der Gesetzgeber die Vorschrift mit dem Zweiten Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) v. 21.12.2015 (BGBl. I S. 2424) mit Wirkung zum 1.1.2017 vollständig novelliert. Die Änderungen sind Ausfluss des Vorhabens, den Begriff der Pflegebedürftigkeit neu zu definieren und ein neues Begutachtungsverfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Neues Begutachtungsassessment – NBA) einzuführen (zu den Hintergründen vgl. Vorspann zu § 14).
Ebenfalls mit Wirkung zum 1.1.2017 erfolgte eine redaktionelle Änderung in Abs. 3 durch Art. 1 Nr. 6a des Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3191).
Abs. 4 Satz 2 wurde mit Wirkung zum 1.1.2020 durch Art. 10 Nr. 3 des Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) v. 14.12.2019 (BGBl. I S. 2789) geändert. Der Begriff "Spitzenverband Bund der Pflegekassen" wurde ersetzt durch den Begriff "Medizinische Dienst Bund".
1 Allgemeines
Rz. 2
Zweck der sozialen Pflegeversicherung ist die soziale Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit im Sinne einer Grundsicherung. Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der Pflegeversicherung bewusst nicht bei jeder Form eines Pflegebedarfs auch entsprechende Leistungen gewähren. Aus diesem Grund hat er Mindestmerkmale statuiert, die als gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit staatliche Leistungen der Pflegekasse gewährt werden dürfen. Die Art und die Höhe der Leistungen hingen (bis zum 31.12.2016) und hängen (seit dem 1.1.2017) vom jeweiligen Pflegebedarf ab, wobei bis zum 31.12.2016 eine Einstufung in 3 sog. Pflegestufen und mit Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs zum 1.1.2017 eine Einstufung in 5 sog. Pflegegrade zu erfolgen hat. Für die Gewährung staatlicher Leistungen der Pflegekasse bedarf es mithin mindestens des Vorliegens der Voraussetzungen des Pflegegrades 1. Dies bringt nunmehr auch § 14 Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich zum Ausdruck. Danach muss die Pflegebedürftigkeit auf Dauer und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.
Rz. 3
§ 15 kommt im Gesamtkontext der Novellierung des Pflegeversicherungsrechts gemeinsam mit § 14 eine zentrale Funktion zu. Er ergänzt die in § 14 vorgenommene Legaldefinition des Begriffs der Pflegebedürftigkeit (einschließlich der in § 14 aufgeführten Kriterien zum Vorliegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung) um die grundlegenden Voraussetzungen und die Erläuterung der Methode zur Ermittlung des Pflegegrades, der wiederum maßgeblich ist für die Bestimmung der konkreten Leistungsansprüche. § 14 und § 15 stehen damit in einem untrennbaren Zusammenhang.
Rz. 4
Seit dem 1.1.2017 werden das Vorliegen und die Schwere der Pflegebedürftigkeit allein anhand des neuen, pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments (NBA) ermittelt. Das NBA beruht dabei auf dem Pflegebedürftigkeitsbegriff nach § 14 Abs. 1 und greift die in § 14 Abs. 2 genannten 6 (Pflege-)Bereiche (Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheitsbedingten Anforderungen und Belastungen, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte) sowie die dort genannten Kriterien auf. Der Kategorisierung der Pflegebereiche entsprechend ist auch das Begutachtungsinstrument in 6 sog. Module untergliedert, wobei die Begrifflichkeiten "Pflegebereiche" (aus § 14 Abs. 2) und "Module" (aus § 15) inhaltlich deckungsgleich sind; die Verwendung des Begriffs "Modul" verdeutlicht, dass eine Betrachtung im Begutachtungsverfahren erfolgt (Meßling, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 3. Aufl. 2021, § 15 Rz. 32).
Die gesonderte Feststellung einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a ist damit nicht mehr erforderlich (und auch nicht mehr zulässig), denn das NBA berücksichtigt bereits in den Modulen 2 und 3 die in diesem Kontext rel...