Rz. 52

Wenn sowohl der Werkunternehmer als auch der Auftraggeber bei der Herstellung einer Sache Hauptstoffe dazutun, führt der Werkunternehmer eine Werklieferung aus; fraglich ist in diesem Fall, was Gegenstand des umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschs ist und wie das Entgelt zu bemessen ist. Stoffe, die der Besteller dem Unternehmer zur Herstellung des Werks beigestellt hat, sind bei einer Werklieferung nicht Gegenstand des Leistungsaustauschs. Die beigestellten Stoffe können Haupt- oder Nebenstoffe sein.[1] Es liegt hinsichtlich der beigestellten Stoffe keine Lieferung der Stoffe durch den Besteller an den Unternehmer vor, denn dieser "erwirbt" nicht im umsatzsteuerlichen Sinn, denn er erlangt keine Verfügungsmacht i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG. Auch umschließt die Werklieferung des Unternehmers nicht den Wert der ihm vom Besteller zur Verfügung gestellten Stoffe.

 

Rz. 53

Die Annahme einer echten Materialbeistellung setzt begrifflich voraus, dass der Werkunternehmer den vom Auftraggeber beigestellten Stoff mit der Maßgabe erhält, ihn auch tatsächlich bei Herstellung des Gegenstands zu verwenden. Darf der Werkunternehmer über den Stoff wie ein Eigentümer verfügen (z. B. ihn gegen einen gleichen oder ähnlichen Stoff austauschen und dann anderweitig verwenden), liegt keine Materialbeistellung vor, sondern eine Lieferung des Stoffs durch den Auftraggeber an den Werkunternehmer. Die Werklieferung des Werkunternehmers umfasst in diesem Fall auch den ausgetauschten Stoff.[2]

 

Rz. 54

Erwirbt der Werkunternehmer den zu verarbeitenden Stoff durch Kaufvertrag vom Auftraggeber, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob er tatsächlich Verfügungsmacht an den erworbenen Sachen erlangt hat, darauf an, ob er frei über sie verfügen kann.[3]

 

Rz. 55

Eine Werklieferung liegt vor, wenn der Werkunternehmer einen Teil des Hauptstoffs beschafft und für den anderen, vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Stoff einen Kaufpreis entrichtet hat, der mit dem Gesamtpreis verrechnet wird.[4]

 

Rz. 56

Kauft der Werkunternehmer notwendige Hauptstoffe zufällig beim Auftraggeber und ist es diesem gleichgültig, ob von ihm oder von einem anderen bezogene Stoffe zur Herstellung des Werks verwendet werden, liegt keine Materialbeistellung, sondern eine Lieferung der Stoffe durch den Auftraggeber an den Werkunternehmer vor. Dasselbe gilt, wenn der vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Stoff zur Herstellung des Werks gar nicht verwendet werden kann (z. B. weil die Maße nicht stimmen), der Werkunternehmer ihn aber (unter Abzug vom Gesamtpreis des Werks) zu anderweitiger Verwendung behält. Förmlichkeiten (z. B. die Art der Nachfrage, des Angebots, der Auftragserteilung, der Abrechnung, der Entgeltsberechnung und der Preisvereinbarung – Gesamtpreis oder Einzelpreis –) spielen bei der Beurteilung der Frage, ob eine Lieferung von Stoffen durch den Auftraggeber an den Werkunternehmer stattgefunden hat, keine ausschlaggebende Rolle, sie können allenfalls im Rahmen des Gesamtbilds als Beweisanzeichen dienen.[5]

 

Rz. 57

Die beigestellten Stoffe scheiden auch dann aus dem Leistungsaustausch zwischen Werkunternehmer und Auftraggeber aus, wenn es sich um Stoffe handelt, die der Auftraggeber selbst herstellt oder mit denen er handelt. Es kommt nicht darauf an, ob der die Werkstoffe beistellende Unternehmer diese selbst erzeugt hat oder ob er mit solchen Werkstoffen Handel treibt oder ob er sie nur zum Zweck der Beistellung erworben hat, wenn er nur den Werkunternehmer nicht befähigen will, im eigenen Namen über die Werkstoffe zu verfügen.[6]

 
Praxis-Beispiel

Auftraggeber A überlässt Werkunternehmer B, den er mit der Herstellung von Bleirohren beauftragt hat, den dafür erforderlichen Hauptstoff (Altblei). B, der mit Bleirohren handelt, stellt diese nicht selbst her, sondern bezieht sie von Hersteller C.

Zwischen A und B liegt ein Tausch mit Baraufgabe vor: A liefert B Altblei (keine Materialbeistellung, da B Verfügungsmacht erlangt) und leistet eine Barzahlung; B liefert Bleirohre.[7]

 

Rz. 58

Eine echte Materialbeistellung liegt nur vor, wenn zwischen der Übergabe des beigestellten Hauptstoffs und der Bestellung der neuen Ware ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Dieser muss grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn es sich beim beigestellten Hauptstoff um vertretbare Sachen handelt. Beim Austausch zur Verfügung gestellter vertretbarer Sachen durch den Hersteller liegt wegen Fehlens der erforderlichen Stoffidentität deshalb insbesondere dann keine Materialbeistellung mehr vor, wenn ein Gesamtpreis berechnet und davon der Wert dieser Sachen abgezogen wird.[8]

 

Rz. 59

Die Erfordernisse der Stoffidentität hat der BFH im sog. Kokillenurteil modifiziert.[9] Da der Werkunternehmer neue Kokillen auch an Auftraggeber liefert, die keinen Kokillenschrott überlassen, musste er Kokillenschrott von Dritten erwerben, den er nicht getrennt lagern und verarbeiten konnte, weil Kokillenschrott verwendet wird, ohne dass besondere Gütemerkmale festgestellt werden müssen. Nach Ansicht des BFH fü...

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