Rz. 139

Nach § 38 InsO nimmt eine Forderung als Insolvenzforderung am Insolvenzverfahren teil, wenn sie im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens "begründet" ist. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass das Entstehen einer Steuerforderung nicht mit deren Begründetheit i. S. v. § 38 InsO identisch ist, sondern eine Steuerforderung auch dann bereits begründet sein kann, wenn sie noch nicht entstanden oder gar fällig geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, ob vor Insolvenzeröffnung alle Tatbestandsmerkmale des den Steueranspruch begründenden Steuertatbestands erfüllt sind.[1] Der für das Entstehen der Umsatzsteuerforderung nach § 13 UStG notwendige Ablauf des Voranmeldungszeitraums gehört nicht zum Umsatzsteuertatbestand; dieses aus steuertechnischen Gründen ins UStG aufgenommene zeitliche Element dient lediglich der Vereinfachung des Steuerverfahrens (Rz. 12f.).

 

Rz. 140

Bei der Soll-Besteuerung ist die Umsatzsteuerforderung unstreitig dann begründet, wenn vor Insolvenzeröffnung die Leistung ausgeführt und das Entgelt vereinnahmt wurde. Andererseits bestehen Masseverbindlichkeiten, wenn die Leistung erst nach Insolvenzeröffnung erbracht und das Entgelt ebenfalls nach Eröffnung vereinnahmt wurde.[2] Vor Insolvenzeröffnung geleistete Anzahlungen für nach Eröffnung erbrachte Leistungen führen hingegen zu Insolvenzforderungen.[3] Die USt für Leistungen, die vor Insolvenzeröffnung erbracht wurden, für die das Entgelt aber erst nach Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter vereinnahmt wird, sieht der BFH neuerdings als Masseverbindlichkeit an.[4] Ebenso kommt es für die insolvenzrechtliche Begründetheit des Vorsteueranspruchs nicht auf die umsatzsteuerrechtliche Entstehung und Rechnungsausgabe, sondern auf den Zeitpunkt der zugrunde liegenden Leistung an.[5] Handelt es sich bei der geltend gemachten Vorsteuer um solche, die auf Leistungen entfällt, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, mindert sie die als Insolvenzforderung anzusetzende Umsatzsteuerschuld. Beruht die Vorsteuer auf einer Leistung nach Insolvenzeröffnung, erfolgt zunächst eine Minderung der USt als Masseverbindlichkeit.[6] Die Begründetheit von Steuerforderungen im Insolvenzeröffnungsverfahren führt bei der Bestellung eines starken Insolvenzverwalters (§ 55 Abs. 2 InsO) und bei der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 55 Abs. 4 InsO) zu einer Masseverbindlichkeit. Nur in den Fällen, in denen im Insolvenzeröffnungsverfahren bei Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters, der Unternehmer selbst ohne Wissen des Insolvenzverwalters die Gegenleistung vereinnahmt, kommt es zu einer Insolvenzforderung der USt. Ebenso in den Fällen, in denen es später doch nicht zu einem Insolvenzverfahren kommt.[7]

 

Rz. 141

Bei der Ist-Besteuerung ist die Umsatzsteuerforderung unstreitig begründet, wenn sowohl die Leistungsausführung als auch die Entgeltvereinnahmung vor dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung liegen und lediglich der Voranmeldungszeitraum erst danach endet. Ist zwar die Leistung vor Insolvenzeröffnung ausgeführt, das Entgelt aber erst danach vereinnahmt, so ist der USt-Anspruch im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht begründet, da die Vereinnahmung des Entgelts das steuerbegründende Tatbestandsmerkmal ist. Mit der Vereinnahmung des Entgelts entsteht die Umsatzsteuerschuld als Masseverbindlichkeit.[8]

 

Rz. 142

Wird bei der Ist-Besteuerung bzw. Anzahlungsbesteuerung das Entgelt vor Insolvenzeröffnung vereinnahmt, die Leistung aber erst danach ausgeführt, so ist für die insolvenzrechtliche Beurteilung wiederum nicht die Vereinnahmung des Entgelts bzw. der Anzahlung maßgebend, sondern die Ausführung der Leistung. Erfolgt die Vereinnahmung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist die USt Insolvenzforderung, wenn die Leistung ausgeführt wird. Wird die Leistung hingegen nicht ausgeführt, ist die USt trotz der Vereinnahmung vor der Insolvenzeröffnung Masseverbindlichkeit.[9]

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