Rz. 34

Die Lieferungen lebender Pflanzen (auch selbstgezogener Pflanzen) unterliegen bereits nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 6 oder 7 der Anl. 2 des UStG dem ermäßigten Steuersatz. Unter § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG fallen nur sonstige Leistungen, die in der Anzucht von Pflanzen bestehen. Bei der Anzucht von Pflanzen handelt es sich um Werkleistungen, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Begrifflich muss es sich um die Anzucht fremder Pflanzen im Werklohn für Dritte auf eigenem oder gepachtetem Gelände handeln, wobei die Pflanzen zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. wenn sie das für einen Verkauf notwendige Wachstum erreicht haben) vom züchtenden Unternehmer an den Eigner wieder zurückgegeben werden. Die Anzucht eigener Pflanzen zum späteren Verkauf ist ein nicht steuerbarer Innenumsatz.

 

Rz. 35

Unter Anzucht von Pflanzen ist das Anziehen (Großziehen) von Jungpflanzen zu verstehen. Es umfasst die gesamte Betreuung und Pflege einschließlich aller das Wachstum fördernden Maßnahmen, bis die Pflanzen einen Zustand der Verwertbarkeit erreicht haben. Auf die Art der Pflanzen kommt es nicht an. Es kann sich z. B. um landwirtschaftliche Nutzpflanzen, Forstpflanzen oder Zierpflanzen handeln. Eine steuerbegünstigte Anzucht von Pflanzen liegt beispielsweise nicht vor, wenn ein Gärtner kranke Blumen in Pflege nimmt und nach Beseitigung des Schadens wieder zurückgibt.

 

Rz. 36

Der typische Fall, von dem die Ermäßigungsvorschrift ausgeht, ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Pflanzenzüchter dem Unternehmer ("Kostnehmer") junge Pflanzen (i. d. R. als Sämlinge bezeichnet) überlässt, damit dieser sie auf seinem Grundstück einpflanzt, pflegt und dem Pflanzenzüchter auf Abruf zurückgibt. Die Hingabe der Sämlinge an den Kostnehmer stellt keine Lieferung dar.[1] Dementsprechend kann auch die Rückgabe der aus den Sämlingen angezogenen Pflanzen nicht als Rücklieferung angesehen werden. Die Tätigkeit des Kostnehmers ist vielmehr eine sonstige Leistung, die als Anzucht von Pflanzen dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.[2]

 

Rz. 37

Gegenstand der Anzucht sind Jungpflanzen, die als solche dem Unternehmer zum Zweck des Großziehens überlassen werden. Dieser Fall ist nicht gegeben, wenn der Unternehmer Samen erhält und daraus Pflanzen zieht und diese später zurückgibt (Pflanzenzucht aus Samen). In einem solchen Fall kann im Verhältnis zwischen dem Samenlieferanten und dem Unternehmer (Kostnehmer) das Vorliegen einer sonstigen Leistung nicht mehr angenommen werden. In diesem Fall hat der Kostnehmer, der die Pflanzen in seinem landwirtschaftlichen Betrieb erzeugt, zuvor die Verfügungsmacht über den Samen im Rahmen einer Lieferung erlangt. Die Rückgabe der großgezogenen Pflanzen ist dann ebenfalls eine Lieferung, die zwar nicht unter die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG fällt, jedoch nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 6 bis 8 der Anl. 2 des UStG begünstigt sein kann.[3] Nach der Rechtsprechung des BFH[4] sind Vermehrungsverträge als Verträge eigener Art (die Elemente des Tausch-, Kauf-, Pacht- und Werkleistungsvertrags enthalten) anzusehen. Umsatzsteuerlich liegt, wenn die Geschäfte tatsächlich den Vermehrungsverträgen entsprechend abgewickelt werden, eine Lieferung des Basissaatguts vom Züchter an den Vermehrer sowie des Vermehrungssaatguts vom Vermehrer an den Züchter vor, nicht aber eine sonstige Leistung. Beide Saatgutlieferungen – des Züchters und des Vermehrers – sind regelmäßig nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG begünstigt.

 

Rz. 38

Die entgeltliche Übertragung des Rechts auf Sortenschutz oder des Anspruchs auf Erteilung des Sortenschutzes sowie die Übertragung des Sortenschutzes gem. § 11 SortschG[5] ist nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG begünstigt. Der Inhalt dieser Leistungen besteht nicht in der Anzucht von Pflanzen, sondern in der Übertragung von Rechten.

[5] Neugefasst durch Bek. v. 19.12.1997, BGBl I 1997, 3164, zuletzt geändert durch Gesetz v. 10.8.2021, BGBl I 2021, 3436.

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