Rz. 67

§ 90 Abs. 3 AO wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Änderung der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnverkürzungen und -verlagerungen[1] neu gefasst, um den Empfehlungen der G20/OECD im finalen Bericht zu BEPS-Aktionspunkt 13 hinsichtlich des dreistufigen Verrechnungspreisdokumentationsansatzes zu entsprechen.[2] Damit wurde die Dokumentationsverpflichtung in formaler Hinsicht vereinheitlicht und inhaltlich weiterentwickelt. Neben der Gliederung in eine landesspezifische, unternehmensbezogene Dokumentation (sog. Local file) und eine Stammdokumentation (sog. Master file) wurden die Dokumentationspflichten bei multinationalen Unternehmensgruppen um Regelungen zum länderbezogenen Bericht in § 138a AO (Sog. Country-by-Country-Reporting) ergänzt. Mit der Neufassung des § 90 Abs. 3 AO war zugleich eine Überarbeitung der nunmehr auf Grundlage des § 90 Abs. 3 S. 11 AO erlassenen Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung notwendig.[3] Die gesetzliche Normierung einer gesonderten Dokumentationspflicht für Verrechnungspreise war ursprünglich erforderlich, da diese auf Grundlage der bis dahin geltenden allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO nicht durchgesetzt werden konnte.[4] Diese gesetzliche Grundlage wurden dann mit dem Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz – StVergAbG) v. 16.5.2003, BGBl I 2003, 660 eingeführt und durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl I 2007, 1912 ergänzt. Die Vorschrift legt bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen Dokumentations- und Vorlagepflichten fest und geht damit weit über die erhöhten Mitwirkungs- und Beweisvorsorgepflichten des § 90 Abs. 2 AO hinaus. Die Regelung zielt darauf ab, der Steuerverwaltung die sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht äußerst problematische Überprüfung der Gewinnabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen (Verrechnungspreisprüfung) zu ermöglichen. Die Gesetzesänderung durch das BEPS I-Gesetz sorgt für die Aufnahme des BEPS-Aktionspunkts 13 in das nationale Recht. Mit der Neuregelung wurde die Dokumentation formalisiert und ausgeweitet. Neben dem neuen dreistufigen Aufbau (Local file, Master file, Country-by-Country-report) werden die Dokumentationspflichten nunmehr auch auf inländische Geschäftsvorfälle, auf eine Angemessenheitsdokumentation (vgl. unten Rz. 82), sowie auf Geschäftsvorfälle ausgeweitet, die keinen Leistungsaustausch zum Gegenstand haben. Allerdings haben nur Unternehmungen einen Master file und einen Country-by-Country-report zu erstellen, die eine Umsatzgröße von 100 Mio. EUR überschreiten.

 

Rz. 68

Aus Sicht des nationalen Gesetzgebers sollten neben der stärkeren Vereinheitlichung dieser spezifisch ausgestalteten Mitwirkungspflicht die Absicherung der mit dem Aktionsplan 13 von der OECD und den G20-Staaten verfolgen Ziele.[5] Die Dokumentation soll der Entstehung eines Informationsgefälles zwischen dem multinational agierenden Unternehmen und der Steuerverwaltung entgegen wirken und es der Steuerverwaltung erleichtern, die Einkünfteabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen und den nationalen Finanzbehörden zutreffend vornehmen zu können.[6]

Im Regelungszusammenhang zu § 90 Abs. 3 AO stehen § 162 Abs. 3 und 4 AO, nach denen im Falle eines Verstoßes gegen die Dokumentationspflicht nach § 90 Abs. 3 AO i. V. m.der GAufzV eine Hinzuschätzungsbefugnis eröffnet ist und ein Zuschlag verwirkt wird. Sind die Verrechnungspreise nicht aus der Dokumentation hinreichend herleitbar, ermöglicht § 162 Abs. 3 AO den Ansatz eines Verrechnungspreises, der sich nicht notwendigerweise an der unteren Grenze des in Frage kommenden Verrechnungspreisrahmens orientieren muss.[7]

 

Rz. 69

Mit dieser Entscheidung, gesetzliche Vorgaben für die Aufstellung einer Verrechnungsdokumentation in § 90 Abs. 3 AO aufzunehmen, wurde den Grundsätzen für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen[8] hinsichtlich der Verfahrensbestimmungen, die eine verrechnungspreisspezifische Dokumentations- und Mitwirkungspflicht der Stpfl. und eine daran anknüpfende Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde vorsahen, der Boden entzogen und damit einem Schwerpunkt der Betriebsprüfung die Handhabe genommen. Die Regelungen der §§ 90 Abs. 3, 162 Abs. 3 und 4 AO transformierten die Verwaltungsgrundsätze (modifiziert) in Gesetzesform und schafften – konstitutiv – die vom BFH nach bisheriger Rechtslage verneinten Rechtsgrundlagen für verrechnungspreisspezifische Mitwirkungspflichten der Stpfl. und daraus abgeleitete Schätzungsbefugnisse der Finanzbehörden. Der Gesetzgeber wandte sich damit bei grenzüberschreitenden Strukturen bewusst gegen die Gefahr einer Beweislastentscheidung zulasten der Finanzbehörde und übertrug das Beweisrisiko mit den aus § 162 Abs. 3 und 4 AO hervorgehenden Rechtsfolgen auf die Unternehmen.

 

Rz. 70

Mit der Einführung von § 90 Abs. 3 AO folgte Deu...

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